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Wärme hochgepumpt

Sven Ullrich

Für hohe Temperaturen bei üppiger Wärmeleistung musste bisher irgendetwas verbrannt werden – im besten Falle Biomasse. Denn weder die Solarthermie noch die gewöhnlichen Wärmepumpen schaffen es, hohe Prozesstemperaturen oder Industriedampf zu liefern. Dies auch mit einer Wärmepumpe zu schaffen, ist das Ziel der Entwickler des Instituts für CO2-arme Industrieprozesse im brandenburgischen Cottbus und im sächsischen Zittau.

Das Institut, das zum Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gehört, arbeitet an einer Hochtemperaturwärmepumpe namens Cobra. Nach zwei Jahren Entwicklungsarbeit ist die erste Versuchsanlage in Betrieb gegangen. „Wir können bisher weltweit einmalige Werte beim Temperaturhub und der Wärmeabgabetemperatur von 300 Grad Celsius bei einer Wärmeleistung von etwa 200 Kilowatt erzielen“, beschreibt Institutsleiter Uwe Riedel die Ergebnisse der Entwicklungsarbeit.

Die Anlage basiert auf dem Prinzip des linksläufigen Brayton-Kreislaufprozesses. Dabei wird der Anlage zunächst Umweltenergie in Form eines getrockneten Gases zugeführt – in der Anlage in Cottbus wird Luft genutzt. Je wärmer es ist, desto besser. Dieses Gas wird in einem Verdichter komprimiert. Mit steigendem Druck erhöht sich auch die Temperatur. Die auf diese Weise in Wärme verwandelte kinetische Energie des Verdichters wird abgeführt. Das ist die nutzbare Prozesswärme. In dieser erste Prozessstufe schafft es die Anlage auf etwa 250 Grad Celsius bei einer Temperatur der Wärmequelle von 15 Grad Celsius.

Kreislauf bei 300 Grad Celsius

Das immer noch warme Gas strömt dann durch einen Rekuperator zu einer Turbine, wo es sich entspannt. Die Turbine in der Versuchsanlage in Cottbus ist über ein Getriebe mit einem Stromgenerator verbunden. Über einen Gleichstromzwischenkreis wird der Strom an den Verdichter geliefert. Dadurch können die Drehzahlen von Turbine und Verdichter unabhängig voneinander eingestellt werden.

Durch die Arbeit an der Turbine verringert sich der Druck und damit auch die Temperatur des Gases. Über einen weiteren Wärmeübertrager wird diese wieder dem Prozess zugeführt. Es wird mit der Wärmeenergie aus dem Rekuperator vorgeheizt, bevor das Gas wieder in den Verdichter strömt und der Kreislauf von vorn beginnt. Mit der Rekuperation schafft die Anlage auch die hohe Temperatur von über 350 Grad Celsius, wobei die nutzbare Prozesstemperatur dann bei 300 Grad Celsius liegt.

Um den Kreisprozess am Laufen zu halten, ist ein Energieeintrag in Form von Strom notwendig. Damit die Wärmepumpe einen Beitrag zur Dekarbonisierung leistet, muss Ökostrom in den Verdichter fließen – zusätzlich zur Energie aus der Turbine. In Kombination mit Schichtspeichern können die Anlagen kontinuierlich hohe Prozesstemperaturen bereitstellen und gleichzeitig als flexible Last dienen.

410 Grad Celsius sind das Ziel, das die Entwickler des DLR mit ihrer Hochtemperaturwärmepumpe im Blick haben.

Lösung für Industrieprozesse?

Doch damit sind noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Die Entwickler wollen noch höhere Temperaturen erreichen. „Diese Temperaturen sind erforderlich für einen CO2-armen Umbau der entsprechenden Industrieprozesse“, betont Institutsleiter Uwe Riedel. Dazu laufen schon die ersten Simulationen mit dem Edelgas Argon als Arbeitsfluid. Dieses zeigt in den ersten Versuchen zwar, dass die Leistung und die Wärmeströme der Anlage sinken. Allerdings lassen sich damit Temperaturen von über 410 Grad Celsius in der Prozesswärmeauskopplung erreichen.

