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Ein Kommentar zum Konzept für Zivile Verteidigung

Stromsystem bleibt Teil der kritischen Infrastruktur

Sicherlich nicht ganz freiwillig haben Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und sein Chef-Zivilverteidiger Christoph Unger die Nachfrage nach Solarstromspeicher angekurbelt. Zumindest füllen sich beim bayerischen Speicheranbieter Fenecon in Deggendorf die Auftragsbücher, seit der Bundesinnenminister die neue Konzeption für die Zivile Verteidigung debattiert, beschlossen und vorgestellt hat. Auf die Diskussion darüber, dass vielleicht das Stromnetz zusammenbrechen könnte, führt Fenecon die neue Auftragswelle zurück. Und tatsächlich: Neben Dieselgeneratoren im Garten empfiehlt das Bundesinnenministerium den Deutschen, sich eventuell einen Speicher in den Keller – oder wo auch immer hin – zu stellen, damit man im Falle das Stromnetz bricht zusammen, auch weiter nicht nur abends bei Licht lesen kann, sondern auch eine Heizmöglichkeit besteht.

Katastrophen verursachen flächendeckende Stromausfälle

Nun, das mag gar nicht so verwerflich und vielleicht sogar eine gute Idee sein – abgesehen von der Tatsache, dass die zivile Verteidigung inzwischen stärker auf militärische Belange denn auf den Katastrophenschutz umgemüntzt wurde. Passt auch besser zur Terrorpolitik des Bundesinnenministers, der die vielen Naturkatastrophen, die die Bundesrepublik gerade in diesem Jahr heimgesucht haben, offensichtlich für einmalige Ausreißer hält. Nun, das werden wir noch sehen. Mit der Empfehlung, sich einen Speicher anzuschaffen, schlägt die Bundesregierung in Gestalt des Innenministers gleich zwei Fliegen mit einer Klappe: Auf der einen Seite verringert man den Stromverbrauch, falls das Netz tatsächlich mal ausfallen sollte. Das passiert in Deutschland glücklicherweise extrem selten. Nur die Dänen sind da noch verwöhnter. Aber wer einmal den Technothriller „Blackout“ von Marc Elsberg gelesen hat, könnte schon eine Vorstellung davon bekommen, was alles an diesem Netz dran hängt. Da schafft man sich doch lieber mal einen Speicher an.

Auf der anderen Seite treibt man damit den Speichermarkt. Was sich bisher noch wirtschaftlich rechnen musste, wird so zur Grundausstattung eines jeden Haushalts, der sich der Gefahr bewusst ist, in der man sich heutzutage befindet. Dass wir seit Jahren in einem immer sichereren Land leben, ist da eine andere Debatte. Aber damit fällt das Argument aus, dass der Speicher seine Kosten wieder einspielen muss. Man kennt ja die Entwicklung: Mit steigendem Absatz wird die Lernkurve immer steiler, die Preise für Speicher sinken schneller und die Energiewende kommt schneller voran.

Konventionelle offenbaren ihre Schwächen

Doch hoppla, so einfach ist das nicht. Die Energiewende hat de Maizières Kollege Sigmar Gabriel gerade mit allen ihm gebotenen Mitteln ausgebremst. Sie soll ja gar nicht voran kommen. Denn dann hätte man auch nicht die riesigen Probleme, die eine zentrale Versorgung mit konventionellen Kraftwerke verursachen. Die sind schon im täglichen Normalbetrieb sperrig genug, doch wenn das Stromnetz zusammenbrechen sollte – aus welchen Gründen auch immer, und wir sprechen hier nicht über einen minutenlangen Ausfall eines Verteilnetzbereichs – offenbaren sie ihre gesamte Schwäche. Denn abgesehen von der Tatsache, dass sie sich die Kohle- und die restlichen Atomkraftwerke, die noch am Netz sind, nur extrem langsam herunterfahren lassen, mit den entsprechenden Risiken, sind sie alle überhaupt nicht schwarzstartfähig. Abgesehen, dass diesen Vorteil jede Windkraft- und Photovoltaikanlage von Hause aus mitbringt, schaffen das bisher nur wenige konventionelle Kraftwerke in Deutschland, denen in der Regel extra Gasturbinen zur Seite gestellt wurden, um diese auch wieder anfahren zu können.

