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Schwarz-Roter Koalitionsvertrag

So tötet die Koalition die Energiewende

Auf 13 Seiten beschreiben die künftigen Regierungsmitglieder, wie sie den Ausbau der erneuerbaren Energien künftig am effektivsten bremsen wollen. „Die Energiewende zum Erfolg führen“, lautet die zynische Überschrift des Kapitels.

Der erste „Erfolg“ sind staatliche Ausbaugrenzen für den Grünstromanteil im Netz: 40 bis 45 Prozent darf der Anteil erneuerbar gewonnenen Stroms bis 2025 betragen. Zum Vergleich heute sind es 25 Prozent. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) hat dazu ausgerechnet, dass der jährliche Zubau in diesem Korridor bei jährlich 1,25 bis 1,67 Prozent liegt. Da war selbst Schwarz-Gelb schon ambitionierter, weiß der BEE: „In den vergangenen fünf Jahren lag der Zubau im Durchschnitt bei zwei Prozent. Noch im Jahr 2010 hatte die Bundesregierung einen durchschnittlichen Ausbau von 1,94 Prozent bis 2020 als Zielwert nach Brüssel gemeldet.“

Bioenergie als Müllschlucker degradiert

Mit den weiteren Einschnitten, die die Koalition für die Erneuerbaren vorsieht, erscheint der neue Ausbaudeckel für 2025 jedoch ohnehin nur wie schwärmerische Grünstromutopie. Die schärfsten Neuregelungen für einzelne Stromquellen will die Koalition bei Biogasanlagen und der Windenergie einführen: „Der Zubau von Biomasse wird überwiegend auf Abfall- und Reststoffe begrenzt“, steht Wort für Wort Koalitionsvertrag. Die Bioenergie als einzige grundlastfähige, regelbare Quelle degradiert das Schwarz-Rote Koalitionsgespann somit zur Abfallverwertungstechnologie.  

Kein Herz fürs Binnenland

Bei der Windenergie will die künftige Regierung dagegen nur „Überförderungen“ abbauen – das erreicht sie im Wesentlichen durch eine Reduzierung potenzieller Standorte. Während die Fördersätze an windstarken Standorten nur sinken sollen, scheiden die meisten Standorte in Mittel- und Süddeutschland künftig für eine Förderung aus. Das wird über das sogenannte Referenzertragsmodell erreicht: Standorte, die weniger als 75 Prozent eines Referenzwertes erreichen, fallen durch das Raster. Bislang galt als Referenz ein Standort mit 5,5 Meter pro Sekunde Windgeschwindigkeit in 30 Meter Höhe. Womöglich wurden die schönen Binnenlandanlagen zur Schwachwindernte am Ende umsonst für den deutschen Markt entworfen.

Seehoferklausel macht Ausbau zur Ländersache

Bundesländer, die generell keinen Wind wollen, können aber auch selbst aktiv werden. Dafür sorgt die Länderöffnungsklausel im Baugesetzbuch – oder auch Seehoferklausel, denn der bayerische Ministerpräsident hatte lang für folgendes gekämpft: Künftig dürfen die Länder den Abstand von Windturbinen zur Wohnbebauung selbst festlegen. Legt ein Bundesland zwei Kilometer Abstand fest, ist der Windausbau damit so gut wie vollständig verhindert. Einzig der Offshore-Windenergie wird wie angekündigt geholfen. Das Stauchungsmodell mit einer Top-Vergütung von 19 Cent pro Kilowattstunde wird um zwei Jahre verlängert.

Bei der Photovoltaik begnügt sich die Koalition hingegen damit, es bei der jetzt geltenden Regelung zu belassen. Denn die „hat sich bewährt“. Eine zynische Umschreibung, empört sich Grünen-Politiker Hans-Josef Fell; denn die bewährte EEG-Novelle brachte der Solarwirtschaft den Verlust von 50.000 Arbeitsplätzen ein.

Ökobilanz

Kürzen will die künftige Regierung auch bei den Privilegien von der EEG-Umlage. Mit ihr werden die Differenzkosten zwischen der Ökostromförderung und den Börsenstrompreisen beglichen. Ob energieintensiven Unternehmen die Befreiung von der EEG-Umlage gestrichen wird, bleibt noch zu prüfen.

Sicher dagegen ist, dass dieses Privileg für Selbstverbraucher gestrichen wird: Wer bisher seinen selbst erzeugten Strom auch selbst verbraucht hat, musste dafür keine Umlage zahlen – damit soll Schluss sein. „Wir setzen uns dafür ein, dass im Grundsatz die gesamte Eigenstromerzeugung an der EEG-Umlage beteiligt wird“, heißt es im Koalitionspapier. Genauso gut könnte die Regierung den privaten Verzehr von selbst angebautem Gemüse besteuern.

Kein Anreiz für sauberen Stromhandel

Auch für die Direktvermarktung entfällt die Umlage-Befreiung. Dieses Privileg wurde einst eingeführt, um die erneuerbaren Energien gezielt in den Markt zu integrieren: Stromhändler, die mehr als 50 Prozent ihres Stroms aus erneuerbaren Quellen beziehen, zahlten keine Umlage. Zahlreiche kleine Grünstromanbieter entstanden.

Da ihre Strommengen die reale Grünstrom-Nachfrage der Verbraucher gedeckt haben, trugen sie laut Bundesverband Erneuerbare Energie zur Senkung der Differenzkosten zwischen Börsenstrompreis und Grünstromvergütung bei. Nun da die Anbieter bei der EEG-Umlage in die Pflicht genommen werden, wird ihr Geschäftsmodell wirtschaftlich stark belastet.

Direktvermarktung – eine Pflicht für jedermann

Die Direktvermarktung des Stroms aus erneuerbaren Energien behält die Regierung aber bei – nun als Pflichtprogramm: Jeder Park über fünf Megawatt muss den Strom direkt an einen Abnehmer verkaufen. Ab 2017 soll das jede Anlage betreffen. Damit dürfte auch der Eigenheimbesitzer mit PV-Anlage zum Stromhandel verpflichtet werden. Die „Vielfalt der Akteure“ im Grünstrommarkt soll dennoch bestehen bleiben, heißt es im Papier. Wie dieser Spagat gelingt, bleibt offen.

Das letzte Wort hat die Basis

Offen bleibt immerhin auch ein kleiner Fluchtweg; zwar nicht aus einzelnen Inhalten des Koalitionsvertrages, aber aus dem Vertrag selbst. Am Freitag beginnt die SPD ihre Befragung bei der Partei-Basis. Lehnt die den Vertrag bis Mitte Dezember ab, kann es doch noch ganz anders kommen. (Denny Gille)

Hier finden Sie das PDF des Koalitionsvertrags.

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