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Kommentar zu Windkraftboom Frankreich

Zeit für deutsch-französische Windallianz

Es war die dichte Abfolge zweier Erfolgsmeldungen deutscher Unternehmen, die in den vergangenen Tagen die kommende Wichtigkeit Frankreichs für die Windkraftbranche illustrierte: So gab Turbinenbauer Senvion am 8. September bekannt, mit der Installation der hauseigenen Anlagen im Nachbarland nun die Zwei-Gigawatt-Marke überschritten zu haben. Davor hatte der gemessen an Umsatz und jährlich installierter Leistung drittgrößte Turbinenlieferant im deutschen Markt einen Windpark mit 26 Anlagen in Südfrankreich errichtet. Der Windpark Sambres in der südfranzösischen Region Occitanie ist ein Projekt des britischen Projektierers RES mit 26 Windturbinen vom Typ MM82 – eine zwei Megawatt (MW) leistende ältere Anlage im Portfolio Senvions für Starkwindstandorte. Dass solche Anlagen in Frankreich noch zum Zuge kommen – angesichts im internationalen Installationsgeschäft dominierender fünf Jahre jüngerer  Windturbinentypen – ist den langen bisher landestypischen Planungszeiten für Windparks geschuldet.

Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber
Kommentar Tilman Weber | Kommentar: Tilman Weber

Am 14. September meldete dann der Husumer Projektierer WKN den Verkauf des Projekts Sommette-Eaucourt mit neun Nordex-Anlagen vom Binnenlandtyp N117 mit je 2,4 MW an den britischen Infrastrukturinvestor John Laing Group. Der Windpark in der Region Hauts-de-France soll Ende 2017 ans  Netz gehen. Offenbar ist er für den gemessen am Aktienwert gut eine Milliarde Euro schweren Finanzunternehmen ein ausreichend sicheres und renditestarkes Vorhaben, um damit seinen begonnenen Einstieg in die Windkraft fortzusetzen.

Warum auch nicht: Die in Paris im Frühjahr mit einem Erlass der Umweltministerin Ségolène Royal fixierten nationalen Ausbaupläne für erneuerbare Energien und insbesondere Windkraft können sich sehen lassen: Die an Land installierte Windleistung soll bis 2023 mehr als verdoppelt werden. 15 Gigawatt (GW) bis 2018 und mindestens über 21, maximal sogar 26 GW bis 2023 sind die Zielmarken. Dies entspräche einem Zubau von jährlich 1,3 bis 1,8 GW.

Das ist außerdem mindestens so viel, wie in Deutschland aufgrund eines in der Novelle EEG 2017 eingeführten Ausbaudeckels wegfallen wird.  

Für Stabilität des französischen Marktes spricht vieles

Auch andere deutsche Windenergieunternehmen wie nicht zuletzt der Deutschlandmarktführer der Turbinenhersteller Enercon profitieren längst vom französischen Markt – das Offshore-Windkraft-Geschäft bislang weitgehend ausgenommen, das Paris bisher durch seine Ausschreibungsregularien französischen Windturbinenherstellern vorbehält. Wobei auch hier mit Windparkprojektierer WPD ein deutsches Unternehmen schon zum Zuge kam. Vielleicht ab dem kommenden Jahr werden vor Frankreichs Küsten die ersten Meereswindparks errichtet.

Für die Stabilität des französischen Windenergie-Booms spricht auch, dass es wie in Deutschland inzwischen stark dominierende Ausbauregionen gibt: Vor Hauts-de-France und Occitanie als zweit- und drittstärkste Windenergieregionen gemessen an der installierten Leistung hat die Region Grand-Est am meisten Windkraftkapazität im Land. Für diese Regionen ist Windenergie ein gewichtiger Wirtschaftsfaktor und hält die Hoffnung auf die Schaffung neuer Arbeitsplätze aufrecht.

Mächtige Akteure könnten zu Gegenspielern werden

Allerdings wird auch in Frankreich mehr noch als in Deutschland die Energie-Politik stark von großen Konzernen beherrscht. Die Europäische Union (EU) will über die Schuldenpolitik in den französischen Haushalt hineinregieren. Und drittens greift die Sicherheitspolitik der EU in Frankreichs Energiewirtschaft ein wie durch die Förderung eines Flüssiggasmarktes gegen den Gaslieferanten und außenpolitischen Gegner Russland. Daher ist das französische Ausbauprojekt in Sachen Windkraft nicht per se von Angriffen mächtiger Akteure gesichert.

Hier sollten die Windkraftunternehmen beider Länder den Schulterschluss suchen – um einen gemeinsamen Markt zu schaffen. Und so im zunehmend komplizierten und internationalisierten Interessengeflecht um die Energiepolitik ein wichtiger Faktor sein. Das 2006 übrigens damals von den Regierungen beider Länder eingerichtete deutsch-französische Büro für die Energiewende deutet ja längst in diese Richtung.

(Tilman Weber)