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KOMMENTAR: Koalitionsgespräche

Energiewende im sozialdemokratischen Dreiklang

Was macht eigentlich Ulrich Kelber? Der Bonner Bundestagsabgeordnete und einschlägig bekannte Verteidiger des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hatte sich im September zum vierten Mal als Direktkandidat seiner Partei in seinem Wahlkreis in der Stadt am Rhein durchgesetzt. Das war wichtig für ihn – seine Partei, die SPD, hatte ihn auf der Landesliste auf einem hinteren Platz gesetzt, der nicht für den Wiedereinzug in den Bundestag reichte. Ob es der SPD-Führung wichtig war, darf angesichts des Listenplatzes gefragt werden – und ist bisher nicht überliefert. Für die Energiepolitik könnte es auch nicht mehr so wichtig sein. Denn der in Bonn als Kämpfer für die Rechte der ehemaligen Bundeshauptstadt geschätzte Kelber ist jetzt Verhandlungsführer der SPD für den Verbraucherschutz. Unter seinen zehn wichtigsten Zielen für die Bundestagswahl hatte er noch an dritter Stelle nach Bildung und demokratische Transparenz die 100-Prozent-Energiewende aufgeführt. Der Abgeordnete, der seiner Bonner Ortspartei in den vergangenen zwei Legislaturperioden als einzige Firmenzuwendungen die Spenden von Windparkprojektierer WPD und den Photovoltaikfirmen Solarworld und First Solar eingeworben hatte – er informiert jetzt auf seiner Homepage über Lärmschutz, Prepaid-Stromverträge, ein geplanter Vorbehalt für alle neuen Gesetze bei verbraucherrechtlichen Verstößen, Dispokreditzinsen und Förderung von Verbraucherberatung.

Warum das dann dennoch wichtig ist für die Energiewende? Weil Kelbers Werdegang den Kontrast zur neuen und aktuellen energiepolitischen SPD-Personalie bietet – und all das viel über die Sozialdemokratie, deren Zustand und deren mögliche Rolle für die Energiewende aussagt. Mit Hannelore Kraft stellte die SPD ihre vielleicht hoffnungsvollste Landespolitikerin und eine ihrer profiliertesten Führungspersönlichkeiten für die Energiewende zu den Koalitionsgesprächen mit der CDU auf. Die nordrhein-westfälische Sozialdemokratin hat auch bereits ein erstes stolzes Ergebnis verkündet, mit dem sie sich in Öffentlichkeit und Partei als Kämpferin für die Energiewende präsentierte: Die von ihrem Verhandlungsgegner, Umweltminister Peter Altmaier, gewünschte Kostendeckelung für die Energiewende ist vom Tisch. Die Energiewende sei nicht zum Nulltarif zu haben, verteidigte die SPD-Frau sich und ihr Ergebnis schon mal vorbeugend gegen mutmaßliche Kritiker, die den Erneuerbaren vor allem als ein Kostenfaktor gegenübertreten. Und dann präzisierte sie einen in diesen Tagen so typisch sozialdemokratischen Leitsatz: „Für die SPD ist die Gleichwertigkeit der Ziele entscheidend: sicher, sauber und bezahlbar“.

Abgesehen davon, dass derartige Plattitüden in der politischen Praxis häufig den Mangel an konkreten Zielen verschleiern sollen: Der Dreiklang soll ernergisch klingen und ist doch nur eine Mogelpackung. Denn die Energiewende ist per se schon sauber, einer ambitionierten sozialdemokratischen Politik wäre „sicher, schnell und bezahlbar“ oder „sicher, demokratisch und bezahlbar“ wohl besser angestanden.

Die bisherigen Ergebnisse der Koalitionsgespräche lassen Schlimmes befürchten, auch wenn sie vielleicht auf den zweiten Blick doch hauptsächlich eine Fortsetzung der aktuellen schwarz-gelben Energiepolitik bedeuten: mit eingebauten SPD-Leitplanken zum Schutz der Erneuerbaren nach dem Motto – bis hierher und nicht weiter. Das nun zwischen den Verhandlungspartnern eruierte Ziel eines Anteils der Erneuerbaren am Strom bis 2020 von 40 Prozent statt wie bisher von 35 Prozent schreibt nur fest, was Altmaier im Frühjahr ohnehin schon laut angedacht hatte: Es ist die noch fehlende Aktualisierung des Energiekonzeptes nach dem Ausstieg aus der Kernenergie. Die Ablösung der bisherigen garantierten festen Einspeisevergütung für Grünstrom durch Marktpreise plus Prämie - bei Beibehalten des Einspeisevorrangs - ist einstweilen so vage, dass so schnell wohl nichts geschieht. Der Stopp der Förderung für unrentable Windparks in Süddeutschland zieht zunächst auch nur nach, dass im Frühjahr zwischen Schwarz-Gelb und der Windbranche über die Grenzen für rentable Windkraft nachgedacht worden ist. Dasselbe gilt für die Überlegung, dass Windparks an windreichen Küstenstandorten mit weniger Förderung auskommen sollen.

Typisch sozialdemokratisch und bedauerlich für die Energiewende ist derzeit ein anderes: Die SPD hat keine Ziele. Gerade dass einer Prämie als Aufschlag auf einen Marktpreis anstelle der festen Vergütung so reibungslos zugestimmt wird – wohl ohne zu wissen, wie diese aussehen soll – dies zeigt, dass die SPD auch mit der Energiewende offenbar nirgends hin will. Genauso fehlen Aussagen zur Stärkung beispielsweise der Stadtwerke oder zur Balance zwischen den verschiedenen Erneuerbaren-Techniken – im Gegenteil werden der Bioenergie nun wohl Hindernisse in den Weg gelegt. Immerhin will die SPD noch um die Langzeitziele um 2030 ringen. Nach dem Motto: In der Ferne sieht man die SPD, von nahem weiß man nicht wer es ist.

(Tilman Weber)