Polizisten neben jedem Strommast

Weitere schwarzstartfähige Anlagen sind die Pumpspeicherkraftwerke, die aber aufgrund des Versagens der Bundesregierung immer noch nicht wirtschaftlich sind. Denn sie werden immer noch doppelt mit Netzgebühren belastet. Da bleibt nur noch die Wasserkraft. Doch statt endlich Nägel mit Köpfen zu machen und die Energiewende hin zur zentralen Stromversorgung mit allen Kräften voranzutreiben, hat die Bundesregierung nur eine Antwort auf den Schutz der kritischen Infrastruktur, zu der auch das Stromnetz gehört. Das Konzept sieht tatsächlich vor, dies mit Polizei und Militär abzusichern. Wie das gehen soll, ist bisher noch nicht ausgetestet. Aber neben jeden Trafo und Strommast einen Polizisten zu stellen, würde die Möglichkeiten von Polizei und Bundeswehr sprengen. Zumal das im Falle einer Katastrophe – bisher weltweit die Hauptursache von flächendeckenden Zusammenbrüchen der Stromversorgung – komplett unsinnig ist.

Dezentrales Netz ist viel sicherer

Als Notfallplan für die Bürger hat die Bundesregierung immerhin schon mal die Vorratshaltung von warmen Decken und Kleidung, Kerzen und Taschenlampen, geladenen Akkus und Ladegeräten – diese immerhin schon solar betrieben – vorgesehen. Das könnte sie aber alles perspektivisch ad acta legen, wenn sie doch endlich das gesamte Konzept bis zum Ende durchdenken würde. Denn mit der dezentralen Energiewende ist ein flächendeckender Zusammenbruch des Stromnetzes gar nicht möglich. Die gesamten und völlig unzureichenden Schutzmaßnahmen werden überflüssig.

Denn es gibt schon die Konzepte einer Stromversorgung der Zukunft. Der Berliner Entwickler von neuen Energiemanagementlösungen hat ein Konzept geschaffen, dass auf einem selbständig agierenden Cluster basiert, das aber wiederum nicht autark ist, sondern in direkter Verbindung mit benachbarten Clustern steht. Dadurch entsteht ein so kleinteiliges aber ebenso leistungsfähiges Stromnetz, das auf der einen Seite einen flächendeckenden Zusammenbruch verhindert, weil jedes Cluster sofort auf den Netzausfall im benachbarten Cluster reagiert. Auf der anderen Seite kann jedes Cluster dem Nachbarn wieder auf die Beine helfen. Denn jedes Cluster seinerseits beruht auf der Stromerzeugung in Ökostromanlagen, die wiederum auch selbst hochfahren können, ohne dass Fremdenergie notwendig wäre. Sind dezentral noch Speicher – gleichgültig ob große zentrale Systeme oder kleine Heimspeicher – installiert, wird das dezentrale Stromnetz noch weniger anfällig.

Stromversorgung gehört zur Daseinsvorsorge

Um solche Konzepte umzusetzen braucht es noch nicht mal viel Mut, sondern nur eine Konsequenz bei der Umsetzung der Energiewende und den Willen zur Veränderung, die die Bundesregierung vermissen lässt. Statt dessen setzt sie auf alte und in der letzten Konsequenz völlig wirkungslose Konzepte, wenn es darum geht, im Falle des Falles die Stromversorgung aufrecht zu erhalten. Schließlich ist das ein Teil der Daseinsvorsorge, für den die Bundesregierung die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz hat. Wer EEG und Energiewirtschaftsgesetz allein beschließen will,ohne dass die Bundesländer da großartig etwas mitzubestimmen hätten, muss aber auf der anderen Seite auch dafür sorgen, dass das Stromnetz sicher ist. Mit der jetzt beschlossenen Konzeption zur Zivilverteidigung schrammt die Bundesregierung an der Erfüllung dieser Aufgabe aber weit vorbei. Denn ohne dezentrale Energiewende bleibt das Stromnetz ein Teil der kritischen Infrastruktur. (Sven Ullrich)