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Pläne der künftigen Landesregierungen – ein Kommentar

Kiel und Düsseldorf stellen Hürden für Erneuerbare auf

Jetzt stehen sie, die Koalitionsverträge in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein. Die jungen Gesichter der Führungsspitzen der beiden Bundesländer strahlen zuversichtlich in die Kameras. Neuer Wind soll durch Düsseldorf und Kiel wehen.

Doch wenn man sich die Koalitionsverträge anschaut, kann die Enttäuschung nur riesig sein. Der neue Wind verkommt zum lauen Lüftchen, das den Mief der Vergangenheit durch die beiden Bundesländer trägt. Vor allem in Düsseldorf erinnert das Führungsduo aus der CDU und der FDP an alte Zeiten, als eine ähnliche Konstellation im Berliner Regierungsviertel die Energiewende in Deutschland ordentlich ausgebremst hat. Sollte sich das jetzt im kleineren Maßstab in Nordrhein-Westfalen wiederholen? Denn der Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP enthält einigen Sprengstoff, der die Branchen der erneuerbaren Energien zumindest in Teilen schwer erschüttern könnte.

Neue Regeln für Windkraft geplant

So plant das Regierungsbündnis die schärfsten Regeln für die Windkraft. Zumindest lässt sich FDP-Chef Christian Lindner von der Welt mit Blick auf die Windkraft mit den Worten zitieren: „Wir werden in Nordrhein-Westfalen die restriktivste Regelung haben“. Soll soll sich im Umkreis von 1.500 Metern um die Ortschaften kein neues Windrad mehr drehen dürfen. Immerhin will sich die Koalitionsregierung hier die geschlossene Wohnbebauung als Kriterium beschränken und nicht nicht jede einzeln stehende Hütte auf dem platten Lande einbeziehen. Dennoch will die FDP mit Schützenhilfe der CDU damit die Flächenkulisse für die Windkraft um 80 Prozent reduzieren. Zum Trost für die Branche wolle man das Baurecht dahingehend verändern, dass die Errichtung von Windparks im Vergleich zu einzeln stehenden Windrädern einfacher sein soll.

Ob das dann allerdings die schärfsten Vorgaben für die Windenergie sind, wie es Lindner anstrebt, darüber kann man trefflich diskutieren. Denn in Horst Seehofers Bayern gilt die 10-H-Regelung. Das heißt dass der Abstand der Windkraftanlagen zur nächstliegenden Bebauung das Zehnfache ihrer Höhe betragen muss – gemessen vom Boden bis zur obersten Rotorblattspitze. Wenn man sich die durchschnittliche Nabenhöhe der Windkraftanlagen, die in Nordrhein-Westfalen gebaut werden, anschaut, kommt man auf 122 Meter. Dazu muss man noch den Radius des Rotors addieren. Diese Höhe gibt zumindest die Agentur für Erneuerbare Energien für das Jahr 2015 an. In Bayern liegt die durchschnittliche Nabenhöhe der neu errichteten Windkraftanlagen bei 141 Metern. Inklusive Rotorblätter kommt das Windrad dann locker über 150 Meter, was im Freistaat die Vorgabe für einen Abstand von anderthalb Kilometern zur nächsten bewohnten Berghütte wäre. Aber immerhin ist dies auf einen maximalen Abstand von zwei Kilometern begrenzt.

EnEV-Aussetzung geht nur über den Bundesrat

Ob diese Regelung tatsächlich durchgesetzt wird, bleibt abzuwarten. Immerhin hat die konservativ-liberale Koalition nur ein hauchdünne Mehrheit von einer Stimme im Landtag und die anderen Parteien werden es Armin Laschet (CDU) und Christian Lindner (FDP) nicht leicht machen. Zumal es vor allem ein Zweckbündnis ist, nachdem die SPD der großen Koalition mit der CDU eine klare Absage erteilt hat. Zudem wird man sehen, wie lange es Lindner in Düsseldorf aushält, will er doch lieber ins große Berlin und große Politik machen.

Noch schwieriger wird es für für das Gespann Laschet/Lindner, den zweiten Plan in die Realität umzusetzen. Denn das können sie nicht einfach mal so unter sich ausmachen. Da müssen noch andere Bundesländer mitspielen. Die neue Koalition in Düsseldorf will die Aussetzung der Energieeinsparverordnung (EnEV). Das geht allerdings nur über eine Bundesratsinitiative, wo dieser Plan bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen scheitern würde. Das Zünglein an der Waage sind dann die großen Koalitionen in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Der Grund für den Vorstoße: Es sei zu teuer, die Vorgaben umzusetzen und es werde deshalb nicht so viel gebaut, wie es möglich sei, wenn man einfach billige Gasheizkessel einbauen dürfe und nicht so viel dämmen müsse. Ein Blick in die konkreten Zahlen zeigt aber, dass dies an der Realität komplett vorbei geht. Denn schon lange wurde nicht mehr so viel neu gebaut in Deutschland wie in den vergangenen zwei Jahren – trotz der EnEV-Vorgaben. Oder gerade wegen der EnEV-Vorgaben? Denn endlich muss sich auch eine Bauwirtschaft Gedanken um die Energiebilanz ihrer Gebäude machen. Ungedämmte Wände über die die Wärme entweicht, die in ineffizienten Heizkesseln erzeugt wird, was vielleicht vor 40 Jahren mal eine Option, als der Klimawandel noch als Spinnerei einiger Umweltschützer abgetan werden konnte.

