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Neue Studie: Städte können eigenes Gas mit Ökostrom produzieren

Auf der einen Seite steht die Gaskrise und die Pläne für den Ausbau von erneuerbaren Energien. Auf der anderen Seite stehen Abfälle aus der Industrie und aus Käranlagen. Wie beides zusammen zur Gasproduktion in Städten zusammengeführt werden kann, haben sich Wissenschaftler des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) untersucht. Konkret geht es darum, wie in Städten überschüssiger Ökostrom für die Produktion von Gasen aus solchen Abfällen produziert werden können. Zwar könnten Städte so nur einen kleinen Teil ihres Gasbedarfes selbst decken. Doch hätte die urbane Gasproduktion deutliche ökologische sowie wirtschaftliche Vorteile und könnte Gasimporte ergänzen, betonen die Wissenschaftler.

Gas als saisonaler Ökostromspeicher

Am Beispiel Berlins haben sie gezeigt, wie so etwas funktionieren kann. Das Ergebnis:: Eine Gasproduktion in Städten mit erneuerbarem Strom würde sich für die Umwelt lohnen – weil Abfallprodukte verwendet werden können, weil die Transportwege sowie Verluste gering sind und weil die entstehende Abwärme besonders gut genutzt werden kann. Der Vorteil dieses Weges ist, dass Gas besser als Strom gespeichert werden kann. Deshalb kann der Ansatz die saisonale Speicherung von Ökostrom ermöglichen und so die städtische Energiewende voranbringen. Dies sei wiederum nötig, um sogenannte Dunkelflauten, in denen weder Solar- noch Windstrom erzeugt wird, sowie die schwankende Nachfrage auszugleichen.

Wettbewerbsfähige Lösungen sind vorhanden

Die Studie zeigt, dass sich für die urbane Wasserstoffherstellung bereits wettbewerbsfähige Lösungen abzeichnen. Um Methan vor Ort zu produzieren, brauche es allerdings noch weitere Forschung und Entwicklung, betonen die Wissenschaftler. So sei besonders preiswert und klimafreundlich die Schmutzwasser-Plasmalyse in Kläranlagen möglich. Hier geht es darum, mit erneuerbarem Strom Wasserstoff aus Ammoniumverbindung herzustellen, die als natürlicher Bestandteil in organischen Abfällen vorkommen und die im Klärwerk anfallen. „Das Verfahren ist eine tolle Chance, um die klimaschädlichen Lachgasemissionen von Kläranlagen zu senken und gleichzeitig günstigen Wasserstoff zu produzieren“, erklärt Elisa Dunkelberg, Energieexpertin am IÖW. „Die Potenziale sind zwar beschränkt, aber Kläranlagen gibt es in jeder Stadt“, sagt sie.

Plasmalyse ist effizienter als Elektrolyse

Aber auch aus Abwässern aus verschiedenen Industrieunternehmen kann mit dem Verfahren Wasserstoff aus den Ammoniumverbindungen abgespaltet werden. Die Forscher nennen hier unter anderem Abfallprodukte aus dem Papierrecycling, aus der Rauchgasreinigung und aus Biogasanlagen. Wenn all diese Potenziale genutzt würden, könne allein die Schmutzwasser-Plasmalyse schätzungsweise bis zu fünf Prozent des erwarteten Wasserstoffbedarfs in Berlin decken, haben die Forscher ausgerechnet. „Die Plasmalyse ist außerdem effizienter und benötigt weniger Strom als eine Elektrolyse, bei der Wasser zu Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird. Die Kosten sind daher um etwa die Hälfte geringer und können auch mit importiertem Wasserstoff konkurrieren“, beschreibt Janis Bergmann, Energieökonom am IÖW, den Vorteil.

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Elektrolyse ebenfalls betrachtet

Doch auch mit den Elektrolyseverfahren haben sich die Wissenschaftler beschäftigt. Denn dieses schneidet aus ökologischer Sicht immer noch besser ab als Erdgas, vor allem, wenn man die entstehende Abwärme nutzt und etwa in das städtische Fernwärmenetz einspeist. Die Herstellungskosten im urbanen Raum liegen jedoch in der Regel höher als an windreichen Orten etwa an der Nord- und Ostsee. Um die klimapolitischen Ziele zu erreichen, sei aber voraussichtlich auch die Herstellung von Wasserstoff an weniger ertragreichen Orten notwendig. „Städte sollten ihre lokalen Potenziale sowohl für die Schmutzwasser-Plasmalyse als auch für die Elektrolyse erschließen“, empfiehlt Elisa Dunkelberg.

Klimaneutrales Methan in vorhandener Infrastruktur nutzen

Zudem könne Wasserstoff schon jetzt ins Gasnetz eingespeist werden. Derzeit ist dies zwar nur zu einem Anteil von zehn Prozent als Beimischung zum Erdgas möglich. Perspektivisch gehen die Forscher aber davon aus, dass die Infrastruktur auch einen Wasserstoffanteil von 20 Prozent verträgt. Höhere Wasserstoffanteile oder sogar reiner Wasserstoff könnte in Zukunft aber auch in speziellen Leitungen zu dafür geeigneten Kraftwerken fließen, um dort wieder rückverstromt zu werden. Auch die Umwandlung in Methan mit CO2 aus der Luft oder aus Biogasabfällen, das dort als Abfallprodukt anfällt, ist durchaus eine denkbare Alternative. Auch die Zementfabriken und Müllverbrennungsanlagen können als CO2-Lieferanten dienen.

Methan kann klimaneutral werden

Die Methanisierung verbraucht zwar ebenfalls wieder Energie. Doch da der überschüssige Ökostrom andernfalls ohnehin verloren ginge, ist das auch vertretbar. „Natürlich wird der Kohlenstoff dann beim Verbrennen des Methans wieder freigesetzt – es handelt sich also nicht um eine Kohlenstoffsenke. Aber unsere Berechnungen zeigen, dass klimaneutrales Methan erzeugt werden kann, sofern erneuerbarer Strom für die Produktion genutzt wird“, erklärt Elisa Dunkelberg.

Die gesamten Forschungsergebnisse – sowohl in Form einer ökologischen Bewertung als auch in Form einer ökonomischen Analyse – finden Sie auf der Webseite des IÖW. (su)