Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Wärmewende: Regierung muss Schlupflöcher für Gasheizungen schließen

Ab Anfang 2024 dürfen neue Heizungen nur noch installiert werden, wenn sie zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien arbeiten. Das gilt sowohl für den Neubau als auch für Bestandsgebäude. Laut Umsetzungskonzept der Bundesregierung gelten die Anforderung als erfüllt, wenn Wärmepumpen eingesetzt werden, wenn ein Anschluss an ein Wärmenetz erfolgt oder wenn Heizungen auf der Basis von Biomasse (Holz), Biogas sowie synthetischem grünem Gas installiert werden. Ebenso sollen Stromdirekt- und Hybridheizungen erlaubt sein.

Das Konzeptpapier unterscheidet zwei Varianten: In Variante 1 soll zunächst geprüft werden, ob Wärmepumpe, Hybridheizung, Anschluss an ein Wärmenetz oder ein Stromdirektheizung im jeweiligen Gebäude möglich sind. Nur wenn das nicht der Fall ist, soll die Installation von Gasheizungen mit Biomethan oder grünen Gasen sowie Biomasseheizungen in Frage kommen. In Variante 2 stehen alle Optionen auf einer Stufe. Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (BNE) plädiert für das Stufenmodell. Demnach müssen zuerst ernsthaft die Optionen der ersten Stufe geprüft werden, vor allem Wärmepumpen. Kritisch sieht der Verband dagegen Schlupflöcher für Gasheizungen, die bilanziell mit grünen Gasen betrieben werden.

Was ist gut, was ist schlecht am Plan für einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbaren bei neuen Heizungen?

Lars Petereit: Aus BNE-Sicht ist das Konzept weitgehend dazu geeignet, die Vorgaben aus dem Koalitionsvertrag zu erfüllen. Allerdings muss noch sichergestellt werden, dass der Einsatz der zentralen Schlüsseltechnologien – Wärmepumpen und Wärmenetze – auch in der Realität Vorrang hat. Wärmepumpen erfüllen die 65-Prozent-Vorgabe selbst mit dem aktuellen Strommix, da sie zu drei Teilen mit Umweltwärme arbeiten und nur zu einem Teil mit Strom. Bei Wärmenetzen wird angenommen, dass Fernwärme bis 2045 grün wird. Derzeit besteht sie allerdings hauptsächlich aus fossilen Brennstoffen, nur 15 bis 30 Prozent sind erneuerbar. Bis hin zur 65 Prozent-Vorgabe ist es also noch ein weiter Weg. Darum muss ein Transformationsplan definiert werden: Wie können bei der Fernwärme fossile Brennheizkraftwerke rausgenommen und durch Wärmepumpen ersetzt werden?

Kritisch sehen wir, dass die Verbrennung von Gas eine weitere Option zur Erfüllung der 65 Prozent-Vorgabe sein soll. Angesichts der massiven Anstrengungen, die Unabhängigkeit von fossilem Erdgas zu erhöhen, dürfen hier keine Lock-in-Effekte entstehen. Grüne Gase werden in anderen Sektoren viel dringender benötigt als im Gebäudebereich. Daher ist diese Option nur auf den ersten Blick hilfreich, aber systemisch ungeeignet.

Einen kritischen Blick verdient auch der Bestand. Gibt es hier eventuell Hintertürchen oder Schlupfwinkel?

Lars Petereit: Die Herausforderungen einer Umrüstung sind im Gebäudebestand deutlich komplexer als im Neubau. Auch wenn moderne Wärmepumpen grundsätzlich für Bestandgebäude geeignet sind, muss im Einzelfall geprüft werden, welche Maßnahme – etwa der Tausch einzelner Heizkörper – nötig ist. Auch Hybridheizungen mit Gas und Wärmepumpe können eine sinnvolle Alternative sein, werden aber aus unserer Sicht wahrscheinlich kein großes Thema werden, da der Einsatz von zwei Technologien deutliche Mehrkosten bedingt.

Wie sieht es mit Stromdirektheizungen aus?

Lars Petereit: Eine Stromdirektheizung macht vor allem in gut gedämmten Gebäuden Sinn, weil sie im Vergleich zur Wärmepumpe weniger effizient ist. Die Investitionskosten sind jedoch deutlich geringer und in der Kombination mit selbst erzeugtem PV-Strom gibt es durchaus wirtschaftliche Anwendungsfälle.

Wie beurteilen Sie Erdwärmepumpen im Vergleich zu Luftwärmepumpen?

Lars Petereit: Welche Wärmepumpentechnologie zum Einsatz kommen kann, hängt vom Gebäude und vom Geldbeutel ab. Die Erdwärmepumpe ist die Premiumlösung, da sie üblicherweise eine höhere Effizienz aufweist dafür aber teurer ist als eine Luftwärmepumpe. Auch im Winter herrscht im Erdreich eine Temperatur von ca. 15 Grad. Das ist der Vorteil gegenüber einer Wärmepumpe, die Umgebungsluft als Wärmequelle nutzt. Luftwärmepumpen sind bis zu einer Umgebungstemperatur von minus fünf Grad immer noch sehr effizient. In den wenigen Tagen des Jahres, in denen es kühler ist, kommt dann ein Heizstab zum Einsatz. Ein weiterer Vorteil der Erdwärme ist, dass man im Sommer das Gebäude mit wenig Energieaufwand gut kühlen kann. Zudem winkt ein Wärmepumpen-Bonus von fünf Prozent auf Erdwärmepumpen über die Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG).

