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Grüner Wasserstoff

5 Tipps für eine erfolgreiche Wasserstoffwirtschaft ohne Kohle

Oliver Ristau

Ohne Wasserstoff keine Energiewende: Das leichteste Gas unserer Erde spielt in der Sektorenkopplung eine zen­trale Rolle. In 11 der 20 vom Bundeswirtschaftsministerium zum Thema ausgewählten Reallaboren ist es vertreten. So wie beim Norddeutschen Reallabor, wo Arge Netz, Vattenfall und die VW-Tochter MAN Energy Solutions Wasserstoff und Methan aus Windstrom herstellen wollen.

Marc Grünewald, bei MAN verantwortlich für das Projekt, freut sich über die Zusage, sagt aber auch: „Die reine Förderung der Investitionen, wie sie derzeit für die Reallabore vorgesehen ist, ist nicht hinreichend.“

Eines der zentralen Hemmnisse für die Wirtschaftlichkeit: „Es wird immer billiger sein, kostenfrei CO2 zu emittieren, als in eine Technologie zur CO2-Vermeidung zu investieren“, so Grünewald. „Wir können über die Kosten von Power-to-X erst seriös sprechen, wenn klimaschädliche Emissionen auch tatsächlich in die Kostenrechnung einbezogen werden.“ Das ist nicht der einzige Punkt, der einem kommerziellen Betrieb entgegensteht (siehe Kasten Seite 33).

Neben der Wirtschaftlichkeit von Wasserstoff muss vor allem die Nachhaltigkeit stimmen, wenn das Gas den Klimaschutz voranbringen soll.„Wir müssen achtgeben, nicht die Fehler bei der Einführung von Biokraftstoffen zu wiederholen“, warnt Peter Kasten aus der Ressourcen- und Mobilitätsabteilung des Öko-Instituts. Damals sollte nach Wunsch der EU vor allem Biodiesel aus europäischem Raps in den Tank. Wegen fehlender Nachhaltigkeitsregelungen machte aber vor allem billigerer Biodiesel aus Palmöl das Rennen.

„Wasserstoff, Methan und synthetische Kraftstoffe, die aus Strom hergestellt werden, sind per se nicht klimafreundlicher als fossile Energien“, sagt Kasten. „Erst wenn sie mit zusätzlichem erneuerbarem Strom und CO2 aus der Luft oder der Biomassenutzung erzeugt werden, gibt es eine positive Wirkung auf den Klimaschutz.“

Deutscher Strommix: Miese Klimabilanz

Eine neue Studie des Instituts zeigt, dass Wasserstoff, der via Elektrolyse mit dem durchschnittlichen Strommix 2018 in Deutschland hergestellt wurde, rechnerisch eine um den Faktor drei schlechtere CO2-Bilanz aufwies als Wasserstoff aus klassischer Erdgas-Reformierung. Grund ist der hohe Kohle­anteil im Strommix. Auch in zehn Jahren werde Elektrolyse-Wasserstoff aus Netzstrom den Umweltvergleich gegen das fossile Gaspendant noch verlieren. Selbst beim heute optimistischsten Szenario läge die CO2-Intensität bezogen auf den Heizwert dann immer noch um zehn Prozent je Kilowattstunde über fossil gewonnenem Wasserstoff.

„Erst ab 2035 wird die Dekarbonisierung des deutschen Strommixes so weit fortgeschritten sein, dass Wasserstoff aus Netzstrom eine positive Klima­bilanz aufweist“, rechnet Kasten vor. Bei synthetischem Diesel könnte das ab 2040 der Fall sein.

Um früher einen positiven Effekt auf die Treibhausgasbilanz zu erzielen, benötigten neue Elektro­lyse-Kapazitäten eigene regenerative Energiekapazitäten, die zusätzlich zum geplanten Ausbau der regenerativen Kraftwerke in Deutschland entstehen. „Dann ist Elektrolyse-Wasserstoff sofort klimafreundlich“, so Kasten.

Nicht auf Überschussstrom setzen

Auf Überschussstrom aus bestehenden und künftigen Anlagen zu bauen, wäre nach Meinung der Denkfabrik Agora Energiewende nur bedingt sinnvoll. Denn eine industrielle Power-to-X-Anlage benötige Energie für 3.000 bis 4.000 Betriebs­stunden im Jahr. Selbst an den Standorten in Norddeutschland mit den meisten Abregelungen stünde Energie nur für weniger als 2.000 Stunden zur Verfügung.

Für eine positive CO2-Bilanz ist außerdem wichtig, woher das CO2 für die Herstellung synthetischer Kohlenwasserstoffe wie Diesel oder Methan stammt. Käme dafür der Kohlenstoff aus einer benachbarten Biogasanlage zum Einsatz oder aus der Luft, wäre das positiv für die Klimabilanz. Industrie­abgase seien dagegen nur bedingt geeignet. Denn das eigentliche Ziel der Industrie müsse es sein, CO2 zu vermeiden, nicht es als Rohstoff zu verwenden. „Dem Klimaschutz bringt es mehr, das CO2 aus der Luft zu gewinnen“, so Kasten. Da das bisher nicht sonderlich wirtschaftlich ist, müsste der Einsatz von Industrie-CO2 als Rohstoff für synthetische Kraftstoffe an die Bedingung geknüpft sein, CO2-Emissionen der Industrie konsequent zu senken. 

Hürden abbauen –

Abgaben reduzieren

Wirtschaftlich durchsetzen kann sich Wasserstoff, wenn das passiert:

1. Umlagen: Noch ist der Strom, mit dem Wasserstoff hergestellt wird, mit Abgaben wie der EEG-Umlage belastet. Bei der Rückverstromung des Wasserstoffs fallen diese Kosten erneut an. Um Wasserstoff als Stromspeicher zu nutzen, müssen Abgaben reduziert werden. Bei der Abschaffung etwa der EEG-Umlage mahnen Kritiker aber zu Augenmaß, um die Industrie nicht aus dem umlagefinanzierten Ausbau erneuer­barer Energien zu entlassen.

2. Markteinführung: Damit sich Wasserstoff durchsetzen kann, braucht es Instrumente – entweder wie beim EEG eine feste Vergütung oder eine Quote. Dazu zählt ein weiterer wirtschaftlich attraktiver Ausbau erneuerbarer Energien ohne bestehende Deckel.

3. Quote: Agora Energiewende fordert eine Wasserstoffquote im Wärmesektor. So soll die Gaswirtschaft verpflichtet werden, künftig einen von Jahr zu Jahr steigenden Anteil Wasserstoff einzusetzen.

4. Gleiche Verhältnisse: Im Verkehr ist Wasser­stoff noch weniger privilegiert als andere Kraftstoffe. So darf das Gas bei der neuen Biokraftstoffquote ab 2021 zwar angerechnet werden, nicht aber mehrfach wie die batterieelektrische Mobilität. Brennstoffzellen-Lkw sollten ebenso von der Maut befreit werden wie Fahrzeuge mit Elektro- oder Gasantrieb.

5. Der CO2-Faktor muss in allen Sektoren in die Berechnung der Preise einfließen. Das ist anders als beim Strom – und damit beim Elektrolyse-Wasserstoff – in der Wärme und im Verkehr nicht der Fall.

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