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Nationale Wasserstoff-Strategie

Sieben Maßnahmen für eine erfolgreiche Energiewende mit Wasserstoff

Nicole Weinhold

Im Juni hat die Bundesregierung die Nationale Wasserstoffstrategie (NWS) verabschiedet. Der Stand der Umsetzung und Zielerreichung der NWS wird von dem Staatssekretärsausschuss für Wasserstoff der betroffenen Ressorts begleitet und gemonitort. Der Ausschuss entscheidet auch über die Weiterentwicklung und Umsetzung der Strategie. Der Staatssekretärsausschuss wird dabei von dem Nationalen Wasserstoffrat (NWR) begleitet, der den Staatssekretärsausschuss durch Vorschläge und Handlungsempfehlungen berät.

Wasserstoffmaßnahmen nicht ausreichend

Wie eine Studie von Aurora Energy Research zeigt, sind die NWS-Maßnahmen in der geplanten Form weit entfernt von dem, was zum Erreichen der Dekarbonisierungsziele erforderlich ist. Im ungünstigsten Fall könnte die Wasserstoffstrategie die Treibhausgasemissionen sogar zunächst steigen lassen.

In ihrer Analyse haben die Aurora-Experten durchgerechnet, wie sich die Vorhaben der Bundesregierung auswirken, wenn sie jeweils wie geplant umgesetzt werden: Während der Ausbau der Offshore-Windkraft die Emissionen reduziert, lässt die geplante Produktion von Wasserstoff per Elektrolyse den Strombedarf ansteigen. In der Bilanz gleichen sich beide Effekte gerade mal aus, mit der Folge, dass der Stromsektor trotz des Windkraft-Zubaus nicht kohlenstoffärmer wird. „Der Erneuerbaren-Anteil am Strommix steigt nicht schnell genug“, sagt Jan-Lukas Bunsen, Projektleiter im Berliner Büro von Aurora Energy Research. „Das heißt, dass für die Elektrolyse auch Kohlestrom zum Einsatz kommt und der so produzierte Wasserstoff somit zunächst klimaschädlicher ist als der aus Erdgas gewonnene so genannte graue Wasserstoff.“

Der NWR hält den Zeitraum bis zum Jahr 2030 für entscheidend:

1. Ziel: Gesamteuropäischer Ansatz - mit der deutschen und der europäischen Wasserstoffstrategie wurde ein Bekenntnis zur Schlüsselrolle von Wasserstoff für die erfolgreiche Umsetzung der globalen Klimawende abgegeben. Ziel der deutschen EU-Präsidentschaft in Bezug auf Wasserstoff sollte es sein, möglichst viele Mitgliedsstaaten zu vereinen und einen breiten Konsens für eine konsequente Umsetzung auf europäischer Ebene zu nutzen.

2. Ziel: Europäischer Binnenmarkt und einheitliche Klassifizierung - Grundvoraussetzung für zeitnahe private Investitionen in die Wasserstofftechnologien ist die Schaffung klarer Rahmenbedingungen, die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes steht an vorderster Stelle. Weiter sollten sowohl die Klassifizierung als auch die technischen Regeln und Standards auf europäischer Ebene klar definiert und harmonisiert werden.

3. Ziel: Aufbau von Infrastruktur - für die Errichtung großskaliger Wasserstoffanwendungen ist eine frühzeitige Initiierung der notwendigen Infrastrukturanpassungen notwendig.

4. Ziel: Nachfragehochlauf initiieren - um kurz- und mittelfristig Skaleneffekte zu erreichen, muss eine entsprechende Nachfrage generiert werden.

5. Ziel: Energiepartnerschaften - die europäische Wasserstoffstrategie betrachtet die globale Komponente bisher noch zurückhaltender als die deutsche Wasserstoffstrategie. Die Etablierung von internationalen Projekten und Energiepartnerschaften sollte durch die Bundesregierung während der Ratspräsidentschaft forciert werden.

6. Ziel: Finanzierungsinstrumente - für eine erfolgreiche Umsetzung der in der europäischen Wasserstoffstrategie genannten Zielsetzungen ist die Entwicklung von Finanzierungsinstrumenten essenziell.

7. Ziel: Forschungsförderung von Schlüsseltechnologien - um eine wettbewerbsfähige Wasserstoffwirtschaft mit marktfähigen Produkten in Europa zu etablieren, sollte die Förderung zur Erforschung und Entwicklung von Technologien zur Wasserstofferzeugung und -anwendung weiter forciert werden.

