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Auf ein Wort: „Investitionsbeschleunigungsgesetz“

Kurzes Verfahren, knappe Rechtssicherheit?

Extrem lange gerichtliche Verfahren sind eine der größten Hürden für die Genehmigung von Windenergieanlagen. Das Investitionsbeschleunigungsgesetz (im August 2020 beschlossen und im Dezember in Kraft getreten) soll diese Hürde aus dem Weg räumen, indem die Genehmigungen nun direkt bei einem Oberverwaltungsgericht behandelt werden. Bis dahin war es viel zu oft so, dass zunächst ein Verwaltungsgericht eine Entscheidung fällte, diese Entscheidung dann beklagt wurde und das Verfahren an das jeweilige Oberverwaltungsgericht ging. Die gerichtlich angeordnete „aufschiebende Wirkung“ von Rechtsbehelfen gegen Windenergieanlagen hat Projekte um Jahre verzögert – und oft auch verhindert. Die Verkürzung des Instanzenzuges ist jetzt in der Verwaltungsgerichtsordnung festgeschrieben (§ 48 Abs. 1 Nr. 3a VwGO): Ein Oberverwaltungsgericht entscheidet danach über sämtliche Streitigkeiten, die Errichtung, Betrieb und Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern betreffen. Dass ein Widerspruch oder eine Anfechtungsklage gegen ein Windprojekt keine aufschiebende Wirkung mehr hat, ist eine neue Regelung im Bundesimmissionsschutzgesetz (§ 63 BImSchG), die sich für eine andere Materie wortgleich im Baurecht findet (§ 212a BauGB).

Auswirkung auf laufende Verfahren?

Leider sieht das Investitionsbeschleunigungsgesetz keine Übergangsvorschrift vor und auch die Gesetzesbegründung enthält keine ausdrückliche Aussage darüber, wie mit laufenden Verfahren umzugehen ist. Wir müssen aber auf Grund dogmatischer Rechtsgrundsätze davon ausgehen, dass das neue Investitionsbeschleunigungsgesetz sich nicht auf Verfahren auswirkt, bei denen bereits ein Verwaltungsgericht zuständig ist oder war. Gleiches gilt bei Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes verkündet worden sind und bereits beim Oberverwaltungsgericht anhängig sind, also Berufungsverfahren.

So begrüßenswert die Verkürzung des Verfahrensweges im Grundsatz ist – es bleibt im Moment noch völlig unklar, wie die Oberverwaltungsgerichte die neue Flut an Zulassungsverfahren personell bewältigen sollen. Denn eine immissionschutzrechtliche Genehmigung von Windrädern ist eine sehr umfassende und nach einem komplexen Verwaltungsverfahren getroffene Entscheidung, die die Prüfung einer Vielzahl von Sachverhalten vom Vogel- bis zum Schallschutz betrifft.

Ab sofort entfällt die aufschiebende Wirkung

Beim neu geregelten Umgang mit der aufschiebenden Wirkung von Einwendungen (nach § 63 BImSchG) ist nicht von vornherein klar, ob diese Regelung für laufende Verfahren gilt. Bei der Einführung der wortgleichen Regelung im Baugesetzbuch (§212a BauGB) war das zunächst umstritten – dann sprachen die überzeugenderen Argumente jedoch für die direkte Anwendbarkeit auch auf laufende Verfahren.

Wo es der Fall ist, können Vorhabenträger ihre Anträge auf „Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit von immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen“ jetzt zurückziehen - und die entsprechenden Gerichtsverfahren für erledigt erklären. Die Rechtsbehelfe von Einwendern wie Naturschutzverbänden oder Anwohnern müssen entsprechend umgestellt werden.

Der Haken dabei: Die Anträge der Kritiker Ihres Windprojektes legen zwar Ihre Baustelle nicht lahm, entschieden sind sie damit aber nicht. Denn dass sie keine aufschiebende Wirkung entfalten, erledigt den Einwand in der Sache nicht. Und bis der Rechtsbehelf nicht ausverhandelt ist, hat Ihre Investition keine Rechtssicherheit.

Alle Branchenteilnehmer sollten daher nun einen genauen Blick auf ihre laufenden Verfahren werfen und prüfen, welche Chancen die Anfechtungen realistischerweise haben. Nur auf diesem Weg können die notwendigen verfahrensrechtlichen Maßnahmen ergriffen werden - damit nicht nach Errichtung der Anlage das böse Erwachen kommt.

Der Autor dieser Kolumne, Martin Maslaton, ist Rechtsanwalt und Professor für das Recht der Erneuerbaren Energien, Leipzig. Er veröffentlicht regelmäßig in unserem Printmagazin. Ein kostenloses Probeabo finden Sie hier. Mehr Online-Artikel von Martin Maslaton finden Sie hier.

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