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Debatte um die Energieeinsparverordnung

Klimaneutrales Bauen ist kein Kostentreiber

Immer wieder werden die hohen Anforderungen an die Energieeffizienz dafür verantwortlich gemacht, dass der Wohnungsneubau in Deutschland immer teurer wird. Eine aktuelle Studie des Instituts für technische Gebäudeausrüstung (ItG) mit Sitz in Dresden im Auftrag des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE) verbannt diese Behauptung jetzt ins Reich der Mythen. Denn das Ergebnis der Studie belegt eindeutig, dass die höheren Effizienzanforderungen an Neubauten einschließlich der Anhebung der Vorgaben durch die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2016, nur für etwa drei Prozent der Gestehungskosten eines Mehrfamilienhauses verantwortlich sind. „Bauen ist teurer geworden, aber die Anteile, die die Energieeffizienz und der Einsatz der erneuerbaren Energien an dieser Preissteigerung haben, ist sehr gering“, fasst Bert Oschatz, Professor am ItG und Mitautor der Studie, die Ergebnisse zusammen.

Hohe energetische Standards können sogar billiger sein

Die höheren energetischen Ziele sind nicht zwangsläufig mit höheren Kosten verbunden. Im Gegenteil: „Höhere energetische Standards können sogar günstiger erreicht werden, wenn man Heizungstechnik und Gebäudegestaltung intelligent kombiniert und Fördermittel in Anspruch nimmt“, betont Peter Röttgen, Geschäftsführer des BEE. „Es gibt sehr unterschiedliche Angaben über die Mehrkosten für die Erfüllung der EnEV 2016“, ergänzt Bert Oschatz. „Wenn man sich auf die seriösen Quellen bezieht, stellt man fest, dass auch über das EnEV-Anforderungsniveau hinausgehende Bauen mit geringen oder zum Teil sogar ohne spürbare Mehrkosten realisiert werden kann.“

Höhere Energiestandards amortisieren sich

Wie hoch die Mehrkosten ausfallen oder ob es sogar preiswerter wird, einen höheren energetischen Standard zu erfüllen, liegt vor allem an den Kenntnissen, die die Planer und Architekten mitbringen. Denn es gibt längst Lösungen, mit denen auch die hohen energetischen Standards erfüllt werden können, ohne dass diese Bauteile oder Anlagen teurer wären als konventionelle Bauteile. „Zum Teil werden für hocheffiziente Gebäude sogar geringere Kosten realisiert, als bei Einhaltung der EnEV-Mindestanforderungen“, hat Bert Oschatz herausgefunden. Deshalb schlägt er vor, die Planer und Architekten entsprechend zu qualifizieren,statt die Anforderungen herunterzuschrauben. „Außerdem muss sich gegebenenfalls der Bauherr einen geeigneten Planer suchen, der die bestehende Aufgabe auch mit einem vernünftigen Aufwand lösen kann und nicht umgekehrt die Anforderungen an die mangelnde Qualifikation anzupassen“, betont der Dresdner Fachmann vom ItG.

Bert Oschatz weißt darauf hin, dass es insgesamt mindestens 42 Faktoren gibt, die das Bauen in Deutschland derzeit teurer machen. „Einer davon ist natürlich die Anhebung der energetischen Anforderungen, die sich durchaus kostensteigernd auswirken können“, betont der Experte. Doch es ist eben auch nur ein Faktor, der sich im Vergleich zu anderen Faktoren nur gering auswirkt. „Zudem ist die Energieeffizienz das einzige von diesen kostensteigernden Themen, bei dem man reale Kosteneinsparungen über die Lebensdauer des Gebäudes hat“, betont Oschatz. „Genau an der Stelle den Rotstift anzusetzen, an der der Bauherr über die eingesparten Kosten etwas zurückbekommt, ist aus meiner Sicht völlig absurd“, sagt er mit Blick auf die Pläne einer potenziellen Großen Koalition, die energetischen Anforderungen an das Bauen mit dem Verweis auf steigende Mieten einzufrieren.

Mieten hängen nicht am Baupreis

Was die Mieten tatsächlich in die Höhe treibt, sind auch nicht die Baukosten. „Diese sind nicht relevant dafür, was die Wohnungen nach Fertigstellung des Baus kosten“, betont Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. „Miet- und Kaufpreise sind Marktpreise und haben mit den Kosten für den Bau nichts zu tun.“ Allerdings betont er auch, dass überschaubare Kosten eine Voraussetzung sind, dass überhaupt gebaut wird und sich auf diese Weise der Markt entspannt. Denn nur das führt zu niedrigeren Mietpreisen.

Was die Baukosten aber tatsächlich in die Höhe treibt, sind nicht die energetischen Anforderungen, die die EnEV anlegt. Es ist vielmehr „in vielen Regionen und Städten der Mangel an geeigneten Flächen und fehlendes Baurecht für vorhandene Grundstücke“, zitiert Oschatz ein Gutachten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) aus dem vergangenen Jahr. Die Bundesbehörde betont dabei, dass es nicht genügend geeignete Flächen gibt, sondern die Preise für solche Flächen auch exorbitant hoch sind und immer weiter steigen. „Der weitaus überwiegende Anteil des Preisanstiegs beim Bauen von 36 Prozent bis 2014, nämlich etwa 27 Prozent, wird durch die allgemeine Preissteigerung verursacht“, weiß Bert Oschatz

Neue Gebäude müssen zum Standard im Jahr 2050 passen

Außerdem sollten diese seltenen Flächen, wenn sie der Natur weggenommen werden, auch mit Gebäuden bebaut werden, die möglichst wenig oder gar kein Kohlendioxid ausstoßen, fordert Danny Püschel, Koordinator des Bündnisses Gebäude-Allianz und beim Naturschutzbund (NABU) verantwortlich für die Themen Gebäude- und Energieeffizienz. „Wir bauen jetzt Gebäude, die 30 bis 50 Jahre stehen, bevor die Hülle oder die Anlagentechnik wieder angefasst wird“, erklärt er. „Deshalb wäre es absurd, jetzt Gebäude zu errichten, die zum klimaneutralen Bestand im Jahr 2050 passen sollen, die aber die Anforderungen eine klimaneutralen Gebäudebestands gar nicht erfüllen. Deshalb müssen die Standard sogar angehoben werden“, fordert Püschel. Dass dies bezahlbar funktioniert, hat die Studie des ItG bewiesen. (Sven Ullrich)