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„Der Welpenschutz ist weg“

Fabian Kauschke

Mit 97 Prozent der Stimmen wurde Bärbel Heidebroek im Mai 2023 zur neuen Präsidentin des Bundesverbands Windenergie (BWE) gewählt.

Wann ging es für Sie mit dem Wind los?

Bärbel Heidebroek: Wir haben 1999 den landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern meines Mannes übernommen und dann 2001 die erste Firma gegründet, die Windkraftanlagen projektiert, baut und betreibt. Meine verbandspolitische Arbeit habe ich vor fünf Jahren im Arbeitskreis Energiepolitik des BWE begonnen. Dann bin ich relativ schnell auch Vizepräsidentin, danach Vorsitzende im Land Niedersachsen und jetzt eben Präsidentin geworden.

Warum haben Sie Ihren landwirtschaftlichen Betrieb auf Wind ausgeweitet?

Bärbel Heidebroek: Der Betrieb ist groß und wir könnten gut davon leben. Aber wir haben uns gefragt: Wollen wir nicht noch was Neues machen? Zuerst ging es darum, ein, zwei Anlagen zu bauen. Schließlich bekamen wir einen Zuschlag für ein Projekt mit 13 Anlagen. Das war spannend.

Und wie sieht es heute aus?

Bärbel Heidebroek: Mittlerweile betreiben wir 120 Windenergieanlagen in ganz Deutschland. Vor zwei Jahren kam Photovoltaik dazu. Heute haben wir einen eigenen Energieversorger, der Endkunden in ganz Deutschland beliefert. Am 1. Juli haben wir den 100. Mitarbeiter eingestellt. Wir wachsen.

Warum passen Landwirtschaft und ­Windenergie für Sie so gut zusammen?

Bärbel Heidebroek: Wir haben diesen Zuschlag für das erste Projekt bekommen, weil wir Landwirte sind. Die Eigentümergemeinschaft zog uns erfahreneren Projektierern vor. Es zählte die über Genera­tionen gewachsene Verankerung vor Ort.

Was war dabei ausschlaggebend?

Bärbel Heidebroek: Es war dieses Vertrauen, was Landwirte untereinander haben. Wir sind eben nicht anonym. Landwind sind Alexander und Bärbel Heide­broek. Ihr kommt aus dem gleichen Umfeld, ihr versteht unsere Sorgen und wir wissen auch, wo ihr wohnt. Wir sind eben in der Region sehr verwurzelt.

Was ist Ihnen in Ihrer Position als Präsidentin besonders wichtig?

Bärbel Heidebroek: Es geht immer um die Praxis. Es ist wirklich sehr gut, wenn man versteht, was Entscheidungen in Land oder Bund real für Folgen vor Ort haben. Schließlich muss auf dem Land das umgesetzt werden, was im Bund beschlossen wird.

Glauben Sie, dass dieser Blick aus der ­Branche in der Politik des Öfteren fehlt?

Bärbel Heidebroek: Es ist häufig so, dass die Politik natürlich nicht im Detail das Verständnis für die Auswirkungen haben kann. Das geht überhaupt nicht. Abgeordnete kümmern sich um so eine Vielzahl von Themen. Und häufig sind Gesetze ja wirklich gut gedacht, aber haben dann handwerkliche Fehler. Ich glaube, dass sich Politik und Branche da sehr gut austauschen können und dass es gemeinsam oft zu besseren Lösungen kommt.

Und funktioniert das derzeit?

Bärbel Heidebroek: Ja, ich merke eine große Offenheit bei der Politik. Natürlich, gerade auf Bundesebene in der Dreierkoalition ist das nicht so einfach. In so einer Konstellation müssen häufig einander recht stark widerstrebende Interessen und Überzeugungen zusammengebracht werden. Das ist immer schade, wenn das nicht gelingt.

Wie verhält es sich auf der Landesebene?

Bärbel Heidebroek: Eine Offenheit für die An­regungen der Branche sehe ich auch auf der Landesebene. Man will die Energiewende, man will die Erneuerbaren und man versucht, gemeinsam zu gucken, wie kann das wirklich klappen. Und das unterscheidet sich deutlich von der Vorgängerregierung. Diesen Willen habe ich unter dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister nicht gespürt. Es gibt einen Paradigmenwechsel.

„Es geht nicht um den schnellen Euro, sondern um Nachhaltigkeit und Substanz.“

Bärbel Heidebroek, Präsidentin Bundesverband Windenergie

Gibt es jetzt eine Kehrtwende im BWE?

Bärbel Heidebroek: Eine Kehrtwende ist das wohl nicht. Hermann Albers hatte genauso das Ziel 100 Prozent Erneuerbare in Deutschland zu erreichen, hatte genauso die Integration im BEE als Ziel. Ich glaube, da sind wir uns sehr ähnlich. Wir sind aber als Menschen sehr unterschiedlich. Das ist jetzt nicht besser und nicht schlechter, das ist einfach anders. Und ja, ich glaube, dass ein Wechsel nach so langer Zeit guttut. Jede Sache, die man so lange macht und wo man so viel Frust erlebt, weil Dinge nicht vorangehen, die prägt einen.

Wie soll die Zusammenarbeit im Verbund der erneuerbaren Energien aussehen?

Bärbel Heidebroek: Wir haben eine Integration im BEE angeschoben. Auf Landesebene klappt das schon gut. In Niedersachsen haben wir den LEE. Für eine erneuerbare Energiewirtschaft in der Zukunft brauche ich immer die verschiedenen Komponenten. Ich kann nicht 100 Prozent Wind machen oder 100 Prozent Sonne oder 100 Prozent Biogas, sondern ich brauche die verschiedenen Player zusammen, weil sie sich gegenseitig ergänzen. Das ist eine natürliche Synergie.

Sind Sie dafür in den Verbänden schon enger zusammengewachsen?

Bärbel Heidebroek: Ja, das sind wir schon. Wir arbeiten seit 2020 unter einem Dach auf dem Euref-Campus. Das ist ein Erfolg. Hier ringen wir um ­Positionen für die gesamte Energiewirtschaft. Das ist ein Prozess, der Zeit benötigt.

Wie sieht der Prozess aus?

Bärbel Heidebroek: Wir haben Hersteller, wir haben kleine Betreiber, wir haben große integrierte Unternehmen, wir haben reine Projektierer und damit ein gutes Verhältnis. Natürlich sind die In­teres­sen nicht immer gleich gelagert. Aber genau dies ist die Aufgabe im Verband: die Interessen zusammenzubringen. Einen gemeinsamen Nenner zu definieren und darauf eine politische Linie zu bauen.

Wie wünschen Sie sich das Verhältnis der Akteure?

Bärbel Heidebroek: Ich würde mir wünschen, dass die Akteursvielfalt möglichst groß bleibt in der Branche. Wir brauchen diejenigen mit Erfahrungen aus großen Strukturen. Wir brauchen Unternehmen, die anpacken, kreativ sind und sich bewusst sind, dass Energiewende dezentral und deshalb mit den Menschen gemacht wird. Wir haben inzwischen alle begriffen, dass vor allem die Kommunen vor Ort einen Ansprechpartner brauchen. Unsere Projekte laufen über viele Jahre. Es geht nicht um den schnellen Euro, sondern um Nachhaltigkeit und Substanz.  

Wo steht die Branche jetzt?

Bärbel Heidebroek: Wir sind als Branche erwachsen geworden. Wir wollen jetzt wirklich Energieversorgung übernehmen. Wir sind aus der Nische raus. Der Welpenschutz ist weg.

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