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Atomkraft versus Windenergie

Wer darf im Netzausbaugebiet einspeisen?

Worum geht es? Das Stromnetz in Deutschland muss wegen der Überkapazitäten bei der Kraftwerksleistung immer wieder reguliert werden. Das kostet Ausfallentschädigungen und Ersatzhonorare, die letztlich der Stromkunde zu zahlen hat. Um die Kosten zu drücken, wurde in Norddeutschland das so genannte Netzausbaugebiet festgelegt. Dort sind laut Verordnung der Bundesnetzagentur jährlich nur 58 Prozent des durchschnittlichen Zubaus der Jahre 2013 bis 2015 zulässig, 902 Megawatt.

„Derzeit ist es so, dass trotz Einspeisevorrang die erneuerbaren Energien abgeregelt werden“, sagte Jochen Stay, Geschäftsführer der Protestorganisation Ausgestrahlt beim BWE-Branchentag Niedersachsen/Bremen. Atomkraftwerke wie Brokdorf und Lingen/Emsland ließen sich kaum regeln und verstopften mit ihrer Produktion gerade im Netzausgebiet die Leitungen. Gleichzeitig seien beide Meiler auch ein Hindernis, wenn es um die Abführung des Offshore-Windstromes aus der Nordsee gehe.

Atomkraftwerke vom Netz

Ausgestrahlt setzt sich daher dafür ein, Brokdorf und Lingen schneller abzuschalten. Doch derzeit sieht es nicht danach aus. Und das liegt an einer doppelten Rechtslage zum Atomausstieg. Die rot-grüne Bundesregierung hatte beim ersten Atomaussteig 2001 mit den Kraftwerksbetreibern Reststrommengen vereinbart. Bekanntlich nahm die schwarz-gelbe Folgeregierung diesen Beschluss zurück, um nach der Reaktorexplosion in Fukushima wieder umzuschwenken. Allerdings wurden jetzt konkrete Daten für die Abschaltung der einzelnen Meiler festgelegt. Dabei ergab sich, dass Atomkraftwerke vom Netz gehen mussten, bevor sie die unter rot-grün erlaubte Reststrommenge produziert hatten. Nun dürfen die Betreiber diese Mengen auf die noch im Betrieb befindlichen übertragen, wenn diese ihre Reststrommenge bereits erfüllt, ihr 2011 festgelegtes Abschaltdatum aber noch nicht erreicht haben. Für Lingen und Brokdorf bedeutet dies laut ausgestrahlt, dass beide Meiler rund 1,5 Jahre länger laufen dürfen als 2001 bestimmt - ohne Rücksicht auf die Netzsituation oder die Gefahren, die von diesen Kraftwerken ausgeht.

Zuständig für diese Regelung ist der Bund. Doch auf Länderseite kommt Bewegung in die Sache. Die Jamaika-Koalition in Kiel hat in den Koalitionsvertrag geschrieben: „Längere Laufzeiten des Kernkraftwerkes Brokdorf durch Übertragung von Strommengen zu Lasten der Energiewende lehnen wir ab.“  Wie sich eine neue Regierung in Niedersachsen positioniert, bleibt Spekulation, doch dass der bisherige grüne Umweltminister Stefan Wenzel ebenfalls ein erklärter Gegner von Reststrommengenübertragung ist, stellte er auf dem Branchentag klar: „Wir können fossile Einspeisung reduzieren, wenn wir den Einspeisevorrang durchsetzen, für mehr Netztransparenz sorgen, einen Anreiz für den netzdienlichen Betrieb von Kohle- und Atomkraftwerken schaffen und den Erneuerbaren mehr Systemdienstleistung ermöglichen.“

Jetzt liegt der Ball in Berlin, wo derzeit ebenfalls eine Jamaika-Koalition sondiert wird. Zumindest die Grünen haben im Wahlprogramm, dass sie die Übertragung von Reststrommengen im Netzausbaugebiet verhindern wollen. (Katharina Wolf)