Darüber hinaus wollen die Entwickler noch die Frage klären, wie der Prototyp skaliert werden muss, damit er sich für möglichst viele Industriezweige eignet. Im Blick haben sie dabei die chemische und die Lebensmittelindustrie und die Papierherstellung.

Das Kreislaufprinzip ist auch für die Bereitstellung von Prozesskälte geeignet. Diese wird zwischen Turbine und Rückführung des Arbeitsgases in den Verdichter abgezapft. Die Anlage in Cottbus erreicht mit Luft als Arbeitsmedium immerhin Temperaturen von bis zu minus 50 Grad Celsius. Die Entwickler haben hier die Vorkühlung von Ver­flüssigern im Blick, die gasförmigen Stickstoff mit riesigem Energieaufwand in den flüssigen Zustand bringen.

Mit Wärme kühlen

Das Prinzip der Hochtemperaturwärmepumpe wendet Vattenfall schon praktisch in einem Projekt im Zentrum Berlins an. Am Potsdamer Platz betreibt der Energieversorger ein Fernkältenetz. Zur Kühlung wird in einer Kältezentrale Wasser auf eine Temperatur von sechs Grad Celsius heruntergekühlt. Dieses fließt durch das Kältenetz, entzieht den angeschlossenen Gebäuden die Wärme und kommt in der Kältezentrale mit einer Temperatur von zwölf Grad Celsius wieder an.

Um die Wärmeenergie zu nutzen, die in diesem Wasser steckt, hat Vattenfall zusammen mit Siemens Energy eine Hochtemperaturwärmepumpe installiert. Diese hebt unter Einsatz von Ökostrom die Temperatur der Restwärme aus der Kältezentrale auf bis zu 120 Grad Celsius an – das ist der Temperaturbereich, in dem Fernwärmenetze betrieben werden. Durch die Nutzung der Abwärme verringert sich der Temperaturhub und damit auch der Energieeinsatz.

3,2 Millionen Kubikmeter Erdgas ersetzen

Die so gewonnene Wärme fließt direkt in das Wärmenetz der Hauptstadt, das von Vattenfall betrieben wird. Dabei kann die Wärmepumpe die Wärmeenergie flexibel im Bereich zwischen 85 und 120 Grad Celsius mit einer Wärmeleistung von bis zu acht Megawatt bereitstellen – je nach Anforderungen im Wärmenetz. Um die hohe Temperatur zu erreichen, nutzt Siemens Energy in der Wärmepumpe ein neuartiges, umweltfreundliches Kältemittel. Denn in der Regel ist es das Kältemittel, das den Temperaturhub der herkömmlichen Wärmepumpen begrenzt.

Die Anlage liefert pro Jahr etwa 55 Gigawattstunden Wärme. Sie versorgt im Sommer 30.000 Haushalte mit Warmwasser und im Winter 3.000 Haushalte mit Wärme. Insgesamt spart die Anlage im Wärmesystem im Jahr rund 6.500 Tonnen CO2. Das entspricht 3,2 Millionen Kubikmeter Erdgas.

Für Christian Bruch von Siemens Energy ist das Pilotprojekt ein wichtiger Meilenstein. „Leistungsstarke Hochtemperaturwärmepumpen werden eine wichtige Rolle in der Energiewende und der Dekarbonisierung der Stadtwärme spielen“, betont er. Mit solchen Anwendungen wie in Cottbus oder Berlin werden die Hochtemperaturwärmepumpen zu intelligenten und flexiblen Abnehmern von Ökostrom und Stützen eines zukünftigen Energiesystems, das auf Solar- und Windstrom basiert.

Power-to-Heat: Der Verdichter der Wärmepumpe in Cottbus läuft mit überschüssigem Ökostrom.

Foto: DLR

Power-to-Heat: Der Verdichter der Wärmepumpe in Cottbus läuft mit überschüssigem Ökostrom.

Leistungsstarke Hochtemperaturwärmepumpen werden eine wichtige Rolle in der Energiewende und der Dekarbonisierung der Stadtwärme spielen.

Christian Bruch, CEO, Siemens Energy

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