Auch in diesem Jahr wurde ein beachtlicher Anteil der neu errichteten Solarstromleistung auf der Freifläche gebaut.
Der Solarzubau in Deutschland geht auch 2026 voran. Doch was braucht die Branche, damit der Markt schneller Fahrt aufnimmt?
Sven Ullrich
Verunsicherung: Das ist das häufigste Wort, mit dem die Stimmung am Solarmarkt in Deutschland derzeit beschrieben wird. Dafür sorgt Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) mit immer neuen Forderungen, um die erneuerbaren Energien zu schleifen. Dass sie den Plan verfolgt, mit Milliardensubventionen neue Gaskraftwerke zu bauen und diese mittels Carbon Capture and Storage (CCS) klimaneutral zu bekommen, ist dabei nicht die Herausforderung für die Solarbranche. Das eigentliche Problem ist: Bisher sind das alles nur Ankündigungen.
Noch ist gänzlich unklar, wie und wann diesen Ankündigungen gesetzlich klare Regelungen folgen sollen. „Die angekündigte Kürzung der Einspeisevergütung für Dachanlagen und der Zehn-Punkte-Plan des Bundeswirtschaftsministeriums verdeutlichen den Ansatz der Bundesregierung, marktwirtschaftliche Elemente stärker in den Vordergrund zu rücken. Allerdings fehlt bisher ein klarer Plan, wie dieses marktorientierte System konkret ausgestaltet werden soll“, fasst Henning Simmes die Lage zusammen. Er ist Abteilungsleiter Projektentwicklung und Projektleitung PV & BESS bei Juwi. „Die getätigten Äußerungen über das Ende der Einspeisevergütung für das private Dachsegment wirken in den Gesamtmarkt und führen zu Verunsicherung.“
Photovoltaik bleibt wirtschaftlich
Doch auch bei gewerblichen Anlagen wird es enger. Hier gesellt sich zum nebulösen politischen Kurs der Bundesregierung noch die wirtschaftliche Lage als zusätzliche Herausforderung für die Photovoltaik. „Unternehmen priorisieren und investieren zunächst ins Kerngeschäft und erst danach in zusätzliche Bereiche wie den Bau einer Photovoltaik- oder Batteriespeicheranlage“, weiß Patrick Danz, CSO bei IBC Solar. „Zugleich gewinnen die Amortisationszeiten zunehmend an Bedeutung. Eine Absicherung künftiger Energiekosten wirkt sich dabei positiv auf die Entscheidung zugunsten einer Photovoltaikanlage aus.“
Unternehmen priorisieren und investieren zunächst ins Kerngeschäft und erst danach in zusätzliche Bereiche wie den Bau einer Photovoltaik- oder Batteriespeicheranlage.
Immerhin sieht Patrick Danz den Markt für Dachanlagen nicht unbedingt einbrechen. „Er wächst weiter, wenn auch reduziert“, sagt er. Auch Michael Harre, Geschäftsführer von Baywa RE Solar Energy Systems, nimmt derzeit ein verhaltenes Wachstum im gewerblichen Dachsegment wahr. „Mittel- und langfristig rechnen wir jedoch mit einem deutlichen Wachstum in diesem Segment“, prognostiziert er. „Denn Photovoltaikanlagen – zunehmend in Kombination mit Gewerbespeichern – sind bereits heute ökonomisch und ökologisch äußerst sinnvoll.“
Solarparks aus RED III gefallen
Immerhin habe die Bundesregierung schon einige Regelungen auf den Weg gebracht, zu deren Verabschiedung die Ampel nicht mehr gekommen ist, erklärt Daniel Hölder. Er leitet bei Baywa RE die Abteilung Global Policy and Markets und nennt hier unter anderem die Umsetzung der RED-III-Richtlinie. Mit dieser Erneuerbare-Energien-Richtlinie (Renewable Energy Directive) werden verbindliche Ausbauziele und die Verschlankung der Genehmigungsverfahren festgelegt.
Doch genau diese Version des Gesetzes zur Umsetzung von RED III, die die schwarz-rote Koalition verabschiedet hat, unterscheidet sich substanziell von dem Entwurf der Vorgängerregierung. Denn die darin festgelegten Privilegien konzentrieren sich ausschließlich auf die Windenergie. Die noch im Ampel-Entwurf geplanten Erleichterungen für solare Freiflächenanlagen wurden gestrichen.
