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Strom zeitversetzt liefern

Sven Ullrich

Schon seit Frühjahr des vergangenen Jahres ist der Solarpark in Großschirma in Betrieb. Die Anlage in dem kleinen Ort in Mittelsachsen, auf halber Strecke zwischen Dresden und Chemnitz, wurde zusätzlich mit einem Batteriespeicher ausgestattet, der Mitte 2022 in Betrieb ging. Dies trieb zwar die Investitionskosten in die Höhe, vor allem bei den noch relativ hohen Speicherpreisen selbst für große Anlagen. Dennoch kann Green Energy 3000 die Anlage wirtschaftlich betreiben.

Grund ist hier weniger die Marktprämie für den Strom. Denn der Projektierer Green Energy 3000 – das Mutterunternehmen des jetzigen Betreibers – hat für das Hybridprojekt aus Photovoltaik und Speicher im April 2021 im Rahmen der zweiten Innovationsausschreibung einen Zuschlag bekommen. Bei dieser Ausschreibung lagen die Gebotswerte zwischen 3,33 und 4,88 Cent pro Kilowattstunde, die die Anlagen für den eingespeisten Solarstrom bekommen. Im Schnitt gingen die Zuschläge für einen Kilowattstundenpreis von 4,29 Cent an die Projektierer. Dabei ist es gleichgültig, ob der Strom direkt aus dem Modulfeld kommt oder im Speicher zwischengelagert wurde.

Der Betreiber kann zusätzlich zur Förderung von der Speichervermarktung profitieren.

Christof Petrick Leiter Portfolio­ management, Energy2Market

Fixe Marktprämie bietet Sicherheit

Der Höchstwert lag bei 7,5 Cent pro Kilowattstunde. Darüber hinaus durften die Projektierer mit ihren Geboten nicht gehen. Doch der Wettbewerb war zu diesem Zeitpunkt noch hoch und die Gebotswerte entsprechend niedrig. Zum Vergleich: Die Marktprämien in der Ausschreibung für Strom aus normalen Freiflächenanlagen ohne Speicher einen Monat zuvor lagen zwischen 4,69 und 5,03 Cent pro Kilowattstunde.

Doch was hat die Marktprämien in den Innovationsausschreibungen trotz Zusatzkosten für die Speicher nach unten getrieben? Hier wirken zwei Mechanismen. Zum einen handelt es sich bei den Zuschlägen in den Innovationsausschreibungen um fixe Marktprämien und nicht wie im Falle der Solarparks ohne Speicher um gleitende Marktprämien. Das bedeutet, die Betreiber der Hybridsysteme haben einen fixen Wert, mit dem sie rechnen können, und nicht einen Höchstwert wie bei der normalen Ausschreibung. Zum anderen dürfen die Betreiber der Photovoltaik-Speicher-Kombinationen den Strom zusätzlich vermarkten.

Zusätzliche Direktvermarktung

Dies geschieht – wie im Falle der Anlage in Großschirma – in der Regel über einen Stromliefervertrag (Power Purchase Agreement – PPA). Es sind aber auch andere Stromvertriebsmodelle wie die Vermarktung an der Strombörse möglich. Zusätzlich zur Stromvermarktung gibt es die Möglichkeit, Systemdienstleistungen wie positive und negative Regelleistung anzubieten, die schließlich mit dem Speicher möglich werden. „Die fixe statt der gleitenden Marktprämie war für die Investoren Anreiz genug, um zusätzlich in einen Batteriespeicher zu investieren, weil es attraktiver war als ohne Speicher bei normaler Freiflächenausschreibung“, sagt Christof Petrick, Leiter des Portfoliomanagements beim Leipziger Direktvermarkter Energy2Market (E2M), der das PPA mit Green Energy 3000 für die Anlage in Großschirma abgeschlossen hat. „Der Betreiber kann zusätzlich zur Förderung von der Speichervermarktung profitieren.“

