Der Kite besteht mittlerweile aus acht Schalenteilen, die eine robuste Struktur ergeben.
Nach Jahren der Entwicklung steht die Flugwindkraft kurz vor dem Einsatz in der Praxis.
Fabian Kauschke
Flugwindkraft als Energiequelle wurde am 9. April 2025 erstmals in einem deutschen Koalitionsvertrag erwähnt. CDU/CSU und SPD nennen sie als eine der innovativen Technologien, mit denen alle Potenziale der erneuerbaren Energien genutzt werden sollen. Für den Hersteller von Flugwindkraftanlagen Enerkite ist das ein Meilenstein. Durch die politische Anerkennung sei mit gezielten Förderprogrammen und regulatorischer Unterstützung zu rechnen. Welche Entwicklungsschritte hat die Technologie genommen und wo wird ihr Einsatz in Zukunft interessant sein?
Größte Entwicklungszeit für Start und Landung
Die Flugwindkraft unterscheidet sich von regulären Windenergieanlagen besonders durch die Einsatzhöhe und erntet somit Höhenwind mit erhöhten Windgeschwindigkeiten. Nimmt man den Standort von Enerkite im Nordosten Brandenburgs, so beträgt die jährliche durchschnittliche Windgeschwindigkeit in einer Höhe von 100 Metern laut Global-Windatlas rund 6 Meter pro Sekunde. Bei 200 Metern erreicht der Wind am selben Ort eine Geschwindigkeit von über 8 Meter pro Sekunde. Insbesondere steigt mit der Höhe auch die Windhäufigkeit für die Bereiche, auf die die Nennleistung der Anlage ausgelegt ist. Dieses Prinzip steht für Enerkite seit der Gründung im Jahr 2010 fest. Welche konkreten Eigenschaften die Technologie dafür benötigt, untersucht und testet das Unternehmen seither. Das Herzstück der Anlage, der Drachen, besteht aus zwei Gitterschalen aus Kohlefaser, die zusammengeklebt eine formsteife und robuste Struktur bei geringem Gewicht ergeben. Bestand das System bei ersten Tests noch aus mehr als 160 Teilen, sind es mittlerweile nur noch acht große Schalenteile, die einen Kite ergeben. Wie eine hochratenfähige Serienproduktion der Carbon-Elemente auch für andere Technologien wie beispielsweise Drohnen möglich ist, untersucht der Hersteller in einem Projekt mit Airbus.
8 Meter pro Sekunde beträgt die jährliche durchschnittliche Windgeschwindigkeit in 200 Metern Höhe am Standort von Enerkite in Brandenburg.
Die längste Entwicklungszeit benötigten jedoch der Start und die Landung. Im Gegensatz zur eigentlichen Flugphase, die von Mitarbeitenden vorgeflogen und dann von der Software schnell gelernt wurde, funktionierte dieses Prinzip bei Start und Landung nicht. „Wir mussten uns erst einmal ausdenken, wie es funktionieren könnte, und es dann testen. Geben wir dem System nur Grenzen vor oder steuern wir hart? Und dann sind fünf Jahre der Entwicklung rum“, sagt Florian Breipohl, Geschäftsführer von Enerkite. Die Entwicklungen haben dafür gesorgt, dass der Kite nun für Langzeittests bereit ist. Die aktuelle Entwicklungsstufe mit einer Leistung von 100 Kilowatt soll somit 500.000 bis 600.000 Kilowattstunden im Jahr erreichen. Eine weitere Leistungssteigerung ist in Planung, hängt jedoch davon ab, wie der konkrete Einsatz aussieht.
Integration in den Flugraum
Die Einsatzorte der Flugwindkraft sind vielfältig, aber in der Regel darauf ausgelegt, Abnehmer mit Eigenstrom zu versorgen. Der erste Kunde von Enerkite ist beispielsweise ein Zerspanungsbetrieb in Hessen, der eine konstante Stromversorgung für seinen Schichtbetrieb und Planbarkeit im Strompreis benötigt. Ebenso bietet die Technik Potenziale in der autarken Ladeinfrastruktur. „Den Bereich Mobilität finde ich besonders spannend, weil wir mit unseren Systemen Schnellladeinfrastruktur überall hinbringen können, wo die Netze zu schwach sind, um schneller Infrastruktur zu installieren“, betont Florian Breipohl. Für Orte mit schwacher Infrastruktur, wie zum Beispiel Inseln, kann mithilfe von Flugwindenergie eine dezentrale Versorgung geschaffen werden. Die Zukunftsvision: An internationalen Standorten, an denen die Energieversorgung nur durch eine im Vergleich teure Dieselversorgung bewerkstelligt werden kann, die Flugwindkraft einsetzen, um CO₂ einzusparen, eine bezahlbare Energiequelle bereitstellen und damit auch ein wirtschaftliches Plus für Betreiber und Bewohner erreichen. Der aktuelle Fokus liegt momentan jedoch in der Versorgung von produzierendem Gewerbe und Landwirtschaft.
Wir mussten uns erst ausdenken, wie es funktionieren könnte, und es dann testen. Geben wir dem System nur Grenzen vor oder steuern wir hart?
Mit der Benennung im Koalitionsvertrag soll zu dem aktiven Erreichen dieses Ziels neben der technischen Weiterentwicklung noch ein Schritt genommen werden. Politische Unterstützung erhält Enerkite bislang in der Projektförderung, beispielsweise in der Erprobung eines dezentralen Netzes in der Kombination mit Photovoltaik und Bioenergie. Beachtung auf behördlicher Ebene soll die Flugwindkraft zudem im Flugraum bekommen. Um 500 Meter aufzusteigen, müssen die Anlagen in Luftraumkarten eingetragen und entsprechend gekennzeichnet werden. In Zukunft soll ein Transponder dafür sorgen, dass der Kite wie ein Verkehrsflugzeug kommunizieren kann und sich bei anfliegendem Verkehr absenkt oder landet.
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