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Europäische Windenergiekonferenz EWEA

Innovationen nach Windverhältnissen

Der österreichischen Tageszeitung Die Presse war die wiederholte Kritik aus der Kommission der Europäischen Union (EU) am Ausbautempo der Windkraft ein zweiseitiger Themenschwerpunkt wert. So tite1te Die Presse am Montag: „EU: Stopp für Ökostromsubventionen“. Das entsprechende Zeitungsinterview mit dem Generaldirektor für Energie in der EU-Kommission, Philip Lowe, lasen die noch zum Tagungsstart der Windenergiekonferenz EWEA anreisenden Besucher schon im Flieger. Lowe forderte gemäß der Linie des EU-Energiekommissars Günther Öttinger ein Ende der nationalen Ökostromvergütungen. Die Nachbarländer Deutschlands hätten Angst vor dem in ihre Netze drückenden Überfluss an deutschem Windstrom.

In den EWEA-Podiumsdiskussionen war das kein Thema. Stattdessen warnten Politiker und Vertreter internationaler Energieagenturen, die Windbranche müsse ihr eigenes Förderkonzept entwickeln und dieses mit einer Stimme präsentieren. Außerdem riefen mehrere Redner dazu auf: Nationale Reformen am Energiesystem müssten so kontrolliert vonstatten gehen, „dass Projektplanungen nicht abgewürgt werden“. Dies betonte etwa Fatih Birol von der Internationalen Energieagentur (IEA). Die IEA galt in der Vergangenheit eine als energiewendeskeptisch verrufene Organisation. IEA-Chefökonom Birol erinnerte nun daran, dass bislang noch mehr als doppelt so viele Subventionen in Förderung konventioneller Energien fließen als in die Förderung der Erneuerbaren.

Wissen für jedes Windvorkommen

Derweil weist die Organisation der Windenergiekonferenz und der sie begleitenden Technologieausstellung darauf hin, dass die genauen Kenntnisse der Windverhältnisse immer entscheidender werden. Denn die Branche bereitet sich auf die immer tiefere und individuelle Durchdringung aller europäischen Märkte vor. Schon das Passwort zum drahtlosen Internetzugang für die Messegäste enthielt den Namen einer modernen Windmesstechnologie. Ausstellungsstücke von anderen Windabtastgeräten erhielten Sonderplätze entlang markanter Abzweigungen auf dem Messegelände.

Siemens: Upgrade, um Möglichkeiten zu nutzen

Die Turbinenhersteller wiederum präsentierten, wie sie dem Bedarf an Windverhältnis gerechten Windenergieanlagen schon mit vergleichsweise leichten Technologiereformen beikommen wollen. Siemens etwa hatte die auf eine Leistung von vier Megawatt (MW) vergrößerte 3,6-MW-Offshore-Turbine schon Anfang Januar präsentiert. Nun begründete Cheftechniker Hendrik Stiesdal die Anlagenreform sinngemäß so: Siemens wolle den Interessenten der bisherigen 3,6-MW-Anlage, die meist als Offshore-Turbine gekauft werde, ebenso Zugriff auf neueste technologische Fortschritte geben. Soll heißen: Die als SWT4.0-130-Anlage neu gerechnete Getriebeturbine wird einen Vollumrichter haben sowie die Rotorblattsorte der kürzlich mit einem Meeresprototyp erstmals installierten getriebelosen Sechs-MW-Anlage. Diese Rotorblätter sind stark vorgebogen, elastisch – und sie haben an der Blattwurzel nicht nur wie gewöhnlich eine Feder-gemäße Ausstülpung auf der Blatthinterkante sondern auch eine vorgezogene bauchige Form am Blattwurzelkiel. „Wir hätten natürlich warten können“, betonte Stiesdal, „bis die Sechs-MW-Offshore-Anlage den Verkauf der 3,6-MW-Anlage ganz abgelöst haben würde. Aber dann hätten wir unsere Möglichkeiten verschenkt.“

15 Prozent mehr Jahresertrag verspricht die in Dänemark geführte Windsparte von Siemens im Vergleich zur heutigen SWT3.6-120 bei einer durchschnittlichen Windstärke von 8,5 Meter pro Sekunde. Je die Hälfte dieses Effizienzgewinns schreibt Siemens der größeren künftigen Anlagenleistung und dem vergrößerten Rotor zu. Möglicherweise hilft die Anlage ja auch, bessere Preise zu erzielen. Internationaler Preisdruck hatte zuletzt dazu geführt, dass der Profit im Windenergieanlagengeschäft von 12,8 Prozent 2010 auf sieben Prozent im Jahr 2012 zurückgegangen ist. Stiesdal verwies auch auf diese Entwicklung und ergänzte: „Der Profit sollte im zweistelligen Bereich liegen.“

Nordex: Viele kleine Fortentwicklungen für großen Wind

Nordex wiederum hat die Generation Delta genannte neue Anlagenserie eröffnet: vier Jahr nach der Präsentation der ersten Typen des heutigen Anlagensortiments wollen die Nordostdeutschen pünktlich ab Januar 2014 mit einer Drei-MW-Klasse am Installationsgeschäft teilnehmen. Es handele sich um ein „neues Design“, stellte Technikchef Jörg Scholle vor. Die mit verlängertem Triebstrang und stärker ausgelegte Antriebskonstruktion wird 15 Tonnen mehr wiegen, um die höheren Lasten im Vergleich zur bisherigen 2,5-MW-Nordexklasse zu verarbeiten. Nordex-CEO Jürgen Zeschky gab in Wien die Marschrichtung vor: Zum vierten Mal hintereinander sei der Jahresauftragseingang bei Nordex gewachsen, 2012 um 14,6 Prozent. Dies sei vor allem den Märkten Großbritannien, Irland, Norwegen und Türkei sowie Südafrika zu verdanken. Die neue Anlagenklasse ziele insbesondere auf Länder mit kaltem Klima und starken Winden. Laut Technikchef Scholle sollen die nun angekündigten N117-3,0 MW sowie N100-3.300 deutlich mehr Volllaststunden erzielen, als die jetzigen N117-2,4 MW und N100-2,5 MW. Die Weiterentwicklung trage eine Menge kleiner technologischer Fortentwicklungen in sich. „Das ist genau das, nach dem die Banken bei ihrer Finanzierungsentscheidung suchen“, sagte Scholle. Die Turbinen, deren Plattform auch für eine weitere Schwachwindanlage mit erneut vergrößertem Rotor Platz bieten dürfte, sollen ab Juni mit acht Prototypen errichtet werden.

GE und Acciona: Neue Rekordleistungsdichten

Neue Anlagen präsentierten auch GE und Acciona. Während GE der 2,5-MW-Anlage wie schon länger vermutet einen 120-Meter-Rotor verpasst, hat Acciona für die Drei-MW-Anlage einen 125-Meter-Rotor vor. Beide Entwicklungen würden die niedrigsten Werte bei der Leistungsdichte eines Rotors in der jeweiligen Windklasse bedeuten: Die neuen Binnenlandanlagen müssen dann weniger Leistung pro überstrichener Rotorfläche einfangen als jede andere marktübliche Anlage. Allerdings wird die schon im Herbst 2012 angekündigte Vestas-Anlage V126-3.0 MW die Acciona-Turbine darin noch leicht überttreffen.

(Tilman Weber)