Denn die Vermarktungserlöse sind hier getrennt von den Fördererlösen. „Der Netzbetreiber schaut nur auf den Zählerstand“, sagt Petrick. „Für die Strommengen, die über Zähler eingespeist wurden, bekommt der Anlagenbetreiber beispielsweise die 4,5 Cent pro Kilowattstunde aus der Ausschreibung für die nächsten 20 Jahre. Dies nimmt schon das Risiko aus dem Projekt.“ Denn diese Anlagen sind nicht selten große Investorenprojekte. „Dann schließt der Anlagenbetreiber einen Vertrag beispielsweise mit uns als Direktvermarkter ab. Er liefert dann Strommengen, die wir vermarkten und natürlich auch vergüten“, erklärt der Portfoliomanager.

Es hängt ein wenig von der Risikobereitschaft des Anlagenbetreibers ab, wie viel Mehrerlös er mit dem Speicher generieren kann. Dabei spielt der Speicher natürlich eine zusätzliche Rolle. Denn E2M vermarktet hier auch die Flexibilität.

Das Risiko entscheidet über Zusatzerlös

Wollen die Anlagenbetreiber auf Nummer sicher gehen, bekommen sie einen Bonus zusätzlich zu den Vermarktungserlösen dafür, dass der Direktvermarkter den Speicher nutzen kann, beispielsweise um so den Bilanzkreis stabiler zu halten und die Mengen an Ausgleichsenergie einzusparen. Dieser Bonus ist abhängig vom Wirkungsgrad, der Kapazität und der Leistung des Speichers, die E2M nutzt, und von der Anzahl der Zyklen, die der Direktvermarkter mit dem Speicher fahren darf. Dies wird vorher vertraglich geregelt.

Andere Vermarktungsmodelle versprechen aber höhere Erlöse. „Es gibt eine große Bandbreite von Strompreisen an den Märkten. Hier können wir einen höheren Erlös erzielen, wenn wir den Strom in den Speicher schieben, wenn der Preis niedrig ist, und erst ins Netz einspeisen, wenn er höher ist“, erklärt Christof Petrick das Prinzip. Den Mehrerlös aus diesem optimierten Fahrplan für die Stromeinspeisung teilen sich dann der Vermarkter und der Anlagenbetreiber zu vorher festgelegten Anteilen.

Regelenergie vermarkten

Der Speicher zusammen mit der Photovoltaikanlage kann aber auch am Regelenergiemarkt platziert werden. Hier ist der Vorteil, dass der Hybrid sowohl positive als auch negative Regelenergie bereitstellen kann. Denn wenn zu viel Strom im Netz ist, kann die Solaranlage einfach am Netzanschlusspunkt abgeregelt werden. Den Strom lagert sie im Speicher zwischen und speist ihn später ins Netz ein. Es ist derzeit die einzige Möglichkeit, den Speicher so auch für positive Regelenergie zu nutzen. Denn die Einspeicherung von Strom aus dem Netz ist für Anlagen nicht erlaubt, die an einer Innovationsausschreibung teilgenommen haben.

Ist zu wenig Strom im Netz, kann die Speicherleistung zusätzlich zur Leistung der Solaranlage aktiviert werden. Die Kapazität des Speichers sollte dafür ausreichen. Denn der Speicher muss mindestens hinsichtlich der Kapazität das Doppelte der Leistung erreichen. Deshalb hat Green Energy 3000 den Speicher in Großschirma mit einer Leistung von 1,7 Megawatt mit Batteriemodulen mit einer Gesamtkapazität von 3,48 Megawattstunden ausgestattet. Außerdem muss der Speicher mindestens ein Viertel der Gesamtleistung des ganzen Hybrids ausmachen. Bei einer Solaranlagenleistung von 5,1 Megawatt war deshalb die Speicherleistung von 1,7 Megawatt notwendig.

3,48 MEGAWATTSTUNDEN Kapazität und eine Leistung von 1,7 Megawatt hat der Speicher in Großschirma.