Wie sollen Kommunen vorgehen bei der Umstellung auf erneuerbare Wärme?

Lars Petereit: Für viele Kommunen muss sich momentan die Frage stellen, wo und wie Erdgas in Zukunft noch gebraucht wird. In Neubaugebieten benötigen nur noch äußerst wenige Gebäude einen Anschluss an ein Erdgasnetz und auch Bestandsgebäude sollen weg vom teuren Gas. Der Betrieb von Erdgasnetzen wird durch die sinkende Zahl von Abnehmern für diese immer teurer und sich immer weniger lohnen. Umso wichtiger ist eine kommunalen Wärmeplanung, die offen legt, wo und wann Wärmenetze ausgebaut werden können. Für Bürgerinnen und Bürger ist es ein wichtiges Signal zu erfahren, dass sie beispielsweise in fünf Jahren an das lokale Wärmenetz angeschlossen werden könnten. Dann ließen sich Investitionen in die Wärmetechnik einzelner Gebäude vermeiden.

Wie sieht es mit Wasserstoff als Gasersatz für Haushalte aus?

Lars Petereit: Wärmepumpen sind wesentlich günstiger, verfügbarer und technisch ausgereifter als Wasserstoffheizungen. Wasserstoffheizungen statt Wärmepumpen machen das Gesamtsystem ineffizienter und inflexibler. Wenn man dem Gasnetz beispielsweise 20 Prozent Wasserstoff beimischen wollte, müssten praktisch alle Haushaltsgeräte wie Heizung und Gasherd ausgetauscht werden. Das sind wieder hohe Investitionskosten, die einer geringen Treibhausgaseinsparung entgegenstehen. 20 Prozent Wasserstoffbeimischung würden aufgrund des niedrigeren Heizwertes der Gasmischung im Vergleich zu Erdgas nur zu einer Emissionseinsparung von rund sieben Prozent führen. Um Klimaneutralität zu erreichen, müsste der Beimischungsgrad kontinuierlich erhöht werden, was technisch nur sehr schwer möglich ist. Im Vergleich dazu ist der Ausbau der Stromnetze für Wärmepumpen, der durch der Elektromobilität ohnehin nötig ist, auch volkswirtschaftlich der bessere Weg.  

Wollen Sie über die Energiewende auf dem Laufenden bleiben? Dann abonnieren Sie einfach den kostenlosen Newsletter von ERNEUERBARE ENERGIEN – dem größten verbandsunabhängigen Magazin für erneuerbare Energien in Deutschland!

Welche Rolle wird die KWK künftig noch spielen?

Lars Petereit: Der Transformationsprozess der Fernwärme, wo oft KWK eingesetzt wird, muss schnell vorangebracht werden. Jede Förderung der Wärmeerzeugung durch fossile Energieträger ist daher ein Fehlanreiz, selbst wenn das in Form von Erdgas-KWK und eingebunden in ein Wärmenetz erfolgt. Ein konsequenter Abbau dieser Fehlanreize reduziert auch den Förderbedarf für klimaneutrale Technologien in Wärmenetzen. Bei der Umsetzung des 65-Prozenz-Gebots darf es daher keine Bevorzugung von fossilen KWK-Anlagen geben. Auch für KWK-Anlagen muss der Einsatz von mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien zur Pflicht werden. Neue KWK-Anlagen, die dieses Kriterium nicht erfüllen, sollten nicht zugelassen werden. Andernfalls wäre hier für Umgehungen Tür- und Tor geöffnet.

Wie sieht es denn aus mit Engpässen auf dem erneuerbaren Wärmemarkt?

Lars Petereit: Die Wartezeiten liegen bei Wärmepumpen bei sechs Monaten und mehr. Für diesen Winter bekommt man also jetzt keine Wärmepumpe mehr. Aktuell sind die Handwerker, die Wärmepumpen einbauen können, voll beschäftigt. Die Branche geht davon aus, dass die Lieferkettenprobleme im nächsten Jahr geringer ausfallen, sodass hier mit einer Verbesserung zu rechnen ist. Es gibt auch noch ein großes Potential an Handwerksbetrieben, die noch keine Wärmepumpenprofis sind, aber nun erkennen, dass die Zukunft nicht in Öl und Gas liegt. Ich bin zuversichtlich, dass die Sanierungsquote gesteigert werden kann. In den 90ern wurden immerhin auch schon über eine Million Heizungen pro Jahr verbaut. Das Handwerk kann viel schaffen, wenn die Nachfrage gegeben ist. Der BNE fordert deshalb, dass die Wärmepumpe Standard werden muss – gemeinsam mit sauberer Fern- und Nahwärme.

Zur bne-Stellungnahme:
https://www.bne-online.de/de/news/detail/stellungnahme-einbau-heizungen-ab-2024/