Stahl- und die Chemieindustrie dekarbonisieren

Die Studienautoren von Aurora sehen die nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung dennoch als richtigen Schritt, um Sektoren zu dekarbonisieren, in denen der direkte Einsatz von Elektrizität schwierig oder unmöglich ist, etwa die Stahl- und die Chemieindustrie. „Es ist wichtig, das Thema Wasserstoff jetzt hochzufahren“, sagt Bunsen. „Allerdings ist entscheidend, dass parallel zum Hochfahren der Elektrolyse der Ausbau der Erneuerbaren im nötigen Maße gelingt. Denn sonst steigen nicht nur die Treibhausgasemissionen kurz- bis mittelfristig, sondern es wird auch schwierig, das Ziel von 65 Prozent Anteil der Erneuerbaren an der Stromnachfrage bis 2030 zu erreichen.“ Wie die Studie zeigt, würde bei Umsetzung der aktuellen Pläne der steigende Strombedarf für die Wasserstoffproduktion dafür sorgen, dass die erneuerbaren Energien bis 2030 gerade mal 55 Prozent Marktanteil erreichen. „Um das 65-Prozent-Ziel trotzdem zu erreichen, müssten die heute installierten 125 Gigawatt erneuerbare Stromerzeugungskapazität bis 2030 fast verdoppelt werden – das ist mit den aktuellen Ausbauzielen der Bundesregierung nicht erreichbar“, sagt Bunsen.

Wasserstoffwirtschaft und Erneuerbaren-Ausbau als Gesamtpaket betrachten

Die Studienautoren empfehlen daher, Wasserstoffwirtschaft und Erneuerbaren-Ausbau als Gesamtpaket zu betrachten und Maßnahmen eng aufeinander abzustimmen: „Nur durch diese Koppelung lässt sich sicherstellen, dass der per Elektrolyse hergestellte Wasserstoff auch wirklich kohlenstoffärmer ist als der aus Erdgas erzeugte“, sagt Bunsen. „Zudem lassen sich dann auch wirtschaftliche Synergien erreichen.“ So könnten zum Beispiel die Betreiber von Erneuerbare-Energien-Projekten ihre Einnahmen um bis zu vier Prozent steigern, wenn sie ein wetterbedingtes Strom-Überangebot an Wasserstoffelektrolyseure verkaufen. „Solche positiven Rückkopplungen beschleunigen wiederum den Erneuerbaren-Ausbau, bei gleichzeitig geringerem Subventionsbedarf.“

Infrastruktur für Transport und Speicherung des Wasserstoffs schaffen

Doch nicht nur Wasserstoffproduktion und regenerative Stromerzeugung müssen aufeinander abgestimmt werden. Zum Gesamtpaket gehört auch der nötige Ausbau der Stromnetze, zumal viele neue Windkraftanlagen in Meeresgebieten errichtet werden sollen, die bisher weder dafür genehmigt noch an das Stromnetz angeschlossen sind. Die Studie kommt daher auf mindestens 11.000 Kilometer neue Leitungen bis 2030. Zudem muss auch die Infrastruktur für Transport und Speicherung des Wasserstoffs geschaffen werden. Und: Um gleichzeitig mit dem Hochlauf der Produktion von Wasserstoff auch dessen Nutzung zu steigern, müssen vor allem industrielle Anwender rechtzeitig mit dem Umbau ihrer Anlagen beginnen, denn dieser dauert je nach Einsatzbereich mehrere Jahre. Auch die Kosten dafür sind zu berücksichtigen: Die Aurora-Experten gehen davon aus, dass die Umstellung von Infrastruktur und Industrieanlagen auf Wasserstoff zwei- bis viermal so viel kosten wird wie die nötigen Subventionen für die Wasserstofferzeugung aus erneuerbaren Energien.

System zur Zertifizierung des Wasserstoffs

Als Fazit empfehlen die Studienautoren daher ein politisches Gesamtkonzept, das alle Aspekte der Wasserstoffwirtschaft und ihre Implikationen für die Beteiligten berücksichtigt. Dazu gehört die Frage, wie etwa Stahl- und Chemieunternehmen bei der Umstellung ihrer Anlagen auf Wasserstoffbetrieb unterstützt werden. Auch der Bau und Betrieb der Infrastruktur zum Transport und Speichern des Wasserstoffs muss geregelt und Förderanreize gesetzt werden. Ebenso braucht es ein System zur Zertifizierung des Wasserstoffs, um kenntlich zu machen, aus welchen Quellen er stammt und wie klimafreundlich er ist. Gut gemacht, kann ein solches System die Nachfrage nach tatsächlich grünem Wasserstoff steigern und so den Ausbau der Erneuerbaren zusätzlich fördern. „Entscheidend ist, dass die Politik möglichst bald klare Rahmenbedingungen setzt, an denen sich die Marktteilnehmer orientieren und ihre Entscheidungen ausrichten können“, sagt Bunsen. „Denn der Aufbau der Wasserstoffwirtschaft erfordert erhebliche Investitionen, die nur fließen werden, wenn die Geldgeber langfristig Planungssicherheit haben.“

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