Alten Heizungstechnologien verhageln die Klimabilanz

Inzwischen ist der Klimawandel aber Realität, auch wenn das einige Spinner immer noch nicht wahrhaben wollen, weil sie Angst vor dem Blick über den Tellerrand haben. Jedes Jahr bangt die Bundesregierung darum, dass der Winter nicht zu kalt und vor allem nicht zu lang wird. Denn die Heizsaison verhagelt ihr in jedem Jahr die CO2-Bilanz. Was auf dem Stromsektor rausgeholt wird, schleudern die uralten Heizkessel, die immer noch in Deutschlands Kellern vor sich hinbollern, als Treibhausgasen in die Atmosphäre. Das soll jetzt nach dem Willen der Laschet-Lindner-Allianz auch für Neubauten gelten. Das Ergebnis wäre eine noch höhere Treibhausgasemission in der Heizsaison und eine noch unbeweglichere Bauwirtschaft, die ihre Uraltlösungen weiter verbauen könnte, ohne sich Gedanken darum zu machen, wie es in Zukunft weniger verschwenderisch geht.

Zudem könnte sie dann gleich doppelt verdienen. Der erste Mal, wenn der Haus gebaut wird und das zweite Mal, wenn die eingebauten Systeme zu teuer im Betrieb werden oder wenn die Vorgaben auch für Bestandsgebäude endlich steigen.

57 Milliarden Euro jährlich für die Fossilen

Ein Argument der neuen Koalition in Düsseldorf für die Aussetzung der EnEV sind angeblich steigende Wohnkosten und die vermeintlich sinkende Wirtschaftlichkeit der Gebäude aufgrund der hohen Effizienzvorgaben. Das sei unter anderem sozial unverträglich. Wann immer die FDP ihr Herz für sozial Themen entdeckt, sollte man jedoch hellhörig werden, ist das doch absolut nicht ihr Metier. Schon einst, als die Energiewende im Stromsektor durch die einstige konservativ-liberale Koalition in Berlin ausgebremst wurde, hieß es, der Ökostrom sei zu teuer und würde Haushalte mit niedrigen Einkommen in eine „Energiearmut“ treiben. Glatt gelogen. Die Tatsache ist, dass der Ökostrom immer preiswerter wird und die fossilen Kraftwerke nur noch mit üppigen Subventionen in Höhe von über 57 Milliarden Euro pro Jahr – wie es das Umweltbundesamt ausgerechnet hat – über die Runden kommen. Das Geld fällt natürlich nicht vom Himmel, sondern wird aus dem Steuertopf geschöpft. Die Beseitigung der hinterlassenen Schäden sind da noch gar nicht eingerechnet.

Energieeffiziente Gebäude sind längst wirtschaftlich

Genauso wenig zieht das soziale Argument, wenn es um die energetischen Vorgaben für Gebäude geht. Selbst die energetische Sanierung ist wirtschaftlich vertretbar, auch für den Gebäudeeigentümer. Das hat eine Studie ergeben, die der Hamburger Senat im vergangenen Jahr anfertigen ließ. Diese hat ergeben, dass es keinen signifikanten statistischen Zusammenhang zwischen Baukosten und energetischen Kenngrößen gibt. Die Mittelwerte der Baukosten der verschiedenen Effizienzhausstandards unterscheiden sich kaum. Die Autoren haben festgestellt, dass dieser Mittelwert mit steigendem Energiestandard des Gebäudes sogar sinkt. Allerdings ist die Streuung der Baukosten innerhalb jeder Effizienzhausgruppe sehr groß, beim gesetzlichen Standard sogar am größten. Je höher die Gebäudeeffizienz wird, desto geringer ist die Streuung der erfassten Werte für die Baukosten.

Das zeigt, dass auch die von Laschet und Lindner behauptete Unwirtschaftlichkeit von energieeffizienten und energiesparenden Gebäuden eine Mär ist, der sie aufsitzen und auf deren Basis sie ihre Energiepolitik ausrichten. Schade eigentlich, dass hier aus den Fehlern der Vergangenheit nicht gelernt wurde, wenn man der neuen Koalition keine unlauteren Absichten unterstellen möchte.

Kiel will Abstandsregeln verschärfen

Das Lächeln der neuen Koalitionsspitzen in Kiel ist dann doch etwas breiter als das ihrer beiden Düsseldorfer Kollegen. Immerhin konnten hier die Grünen, ohne die es weder CDU noch FDP an die Spitze schaffen würden, das Schlimmste noch verhindern, auch wenn die Windkraft im Norden einige Blessuren abbekommt. Denn auch in Schleswig-Holstein soll der Mindestabstand von neuen Windrädern erhöht werden. So soll künftig der Abstand zu einzeln stehenden Häusern die dreifache Anlagenhöhe betragen. Der Abstand zu Ortschaften soll sich auf die fünffache Anlagenhöhe erhöhen. Immerhin haben die Grünen als Kompromiss zu den verschärften Abstandsregelungen durchgesetzt, dass mehr Repowering bestehender Windkraftanlagen möglich ist. So solle geprüft werden, ob die Erneuerung alter Windkraftanlagen möglich ist, auch wenn sie außerhalb der künftig für den Ausbau der Windkraft vorgesehenen Gebiete liegen.

Insgesamt entsprechen die Pläne der neuen Regierungskoalitionen in Düsseldorf und Kiel den Erwartungen. Bloß nichts Neues, lieber zurück zum Alten, scheint die Devise zu sein. Da nützen auch die vielen jungen Gesichter nichts. Die Politik in Düsseldorf und Kiel bleibt altbacken und völlig mutlos. Im Norden und vor allem Westen der Republik wird haarscharf aber konsequent an der Realität vorbei regiert, dass der Klimawandel existiert, aber auch die Energiewende nicht mehr aufzuhalten ist. Die hat längst ihren Point Of No Return erreicht und kämpft vor allem jetzt nur noch gegen die riesigen Subventionen für die fossilen Energieträger an. (Sven Ullrich)

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