PPA mit Industriekunden

Beim PPA mit Industriekunden lohnt sich der zusätzliche Speicher derzeit noch nicht. Zwar ist die Idee attraktiv, mit dem Speicher etwa viertelstundenscharf tatsächlich Ökostrom an das Unternehmen zu liefern. „Doch dies ist derzeit nicht notwendig für die Zertifizierung der Grünstromlieferung für Unternehmen. Hier reicht es immer noch aus, dass die monatlich von der Solaranlage eingespeisten und vom Unternehmen verbrauchten Kilowattstunden bilanziell deckungsgleich sind“, erklärt Christof Petrick.

Dies werde sich aber ändern, sagt er. „Denn ab 2030 muss nach derzeitiger Planung der EU etwa für die Produktion von grünem Wasserstoff der Bezugsstrom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen stundenscharf mit dem Verbrauch des Elektrolyseurs zusammenfallen. Dann wird ein PPA mit Speicher auch für solche Direktverbraucher interessant“, weiß Kurt Kretschmer, bei E2M zuständig für Energiepolitik.

Ab 2030 muss für die Produktion von grünem Wasserstoff der Bezugsstrom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen stundenscharf mit dem Verbrauch des Elektrolyseurs zusammenfallen. Dann wird ein PPA mit Speicher auch für solche Direktverbraucher interessant.

Kurt Kretschmer, Leiter Energiepolitik, Energy2Market 18

Regeln geändert

Bis dahin ist die Innovationsausschreibung, gepaart mit einem Direktvermarktungsvertrag, die wirtschaftlichste Alternative, Stromlieferverträge mit Photovoltaik-Speicher-Hybriden abzuschließen. Vorausgesetzt, der Gesetzgeber kehrt zur alten Regelung zurück. „Der Gesetzgeber hat die Speichernutzung unattraktiver gemacht. Jetzt muss die Kapazität eines Speichers immer konstant bleiben. Dies muss auch jedes Mal auditiert werden. Das ist aber kaum möglich. Denn wenn der Speicher genutzt wird, nutzt sich Kapazität über die Zeit ab. Das zwingt die Betreiber immer wieder, Optimierungsentscheidungen zu treffen. Sie reduzieren dann die Nutzung des Speichers, um die Förderung über 20 Jahre hinweg nicht zu gefährden“, erklärt Kurt Kretschmer das Problem.

Bei der Bundesregierung ist dies hoffentlich schon angekommen. Denn bei der letzten Innovationsausschreibung im Dezember 2022 ist bei der Bundesnetzagentur nur ein Gebot eingegangen. Auch die fixe Marktprämie wurde zusätzlich noch durch eine gleitende Marktprämie ersetzt. Beides zusammen war zu unattraktiv für die potenziellen Anlagenbetreiber. Schließlich haben sie dadurch keine grundlegende Sicherheit mehr und müssen dieses Risiko über einen noch höheren Zusatzerlös aus dem PPA erwirtschaften, was derzeit kaum aussichtsreich ist.

Die Speicherkapazität in Großschirma wird ­separat vermarktet.

Foto: Energy2Market

Die Speicherkapazität in Großschirma wird ­separat vermarktet.
In Priesterwitz bei Dresden hat Intilion einen Speicher in einen Solarpark integriert. Auch dieses Projekt wird teilweise über ein PPA refinanziert.

Foto: Leipziger Gruppe

In Priesterwitz bei Dresden hat Intilion einen Speicher in einen Solarpark integriert. Auch dieses Projekt wird teilweise über ein PPA refinanziert.

Hybrid mit PPA gebaut

EIN STROMLIEFER-VERTRAG und eine feste Marktprämie sind die beiden finanziellen Standbeine eines Hybrids aus Photovoltaikanlage und Speicher, den Intilion und Qair in Priesterwitz in Betrieb genommen haben (siehe S. 64). Die Leipziger Stadt- werke vermarkten den Grünstrom an die eigenen Kunden. Der Speicher sorgt für eine höhere Verfügbarkeit der Solaranlage und stabilisiert das Netz.

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