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Türkei: Sonne überm Halbmond

Es ist ein sonniger Tag mitten im März. Zusätzlich weht ein kräftiger Wind durch die Berge im Hinterland von Aliağa, etwa 50 Kilometer nördlich von İzmir. Die Turbinen des 40-Megawatt-Windparks Seyitali, den Polat Enerji seit 2011 hier betreibt, laufen auf Hochtouren. Auch die Solarparks, die links und rechts auf dem Weg zum Windpark zu sehen sind, kommen an diesem Tag auf ihre Kosten. Die Region ist perfekt für die Erneuerbaren – für die Windkraft genauso wie für die Photovoltaik.


Der Projektierer und Kraftwerksbetreiber Borusan EnBW Enerji baut deshalb vor allem im Westen der Türkei seine Anlagen, wie der stellvertretende Geschäftsführer Levent Özcan Caner sagt. Das Unternehmen – ein Joint Venture mit dem deutschen Stromversorger EnBW – betreibt Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von 725 Megawatt. Vor allem sind das Windkraft- und Solargeneratoren.


Doch es sollen noch mehr dazukommen. „Wir entwickeln derzeit einen Windpark mit einer Leistung von 138 Megawatt. Diesen kombinieren wir mit 59 Megawatt Photovoltaik“, erklärt Caner. Der Zubau ist auch dringend notwendig. „Denn die Türkei will bis 2053 das Ziel von Netto-Null beim Treibhaus­gasausstoß erreichen“, sagt Burak Dağlıoğlu, Präsident des Investment Office der Türkei. Dieses unterstützt Investoren bei der Ansiedlung von Unternehmen oder bei der Umsetzung von Projekten in der Türkei.


Dabei ist die Türkei schon gut aufgestellt. Von den fast 103 Gigawatt installierter Kraftwerksleistung liefen Ende 2022 nur noch 47 Gigawatt mit Kohle und Erdgas. Der Rest kam aus Erneuerbaren. Neben 2,2 Gigawatt Photovoltaik und 11,4 Gigawatt Windkraft waren auch 8,2 Gigawatt Laufwasserkraft und 23,2 Gigawatt Wasserkraft aus Stauseen an der Stromproduktion beteiligt. Dazu kommen noch 9,4 Gigawatt Biomasse und Kraftwerke, in denen Müll verbrannt wird, sowie 1,6 Gigawatt Geothermie.


Doch der Ausbau stagniert in den letzten beiden Jahren. Das liegt an der fehlenden Unterstützung aus Ankara. „In der Türkei gab es ab 2012 einen Einspeisetarif für verschiedene erneuerbare Energien. Dieser wurde aber 2020 gestoppt“, sagt Levent Özcan Caner von Borusan EnBW. Seither geht der Zubau nur schleppend voran.


PPA-Markt entwickeln
Denn die Finanzierung ist seitdem nicht einfach. Vor allem größere Unternehmen kommen jetzt auf den Dreh, ihren Strom selbst zu produzieren. Das geht vor allem mit Blick auf die üppig scheinende Sonne mit der Photovoltaik sehr preiswert. „Deshalb ist die Photovoltaik auch die Technologie, in die hauptsächlich investiert wird“, sagt Caner.
Auch größere Kraftwerke, von Projektentwicklern gebaut und betrieben, sind für die Unternehmen interessant. „Wir versuchen, den Markt für Power Purchase Agreements – PPA – auszubauen. Dieser Markt ist in der Türkei noch unterentwickelt“, beschreibt Caner die Lösung aufgrund der fehlenden Unterstützung der Regierung.
Dies könnte für Investoren sogar noch interessanter sein als eine Einspeisevergütung. „Denn die Einspeisetarife werden in türkischer Lira ausgezahlt. Dadurch entsteht für internationale Investoren ein Währungsrisiko“, erklärt Caner auch mit Blick auf die rasende Inflation in den letzten Jahren. „Die PPA hingegen werden in US-Dollar abgeschlossen, was für die Investoren Sicherheit bedeutet.“


Mit Banken verhandeln
Borusan EnBW verfolgt dabei zwei Ansätze. Einerseits baut das Unternehmen Anlagen, um einzelne Stromabnehmer direkt zu versorgen. Hier geht es vor allem um Solaranlagen. Andererseits entwickelt das Unternehmen Projekte, mit denen ganze Industriezonen mit mehreren Verbrauchern versorgt werden. Dort lohnen sich dann auch größere Projekte inklusive Windparks.


Einen ähnlichen Weg geht auch Enerjisa Üretim. Das Unternehmen, an dem Eon beteiligt ist, setzt ebenfalls auf PPA. „Die künftigen Projekte mit erneuerbaren Energien werden wir mit einem Dollar-PPA mit einer Laufzeit von 15 Jahren entwickelt“, sagt Ezgi Katmer, Leiterin der Windenergiesparte bei Enerjisa Üretim. „Das ist sehr wichtig in der heutigen Finanzsituation und das verbessert unsere Position, wenn wir mit Banken oder Investoren verhandeln.“


Zusätzlich baut Enerjisa noch 500 Megawatt Windkraftleistung, für die das Unternehmen im Jahr 2019 noch Einspeisetarife in einer Ausschreibung gewonnen hat. Diese Anlagen sollen bis 2025 oder 2026 fertig sein. Einen Teil davon kombiniert Enerjisa Üretim mit Photovoltaik. In diesem Jahr hat das Unternehmen schon einen Windpark mit 50 Megawatt Leistung in Betrieb genommen. Dieser ist mit 27 Megawatt Solarleistung kombiniert. „Wir bereiten uns auch gerade auf den Markt für grünen Wasserstoff und Batteriespeicher vor“, sagt Yusuf İlimsever, der bei Enerjisa Üretim für den Stromhandel und Energielösungen verantwortlich ist.


Der Wasserstoff soll zum größten Teil direkt in den Gaskraftwerken genutzt werden, die das Unternehmen betreibt. Eine erste Elektrolyseanlage mit 20 Kilowatt Leistung ist auch schon aufgebaut. „Wir planen den Ausbau der Elektrolyseleistung auf 100 bis 200 Megawatt in den nächsten drei Jahren, die mit Solarstrom betrieben wird“, erklärt İlimsever. „Das hängt davon ab, wie viel wir verkaufen oder selbst verbrauchen können. Außerdem kaufen wir die Elektrolyseure, was aber gerade nicht einfach ist. Denn die Nachfrage ist derzeit hoch“, weiß Yusuf İlimsever. (nw)