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Kommunen wandeln Altlasten zu Solarflächen um 

Die Konkurrenz um die Flächen tobt heftig. Auf der einen Seite fordert die Solarbranche schon länger, die Flächenkulisse für den Bau von Solarparks auszuweiten. Auf der anderen Seite will die Politik mit Blick auf die Wählerschaft nicht, dass landwirtschaftliche Flächen verloren gehen oder der Naturraum optisch durch Solarfelder gestört werden könnte. Die Photovoltaik soll sich auf Dächer, Randstreifen von Straßen und Schienen oder auf Konversionsflächen beschränken.
Gleichzeitig soll der Solarstrom aber möglichst billig sein. Die Kosten sollen mittels Ausschreibungen gedrückt werden. Dass diese Rechnung an einem bestimmten Punkt nicht mehr aufgeht, zeigte sich in den vergangenen Monaten, als immer weniger Projekte an den Ausschreibungen teilnahmen. Dabei ist gerade die Konversionsfläche für alle ein Gewinn, wenn die entsprechenden Kosten eingepreist werden können.

Müllberg hat Geld verschlungen

Schließlich bekommt die Solarbranche Flächen, die frei von Konflikten mit den Anwohnern bebaut werden können. „Die Kommunen wiederum freuen sich, dass der Müll wegkommt, die Fläche wieder nutzbar wird, Arbeitsplätze entstehen und auch Gewerbesteuereinnahmen in die Kassen fließen“, sagt Christian Fries, Senior Director Technical Sales bei Belectric. Das Solarunternehmen aus dem fränkischen Kolitzheim hat schon viele Erfahrungen mit dem Bau von Solarparks auf solchen Konversionsflächen gesammelt. Eines der größten Projekte dieser Art hat Belectric im Jahr 2012 in Groß Dölln, einem Ortsteil von Templin in Nordbrandenburg, umgesetzt. Auf einem ehemaligen Militärflugplatz der sowjetischen Armee – einem der größten seiner Art in Europa – hat das Unternehmen Solarmodule mit einer Gesamtleistung von 128 Megawatt aufgeständert. Doch vorher waren umfangreiche Aufräumarbeiten notwendig. So lag auf dem Flugplatz ein riesiger Müllberg, den eine zu diesem Zeitpunkt schon insolvente Recyclingfirma auf dem Gelände nach dem Abzug der Soldaten abgeladen hatte. Ein Brand des Abfallbergs hat die Gemeinde monatelang mit Löscharbeiten beschäftigt und mehrere Millionen Euro gekostet.

Flächen sondieren

Doch der Abfallberg war nicht die einzige Altlast auf dem Gelände. Belectric beauftragte die Entfernung von insgesamt 1,3 Tonnen an Kampfmitteln durch einen Kampfmittelräumdienst. Teilweise war die Altmunition versteckt in den Wäldern rund um die Start- und Landepisten oder in den Kellern der Gebäudereste. „Denn in Templin mussten wir nicht nur die Kampfmittel räumen, sondern eine kleine Stadt mit vielen militärischen Einrichtungen zurückbauen“, erinnert sich Fries, der im Jahr 2012 für die Projektrealisierung verantwortlich war. Dies ist aber nicht auf Konversionsflächen beschränkt. „In vielen Bundesländern ist es Pflicht, vor Baubeginn eine Sondierung durchzuführen und Kampfmittel zu räumen“, sagt der Experte von Belectric. „Ein typisches Beispiel ist Brandenburg, wo die Behörden vor einem Bau jeglicher Art die Auflage erteilen, eine Kampfmittelsondierung durchzuführen. Dazu müssen wir eine entsprechende Fachfirma engagieren, die die Sondierung und Räumung der Fläche übernimmt. Erst dann erhält der Projektierer eine Baufreigabe.“

Luftbilder analysieren

So hat Belectric auch im brandenburgischen Seelow eine Anlage gebaut. Hier tobte im April 1945 die Eröffnungsschlacht um Berlin. „Da lagen Unmengen an Kampfmitteln im Boden“, sagt Fries. „Aber auch bei einem Projekt bei Schweinfurt in Unterfranken mussten wir die Fläche vorher auf Kampfmittel untersuchen, weil dort aufgrund einer Luftbildanalyse Blindgänger vermutet wurden. Wir haben aber auch schon in Frankreich auf Bauflächen Granaten gefunden, und eine Fläche, die wir gerade in England bebauen, musste ebenfalls von Kampfmitteln befreit werden.“ Für solche Flächenvorbereitungen haben Projektierer wie Belectric längst Pläne in der Schublade. „Wir legen ein Raster über die Gesamtfläche und teilen sie in Quadranten ein. Dann untersuchen wir das gesamte Areal Quadrant für Quadrant. Wird etwas gefunden, müssen wir es räumen oder im Falle von Kampfmitteln Spezialisten hinzuziehen, die die Funde dann entweder entfernen oder vor Ort sprengen.“ Bei kleineren Flächen beginnt der Bau erst dann, wenn diese als kampfmittelfrei bescheinigt wurden.

