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Chance durch kommunale Windparks

Tilman Weber

Rottenburgs Konzept könnte zu einem der größten Onshore-Windparkprojekte eines einzelnen Stadtwerks in Deutschland führen. Begleitet vom städtischen Energiedialog auch mit den betroffenen Ortschaften Hailfingen, Oberndorf, Wendelsheim und Seebronn, der die Entscheidung über eine Verpachtung kommunaler Flächen für den Windpark bringen soll, schlägt das Versorgungsunternehmen der Stadt acht modernste Anlagen größtenteils im Wald vor. Im Herbst will das Stadtparlament über die Verpachtung für das demnach rund 40 oder mehr Megawatt (MW) starke Windkraftwerk abstimmen.

Klar ist, dass sich das Klima für stadtwerkeeigene Windparkvorhaben rasant verbessert. Davon zeugt schon ein stark zunehmendes Interesse in Windenergiebranche wie Bundespolitik an kommunaler Beteiligung. So ist dem Bundesverband Wind-
energie (BWE) die „Kommunalbeteiligung“ durch die bevorstehende Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes fünf Textseiten „Umsetzungsempfehlungen“ wert. Mit einem solchen Druckerzeugnis empfiehlt der BWE seit Februar, wie sich Abgaben von 0,2 Cent pro Kilowattstunde eingespeisten Windstroms an die Kommunen ohne Mehrkosten für die Windparkbetreiber bewerkstelligen lassen. Auch sollen die Betreiber ihren Windstrom den Bürgern in Nachbargemeinden leichter direkt durch spezielle niedrige Stromtarife anbieten können. Ins Bild passt da, dass soeben das Bundesverfassungsgericht das mecklenburg-vorpommersche Landesgesetz von 2016 bestätigte, das sogar vorschreibt, Bürger und Kommunen an neuen Windparks zu beteiligen.

Während diese Regelungen vor allem die Akzeptanz der himmelhohen Bauwerke an geplanten Standorten stärken sollen, erhöht sich nun auch das Investitionsinteresse der Kommunen und ihrer Stadtwerke. In Rottenburg war knapp zwei Jahre zuvor eine Initiative aus dem Stadtparlament noch an breiter Skepsis gescheitert: in der Amtsleitung der Stadtverwaltung wie auch in den Parteien. Auch der Stadtwerke-Chef hatte ein versorgereigenes Windkraft-Engagement „sehr risikoreich“ genannt, so fehle den Stadtwerken „das Know-how“. Im April 2022 klang Oberbürgermeister Stephan Neher gemäß der Lokalzeitung Schwarzwälder Bote schon ganz anders: Zuvor sei Windkraft in Rottenburg wirtschaftlich nicht interessant gewesen, „aber die Technik entwickelt sich weiter. Klar sind die Anlagen höher, aber auch … effizienter.“

Weil die Stadtwerke die kalkulierte Investition von 7 bis 7,5 Millionen Euro pro Turbine nicht alleine stemmen könnten, soll es „eine Kooperation mit weiteren stadtwerkegetragenen Unternehmen, Firmen und Personen“ richten. Ziel des Investments ist es, allen in der Stadt benötigten Strom stadtnah selbst zu erzeugen. Knapp die Hälfte kommt hier schon aus Photovoltaik, Wasserkraft und Bioenergie. Um so große Windkraft planen zu können, holten die Rottenburger das Karlsruher Projektierungsunternehmen Altus als Partner ins Boot.

Rottenburg ist nicht allein. Die Stadtwerke Ulm/Neu Ulm (SWU) erhielten im April in einer Ausschreibung den Zuschlag für drei Potenzialflächen der baden-württembergischen staatlichen Forstverwaltung Forst BW im Altdorfer Wald, südlich von Ulm. Wie viel Windturbinen die SWU dort werden verwirklichen wollen, ist noch unklar. Auf weiteren, ein wenig kleineren privatwirtschaftlichen Flächen desselben Waldgebietes planen Projektierer jeweils vier bis fünf Anlagen. Doch SWU-Geschäftsführer Klaus Eder kündigt schon Vertragsgespräche mit Forst BW, Bürgerdialoge und die „Beschleunigung der Genehmigungsverfahren“ an.

Stark anziehende Stromhandelspreise

Es wäre das erste Windparkprojekt an Land der Ulmer. Es werde wohl dem Mindestrenditeanspruch der Stadtwerke genügen, sagt Pressesprecher Sebastian Koch. Die stark anziehenden Handelspreise für Windstrom seien ein gutes Vorzeichen. Die Donauschwaben sehen sich von reichlich öffentlichem Interesse getragen. Schon aufgrund des Ukrainekriegs sei die Investition durch den Wunsch vieler nach einer klimaneutralen, unabhängigen eigenen Stromerzeugung gedeckt, sagte Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch im April. Auch die SWU wollen andere Sadtwerke und örtliche Bevölkerung beteiligen – und haben mit ITerra einen Windkraftplaner hinzugezogen.

Selbst in kleineren Kommunen wie Bad Oldesloe in Schleswig-Holstein trauen sich die Stadtwerke erstmals eigene, sogar große Investitionen in Windkraft an Land zu. Dort investierte der zu Bad Oldesloe und vier Nachbarkommunen gehörende Versorger Vereinigte Stadtwerke 20 Millionen Euro in vier 4,2-MW-Anlagen im Stadtteil Schadehorn – und projektierte sie selbst, nach Hinzuziehen von Dienstleistern zum Beispiel für die technische Anlagenplanung. Als städtischer Eigenbetrieb nutzte er günstige Kommunaldarlehen. Guter Verankerung in der Region soll es zu verdanken sein, dass es rekordverdächtig kurz nur dreieinhalb Jahre von der ersten Idee bis zum Baustart Anfang dieses Jahres dauerte. Metropolen wie Berlin machen ihre Mängel an Frei-flächen derweil in Vereinbarungen mit Nachbarkommunen wett. Die Berliner Stadtwerke stellten Anfang 2022 drei Turbinen mit je 5,7 MW am Südwestrand der Hauptstadt auf. Voraus ging Teltow II das enge Abstimmen mit der Standortgemeinde Stahnsdorf.

Noch sind vollständig den Stadtwerken gehörende Windparks eine kaum relevante Größe. Sie legen gemäß Stadtwerkeverbund VKU erst 2,9 Gigawatt (GW) Erzeugungskapazität auf die Waage, von 56 GW deutscher Onshore-Windenergie.

Stuttgart könnte sogar auf den Windenergie-pfad zurückkehren, den die Kommune schon verlassen hatte. Ihre 2011 als Ökostromversorger gegründeten Stadtwerke hatten rasch Windparks gekauft. Nachdem sie aber den von Projektierer Abo Wind geplanten Park Bad Hersfeld nur gegen örtlichen Widerstand durchgesetzt und dafür auf zwei der anfangs acht geplanten Anlagen hatten verzichten müssen, schrieb der Windpark rote Zahlen. 2015 beschloss der Stadtwerke-Aufsichtsrat, nur noch Projekte im Stadtgebiet zu planen, was neue Windkraft vereitelte. Im Sommer nun soll das Stadtparlament seine Energiewendestrategie überdenken.

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