Entwickler geraten unter Druck
Henning Simmes von Juwi kritisiert deshalb, dass bei der strategischen Einbindung die solare Freifläche häufig außen vor bleibe. In den Jahren 2024 und 2025 sind es unter anderem die Solarparks, die für immer noch gute Zubauzahlen gesorgt haben. Doch die Projektentwickler geraten durch stark gesunkene Zuschlagswerte bei gleichzeitig steigenden Kosten durch Vorgaben für kommunale Beteiligungen immer mehr unter Druck. „Hinzu kommt, dass wir uns in einer Phase der Energiewende befinden, in der der Erzeugungsanteil von erneuerbaren Energien bei über 60 Prozent liegt und die steigende Anzahl an negativen Strompreisstunden ein starkes Marktsignal setzt“, sagt Henning Simmes. „Hier benötigt es zeitnah einen angepassten Investitionsrahmen, der dies adäquat adressiert.“
Denn die Streichung der Einspeisevergütung bei negativen Preisen an der Börse sorgt ebenfalls für Unsicherheiten. „Die Zurückhaltung bei Investoren ist deutlich zu spüren und wirkt sich direkt auf den Ausbau aus“, sagt Patrick Danz von IBC Solar. „Bisher als sehr rentabel eingeschätzte Investitionen werden deutlich kritischer bewertet und immer häufiger gestoppt oder vertagt.“ Dies hänge aber unter anderem auch mit dem gestiegenen Zinsniveau zusammen, weiß Patrick Danz.
Wir würden uns wünschen, dass es seitens der Verbände und der Bundes- und Landespolitik mehr Unterstützung in Sachen Awareness für die Erneuerbaren gibt.
Risiken nur teilweise aufgefangen
Thorsten Blanke, Geschäftsführer von Belectric, warnt vor einem deutlichen Rückgang großer Solarprojekte durch die Solarspitzenregelung. „Denn Projekte sind dann nicht mehr wirtschaftlich und finanzierbar“, betont er. „Grünstrombatterien können hier helfen, die Wirtschaftlichkeit wieder zu verbessern. Allerdings sind die Gesamtkosten des Systems bei Grünstrombatterien höher als für direkt netzgekoppelte Anlagen.“
Immerhin nehmen die Investoren wahr, dass sich durch den Stopp der Vergütung bei negativen Strompreisen der Förderzeitraum verlängert. Die damit entstehenden Risiken für neue Solarparks werden dadurch aber nur teilweise aufgefangen, wie Patrick Danz von IBC Solar betont. „Zudem entstehen hierbei Unsicherheiten bei der Rentabilität. Ob und welche Marktanreize durch die neue Regelung entstehen, bleibt abzuwarten“, ergänzt Henning Simmes von Juwi. „Denkbar wäre es, dass der Stopp der Einspeisevergütung bei negativen Preisen die Integration von Batteriespeichern beschleunigt oder Eigenverbrauch und Direktvermarktung interessanter macht. Dennoch bleibt es unerlässlich, dass die Politik auch Lösungen anbietet, indem sie Speicher gezielt fördert und den Netzausbau vorantreibt.“
Netzbetreiber sollten den gemeinsamen Netzanschluss nicht nur prüfen müssen, sondern auch dazu angehalten sein, Cable-Pooling und Überbauung des Netzverknüpfungspunktes proaktiv umzusetzen.
Clevere Kombinationen ermöglichen
Bisher stehen für eine effektive Integration der Erneuerbaren immer noch die Regelungen für den Netzanschluss im Weg. „Netzbetreiber sollten den gemeinsamen Netzanschluss nicht nur prüfen müssen, sondern auch dazu angehalten sein, Cable-Pooling und Überbauung des Netzverknüpfungspunktes proaktiv umzusetzen“, fordert Henning Simmes mit Blick auf die Kombination von Erzeugungstechnologien und Speichern. „Dies wäre der kosteneffizienteste Weg, mit bestehender Infrastruktur den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben.“
Auf der anderen Seite steht auch die Nutzung von Strom in Zeiten, in denen er üppig vorhanden ist. Hier geht es nicht nur um flexible Verbraucher, sondern auch um große Nutzer von Strom. Thorsten Blanke von Belectric sieht hier unter anderem Rechenzentren für KI-Anwendungen als dankbare Abnehmer von Sonnenstrom. Immerhin fiel die Standortentscheidung für den Bau des neuen Rechenzentrums in der Lausitz durch Schwarz Digits unter anderem aufgrund der dort gut ausgebauten Ökostromressourcen.
