Greenpeace Energy (GPE) will allen Gaskunden in Deutschland ab Herbst 2011 „proWindgas“ anbieten. Nach Angaben der Hamburger Energiegenossenschaft ist der Auftakt für den 1. Oktober geplant. Die Belieferung beginnt zunächst mit 100 Prozent Erdgas, dem dann ab 2012 allmählich mehr und mehr sogenanntes „Windgas“ beigemischt wird. An welchen Standorten GPE Windgas-Anlagen baut, steht laut Vorstandsmitglied Robert Werner noch nicht fest. Das hänge vor allem davon ab, mit welchem Unternehmen zusammengearbeitet werde, sagte GPE-Energiepolitik-Leiter Marcel Keiffenheim: „Die Entscheidung darüber wird im kommenden Sommer fallen.“
Auch der Preis des „proWindgas“-Tarifes werde dementsprechend erst Mitte des Jahres feststehen. „Interessenten können sich aber ab sofort vormerken lassen“, sagte Keiffenheim. Im Tarif wird ein Aufschlag enthalten sein, der den Aufbau der Windgas-Technologie finanzieren hilft. Mit den Einnahmen daraus beschaffe GPE Elektrolyseure, um selber Wasserstoff zu gewinnen. „Wir rechnen momentan mit einem Aufschlag von 0,5 Cent je kWh Strom“, meint Energiepolitik-Leiter Keiffenheim.
Gasumwandlung macht Strom aus Windanlagen lange speicherbar
Hintergrund des Angebots ist eine kürzlich von GPE angekündigte neue Technologie, die Strom aus Windanlagen über einen längeren Zeitraum speicherbar machen soll. Denn Speicherbarkeit gilt als wesentliche Voraussetzung dafür, dass sich Deutschland künftig vollständig aus erneuerbaren Energien versorgen kann. Dafür plant GPE, Wasser in einem einfachen Elektrolyseverfahren mittels überschüssigen Stroms aus Windkraftanlagen in Wasserstoff umzuwandeln. Das so gewonnene „Windgas“ werde anschließend ins Erdgasnetz eingespeist, das – anders als das derzeitige Stromnetz – Energie für viele Monate speichern kann. Bei Bedarf lasse sich das „Windgas“ in Gaskraftwerken und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen rückverstromen oder aber direkt zum Heizen und Kochen sowie für Gasfahrzeuge nutzen.
Wasserstoff wirke jedoch korrosiv, erhöhe den Zündbereich und senke den Brennwert des Gasgemisches, schreibt Michael Sterner vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Systemtechnik (IWES) in einem Gutachten für GPE. Aus diesem Grund wird Wasserstoff nur bis zu einer Grenze von fünf Volumenprozent direkt ins Erdgasnetz eingespeist. „Daher wird der aus Windstrom gewonnene Wasserstoff in einem zweiten Schritt methanisiert“, sagt Marcel Keiffenheim. Dieses Methan hat Michael Sterner zufolge Erdgasqualität, kann in das bestehende Netz eingeleitet und dort zu geringen Kosten ohne relevante Kapazitätsbegrenzung über lange Zeiträume gespeichert werden.
Windgas-Technologie macht konventionelle Großkraftwerke auf Dauer überflüssig
Um künftig die vollständige Versorgung aus erneuerbaren Energien in Deutschland zu sichern, soll die Speicherung die witterungsbedingten, extremen Schwankungen der Stromproduktion von Wind- und Solarkraftanlagen ausgleichen. Immer dann, wenn bei guten Bedingungen mehr Ökostrom entsteht als verbraucht wird oder auch als das Netz transportieren kann, plant GPE die überschüssige Energie als „Windgas“ ins Erdgasnetz fließen zu lassen und dort für jene Zeiträume einzulagern, in denen erneuerbare Energien den Bedarf nicht decken können. „Auf diese Weise macht die Windgas-Technologie konventionelle Großkraftwerke dauerhaft überflüssig“, sagt GPE-Vorstand Werner. Eine hundertprozentige Versorgung aus erneuerbaren Energien werde so praktisch umsetzbar.
170 TWh Speicherbedarf jährlich für Komplettversorgung aus erneuerbaren Energien
Den Speicherbedarf bei einer vollständigen Versorgung aus erneuerbaren Energien beziffert Fraunhofer-IWES-Experte Sterner deutschlandweit auf rund 170 Terrawattstunden (TWh) jährlich. Platz dafür gebe es im Gasnetz genug. Dessen Speicherfähigkeit reiche aus, um für zwei bis drei Monate die gesamte Stromversorgung Deutschlands zu übernehmen. „Über die Strom-Gasnetz-Kopplung erschließen wir die größte Speicherinfrastruktur, die wir in Deutschland haben. Der gesamte Ökostrom von 2010 bräuchte gerade mal ein Viertel der vorhandenen Gasspeicherkapazität“, sagt Sterner. Zusammen mit Michael Specht vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung (ZSW) hatte er bereits 2008 die Methanisierung von Wasserstoff als „Power to Gas“-Konzept erarbeitet.
Pumpspeicherkraftwerke mit maximal 0,7 TWh direkter Strom-Speicherkapazität
Die Speichermöglichkeiten, die das Verfahren eröffnet, sind nach GPE-Angaben riesig. „Im bestehenden Gasnetz können bei Verwendung der heutigen Techniken bis zu 514 TWh gespeichert werden“, sagt Marcel Keiffenheim. Ohne die Umwandlung in Gas könnten die aktuell vorhandenen Pumpspeicherkraftwerke demgegenüber nur bis zu 0,6 TWh Strom direkt aufnehmen. Selbst mit den bundesweit derzeit geplanten Speicherwerken würde diese Kapazität maximal auf nicht mehr als 0,66 bis 0,7 TWh steigen. (Andreas Haude)