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Photovoltaik

Neue Trassen für veraltetes Netz

Während der Pfingstfeiertage lachte über Deutschland die Sonne. Mehr als eine Million Solarkraftwerke auf Dächern und zu ebener Erde leisteten zusammen rund 22 Gigawatt. Das entspricht 15 großen Kraftwerksblöcken in den Atommeilern. Mit dieser Leistung deckte die Photovoltaik rund ein Fünftel des deutschen Strombedarfs. Ganz ohne Netzausbau. Denn die meisten Solaranlagen speisen mit Niederspannung ein, also in die Verteilnetze. Nur einige große Solarparks sind direkt an die Mittelspannungsebene angeschlossen.

Ausbaupläne nur für Offshore-Windkraft

Nun haben die vier großen Netzbetreiber Deutschlands – 50Hertz, Tennet, Amprion und TransnetBW – ihren Plan zum Netzausbau vorgelegt. Darin kommen regionale Energieerzeuger wie Solargeneratoren oder Biogaskraftwerke nicht vor. Die großen Vier wollen bis 2022 rund 3.800 Kilometer neue Hochspannungstrassen von den Küsten nach Süden führen, wo sich die industriellen Ballungszentren liegen. 4.400 Kilometer sollen ausgebaut werden. Kernstück sind vier neue Stromautobahnen vom Norden Deutschlands nach Bayern und Baden-Württemberg. Die Zeche von rund 20 Milliarden Euro sollen die Stromkunden zahlen, von denen immer mehr ihren Strom aus der unmittelbaren Nachbarschaft beziehen. Unlängst hatte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) angekündigt, den Freistaat künftig durch erneuerbare Energien und neue Gaskraftwerke von Energieimporten unabhängig zu machen.

Die Zeche zahlt der Stromverbraucher

Die genaue Trassenführung wurde von den Übertragungsnetzbetreibern bislang nicht vorgeschlagen. Klar ist: Der Ausbauplan zielt einzig und allein darauf, den Strom von den geplanten Offshore-Windparks zu potenziellen Verbrauchern zu bringen. „Erst optimieren, dann ausbauen“, fordert hingegen Bernhard Beck, Geschäftsführer von Belectric im bayerischen Kolitzheim. Belectric ist einer der großen Solarkraftwerksbauer in Europa Technisch gesehen können große Solarparks – wie konventionelle Großkraftwerke auch - rund um die Uhr Blindleistung bereitstellen, um die Spannung im Netz zu stabilisieren. Fortschritte in der Wechselrichtertechnik erlauben diese Funktion, mit der Netzreserven freigemacht werden, beispielsweise für Windstrom. „Eine massive Kostenentlastung der Verbraucher, im privaten als auch im industriellen Bereich, ist mit dem Einsatz dieser Technik schon heute möglich“, sagt Bernhard Beck.

Blindleistung spart neue Trassen

Allerdings gibt es bislang keine ausreichenden Anreize, um die Kosten für den Netzausbau mit Hilfe der neuen Wechselrichter zu senken. Im Gegenteil: In der jüngsten Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) wurde die Einspeisevergütung für große Solarkraftwerke auf freien Flächen unverhältnismäßig stark abgesenkt, die Anlagengröße auf zehn Megawatt begrenzt und die Flächennutzung auf verbraucherferne Konversionsflächen eingeschränkt. „Das laufende Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat bietet eine sehr gute Gelegenheit, die netzstabilisierenden Potenziale von Solarkraftwerken in die Diskussion aufzunehmen, um gleichzeitig vermeidbare Kosten beim Netzausbau einzusparen“, kommentiert Martin Zembsch, neben Beck der zweite Geschäftsführer von Belectric. (Heiko Schwarzburger)

Lesen Sie dazu auch den Beitrag „Nachtschicht am Netz“, erschienen in ERNEUERBARE ENERGIEN, Heft 6/2012.