Bedingungen für Flexibilität verbessern
Doch die Flexibilität des Stromverbrauchs auch im kleineren Segment muss weiterkommen. Daniel Hölder sieht in dieser Flexibilität den Schlüssel für die Marktintegration der erneuerbaren Energien. Denn sie wirken dem Absinken der Marktwerte entgegen. „Niedrige Marktwerte verhindern PPA und machen die Förderung teuer“, begründet er den Handlungsbedarf. „Es ist daher von großer Bedeutung, dass gleichzeitig die Hemmnisse für Stromspeicher und flexible Verbraucher beseitigt werden. Zudem halten wir es für richtig, über eine mittelfristige Umstellung auf einen produktionsunabhängigen Fördermechanismus nachzudenken.“
Wir halten es für richtig, über eine mittelfristige Umstellung auf einen produktionsunabhängigen Fördermechanismus nachzudenken.
Die ersten Hürden im Bereich der flexiblen Nutzung des Netzes sind geschliffen. Die Netzbetreiber können Rabatte bei Netzentgelten geben, wenn sich größere Verbraucher flexibel verhalten. Daniel Hölder kritisiert, dass es immer noch zu viele regulatorische Hemmnisse bei der Nutzung von Flexibilität gibt. Dazu nennt er noch wirtschaftliche Fehlanreize im Bereich der Netzentgelte. „Neben der Abschaffung des sogenannten Bandlastprivilegs und einem Ersatz durch eine andere Regelung, die der stromintensiven Industrie niedrige Netzentgelte ermöglicht, sind variable Netzentgelte und flexible Tarife für Prosumer aus unserer Sicht besonders wichtig“, schlägt Daniel Hölder vor.
Rechenzentren nur mit Ökostrom
Denn die Photovoltaik ist bei der Bevölkerung weiterhin beliebt – und zwar unabhängig von den politischen Präferenzen der Befragten. Das zeigen verschiedene Umfragen immer wieder. „Grundsätzlich ist die Akzeptanz in der Bevölkerung noch gegeben. Erneuerbare werden aber zunehmend als Problem gesehen, weil die Energiewende durch den zunehmenden Verlust von Industrien infrage gestellt wird“, erklärt Thorsten Blanke von Belectric. „Wir würden uns wünschen, dass es seitens der vielen Verbände und auch seitens der Bundes- und Landespolitik mehr Unterstützung in Sachen Bewusstsein für die Erneuerbaren gibt. Immerhin stimmen in Befragungen zwei Drittel der Aussage zu, dass Rechenzentren nur gebaut werden dürfen, wenn dafür entsprechend zusätzliche Kapazitäten erneuerbarer Energien geschaffen werden.“
Beteiligungsmodelle verbessern
Auch die Beteiligung der Bevölkerung vor Ort und der Kommunen wirkt sich positiv aus. „Obwohl die Beteiligung der Kommunen die Wirtschaftlichkeit eines Projektes zusätzlich belastet, kann sie aus unserer Sicht ein entscheidender Erfolgsfaktor sein“, weiß Thorsten Blanke.
Auch Baywa RE hat gute Erfahrungen mit der Beteiligung von Kommunen und Bürgern gemacht. Dies reicht vom Crowdfunding über einen Bonus bei der Stromrechnung für die Anwohner bis zur direkten Förderung lokaler Initiativen und Stiftungen. „Bürgerbeteiligung ist für uns kein Nebenschauplatz, sondern ein integraler Bestandteil unserer Projektphilosophie“, betont Hölder. „Wir wollen, dass die Energiewende vor Ort nicht nur stattfindet, sondern auch spürbare Vorteile für die Menschen bringt.“
Er sieht aber auch Handlungsbedarf, diese Beteiligungsmöglichkeiten weiterzuentwickeln und sie für Kommunen wie Projektierer leichter handhabbarer zu machen. „Aktuell sehen wir auf Länderebene eine zunehmende Fragmentierung durch unterschiedliche Beteiligungsgesetze. Diese unterscheiden sich teils erheblich in Art und Umfang der geforderten Beteiligung und führen zu einem Flickenteppich an Regelungen. Das erschwert die Projektplanung und kann zu Standortnachteilen einzelner Bundesländer führen“, warnt Daniel Hölder.
Der Netzanschluss bleibt die Engstelle beim Ausbau der Photovoltaik auf der Freifläche.
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