Kosten einpreisen

Bei einer Fläche von der Größe wie in Templin beginnt Belectric mit dem Bau der Anlage, sobald die ersten Quadranten untersucht wurden und somit parallel zur Sondierung der weiteren Quadranten. Nur wenn etwas gefunden wird, was gesprengt werden muss, unterbricht das Solarunternehmen den Bau und installiert erst weiter, wenn Entwarnung gegeben wurde. Das passiert auch, wenn während des Baus weitere Kampfmittel gefunden werden – auch auf Flächen, die vorher nicht als belastet galten. „Unsere Mitarbeiter sind entsprechend geschult und wissen, wie sie in einem solchen Fall vorgehen müssen. Der Bauleiter alarmiert die Polizei. Innerhalb von ein bis zwei Tagen ist dann der Kampfmittelräumdienst vor Ort. Wie lange die Räumung dauert, hängt davon ab, ob die Spezialisten gleich die passende Lösung zum Entschärfen parat haben oder eventuell sprengen müssen“, beschreibt Fries das Vorgehen.

Bis heute Kerosin abpumpen

Die Kosten für die Untersuchung bleiben beim Projektierer hängen. Auch wenn die eigentliche Kampfmittelräumung Aufgabe der jeweiligen Landesbehörden ist und von diesen bezahlt wird, treibt ein solcher notwendiger Aufwand die Kosten in die Höhe. Das muss eingepreist werden. „Dabei sind Kampfmittel noch übersichtlich und gut kalkulierbar. Schwieriger wird es zum Beispiel, den Aufwand einzukalkulieren, wenn Gebäude abgerissen werden müssen, in denen sich eventuell Fledermäuse angesiedelt haben, oder wenn andere Altlasten gefunden werden“, sagt Fries. So hat Belectric auf der Fläche in Templin jede Menge Kerosin im Boden gefunden. Es ist einfach aus Lecks in den verschiedenen Tanks in den Grund gesickert, die früher auf dem Flugplatz standen. „Das Flugbenzin schwimmt auf der Grundwasserblase und wird derzeit über 50 Brunnen abgepumpt. Dazu fördern die Pumpen das Kerosin-Wasser-Gemisch nach oben. Über Separatoren wird es getrennt. Das Wasser fließt wieder nach unten und das übrig bleibende Kerosin wird von Tanklastern abgeholt und entsorgt“, erklärt Fries. Solche Zusatzkosten führen bei den derzeitigen Strompreisen dazu, dass der Bau von Solaranlagen auf Konversionsflächen für die Projektierer kaum noch interessant ist. „Viele lassen derzeit die Finger von Konversionsflächen“, weiß Fries.

„Im vergangenen Jahr gab es ein kurzes Zeitfenster, als aufgrund des Ukrainekrieges die Strompreise und damit auch die PPA-Preise gestiegen sind. Da hätte man auch eine Anlage auf einer Konversionsfläche realisieren können. Aber jetzt hat sich der Markt wieder abgekühlt, die PPA-Preise sind gefallen und der Spielraum für solche Projekte ist wieder weg.“ Für die Gemeinden und Kommunen ist die Nutzung von Konversionsflächen eine probate Lösung, um Altlasten loszuwerden, die sie ansonsten entsorgen müssten. Entsprechend froh sind sie, wenn sich Projektierer solcher Flächen annehmen. Das führt oft zu schnelleren Genehmigungen. Doch dazu kommen die Auflagen der Umweltbehörden, die in der Regel eine Hierarchiestufe höher angesiedelt sind. Hier steht vor allem die Biodiversität im Vordergrund. So wurde in Templin etwa gefordert, 3.600 Nistkästen anzubringen. Belectric muss diese in regelmäßigen Abständen kontrollieren und gestohlene Nistkästen ersetzen. „Es ist erstaunlich, wie viele der Nistkästen immer wieder geklaut werden“, wundert sich Fries. „Aber solche Maßnahmen zur Biodiversität setzen wir ohnehin um. Wir säen artenreiche Wildblumenmischungen aus, sorgen für dichte Hecken und Baumreihen oder bringen Amphibien- oder Fledermaushotels an. Um beispielsweise Zauneidechsen oder Blindschleichen Unterschlupf zu bieten, legen wir zusätzlich Totholz- und Lesesteinhaufen an. Wir bewirtschaften und pflegen die Flächen immer so, dass sich die Natur erholen kann“, sagt Christian Fries.