Die Regeln für die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung sind im Energiewirtschaftsgesetz beschrieben – ist das in der Praxis überhaupt umsetzbar?
Elisa Förster: Prinzipiell schon. Es gibt die Anforderung einer viertelstündlichen Messung, und an manchen Stellen ist die Messtechnik noch ein Hindernis. Denn diese muss vorhanden sein, um die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung realisieren zu können. Aber grundsätzlich ist das Modell umsetzbar. Bisher sind leider die praktischen Erfahrungswerte noch begrenzt. Aber in verschiedenen Städten realisieren Dienstleister und Anbieter schon aktiv solche Projekte.
Abgesehen vom Smart Meter – was benötigt man noch für die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung?
Technisch nicht viel: einen Gebäudestromnutzungsvertrag zwischen den Betreibern der PV-Anlage und den Verbrauchenden. Hier ist die Begrifflichkeit wichtig. Denn es ist nur ein Nutzungsvertrag und kein Stromliefervertrag. Damit fallen einige Pflichten für den Betreiber weg, die andernfalls für einen Stromlieferanten anfallen würden. Zusätzlich benötigt jede Wohneinheit noch einen normalen Stromliefervertrag für den Reststrom. Die Herausforderung steckt in der sogenannten Marktkommunikation zwischen Netzbetreiber, Messstellenbetreiber und Energieversorgungsunternehmen. Denn das Gesetz gibt bisher nur vor, dass dem Netzbetreiber mitgeteilt werden muss, wie der Solarstrom im Gebäude aufgeteilt wird. Den Reststromlieferanten und den Verantwortlichen für die Abrechnung des Gebäudestroms müssen die jeweiligen Strommengen mitgeteilt werden. Dazu sind definierte Schnittstellen notwendig. Da fehlen noch bundesweit einheitliche Standards. Bis dahin ist vieles Handarbeit.
Welche Eigentümerstrukturen für die Solaranlage sind für die GGV notwendig? Muss eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) dazu eine eigene Firma gründen?
Eine WEG kann den Abschluss von Gebäudestromnutzungsverträgen auch durch eine Beschlussfassung ersetzen und muss dafür keine Firma gründen.
Wie wird der erzeugte Strom innerhalb des Hauses verteilt?
Dies geschieht über einen vorher festgelegten Aufteilungsschlüssel. Hier gibt es zwei Möglichkeiten der Aufteilung: statisch oder dynamisch. Statisch heißt, dass ein fester Anteil auf die einzelnen Wohneinheiten umgelegt wird. Diese Aufteilung kann frei gewählt werden. Oft wird sie nach Wohnfläche oder nach Anteilen an der Investition in die PV-Anlage definiert. Die dynamische Aufteilung orientiert sich am tatsächlichen Verbrauch zum jeweiligen Viertelstundenzeitraum.
Welche Vor- und Nachteile haben diese Aufteilungen?
Die statische Aufteilung ist vielleicht etwas einfacher umzusetzen. Allerdings kann immer nur der Anteil an Solarstrom einer Wohneinheit angerechnet werden, wie er ihr laut Verteilungsschlüssel zusteht, auch wenn physisch mehr Solarstrom verbraucht wird. Dieser Mehrverbrauch über den vereinbarten Anteil hinaus wird in der Abrechnung als Einspeisung gewertet. Physik und Abrechnung laufen hier getrennt. Die dynamische Aufteilung ist etwas komplexer in der Berechnung. Dafür kann der Eigenverbrauchsanteil höher liegen. In beiden Fällen kann man aber nur Solarstrom anrechnen, den man gleichzeitig mit der PV-Produktion verbraucht. Denn die Abrechnung erfolgt viertelstündlich.
Und wenn jemand seinen Anteil in einer Viertelstunde nicht verbraucht?
Dann fließt der ungenutzte Strom ins Netz.
Wie wirken sich Speichersysteme aus?
Grundsätzlich kann auch gespeicherter Solarstrom viertelstündlich erfasst und wie Erzeugungsstrom behandelt werden. Denn dieser wird dann bilanziert wie Solarstrom, der in der Viertelstunde produziert wird, in der er ausgespeichert wird. Wichtig ist ein Energiemanagementsystem, das das Be- und Entladen eines Speichers steuert.
Wie wird der Strombedarf für das Hauslicht oder den Fahrstuhl in die Abrechnung integriert?
Das kommt auf die Betriebsverhältnisse an. Wenn die Anlage von Vermietenden betrieben wird, kann dieser Strom als Eigenverbrauch genutzt werden und wird als Sachleistung über die Betriebskosten abgerechnet. Bei einer WEG wird das Hausgeld durch die geringeren Netzbezugskosten einfach verringert, und falls eine Dritte Partei die Anlage betreibt, müsste für den Hausstrom ebenso ein Gebäudestromnutzungsvertrag abgeschlossen werden, der dann über die Betriebskosten abgerechnet wird.
Wie werden die einzelnen Strommengen gemessen – benötigt jede Wohnung einen Smart Meter?
Ja, denn ohne viertelstündliche Messung funktioniert das Modell nicht. Bei der GGV ist der Vorteil, dass ein virtuelles Summenzählermodell die Werte rechnerisch zusammenfassen kann. Es ist also die Installation eines teuren und riesigen physischen Summenzählers nicht notwendig. Dadurch kann einfach bilanziert werden, welche Strommengen aus dem Gebäude ins Netz fließen und umgekehrt. Über die einzelnen Smart Meter werden die jeweiligen Strommengen für jede Nutzungseinheit gemessen. Zusätzlich misst der Ertragszähler die Erzeugung von Solarstrom. Auf diese Weise kann ganz genau abgerechnet werden, welche Nutzungseinheit wie viel Strom verbraucht hat und welcher Anteil davon Solarstrom und welcher Netzstrom war.
Das Interview führte Sven Ullrich.
Im zweiten Teil des Interviews, der demnächst hier erscheint, erklären Elisa Förster und ihre Kollegin Jessica Grunert, wie sich die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung rechnet, was dafür alles notwendig ist und wie sie sich steuerrechtlich auswirkt.
Das SolarZentrum hat einen Flyer zum Thema gemeinschaftliche Gebäudeversorgung erstellt, der zum Download auf der Webseite der Beratungsstelle zur Verfügung steht. Das SolarZentrum ist eine produkt- und herstellerneutrale Informations- und Beratungsstelle rund um das Thema Solarenergie – gefördert durch die Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe und umgesetzt durch den Landesverband Berlin-Brandenburg der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie.