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EEG-Novelle

TNT im Grundwasser?

Die Heinz-Sielmann-Stiftung hat sich einmal mehr gegen Pläne des Bundeskabinetts gewandt, Flächen in Naturschutzgebieten und Naturparks für Photovoltaik zu sperren. Nach dem Willen der schwarz-gelben Koalition soll es dafür ab Januar 2012 keine Vergütung mehr geben. „Die derzeitigen Pläne machen unser Vorhaben unmöglich, die Döberitzer Heide zu dekontaminieren“, sagte Michael Spielmann, Vorstand der Sielmann-Stiftung, auf einer Veranstaltung in Berlin. Die Sielmann-Stiftung und die Stiftung „100 Prozent erneuerbar“ hatten eingeladen, um die geplante EEG-Novelle zu diskutieren. „Mit Hilfe eines Solarparks wollten wir die Mittel erwirtschaften, um Munition und chemische Kampfstoffe aus dem Boden zu holen. Das Gebiet liegt in einer Naturschutzzone. Dort ist aber der Naturschutz unmöglich, weil niemand das Gelände betreten darf.“ Das bedeutet: Das als Vogelschutzgebiet deklarierte offene Heideland wird von Bäumen überwuchert, weil niemand die Sense schwingt. Die militärischen Altlasten im Boden rotten weiter vor sich hin. Akut besteht die Gefahr, dass Trinitrotoluol (TNT) oder Chemiewaffen ins Grundwasser gelangen. TNT ist nicht nur ein gefürchteter Sprengstoff, sondern auch ein gefährliches Umweltgift.

30 Prozent von Brandenburg

Das Gelände der Sielmann-Stiftung in der Döberitzer Heide umfasst rund 1.000 Hektar. De Stiftung hatte das Terrain für 2,5 Millionen Euro gekauft. Die Flächen gelten als besonders schutzwürdig, weil sich dort in den Jahrzehnten des Kalten Krieges zahlreiche Vogelarten angesiedelt haben. Rund 30 Prozent der Landesfläche von Brandenburg stehen aus diesem Grund unter Schutz. Nach der Wende hatte der Bund die ehemaligen Schießplätze den östlichen Bundesländern übereignet. Dass sie damals als Naturschutzgebiete ausgewiesen wurde, war ein großer politischer Erfolg der Umweltschützer. Aber faktisch hat sich der Bund damit aus der Verantwortung gestohlen, die Flächen von Sprengmitteln zu befreien. Die meisten dieser Gebiete dürfen bis heute nicht betreten werden, weil überall Granaten und Fässer im Boden liegen. Die mit dem Naturschutz verbundene Pflege der Landschaft ist aus Sicherheitsgründen überhaupt nicht möglich. „Der Naturschutz hat bundesweit nur 14 Millionen Euro im Jahr zur Verfügung, um Großprojekte zu unterstützen“, kritisiert Rocco Buchta, der für die SPD im Kreistag des Havellandes sitzt. Der Umweltexperte leitet das Projektbüro für das Schutzgebiet „Untere Havelniederung“ beim Naturschutzbund (Nabu) in Rathenow. „Man müsste viel mehr Geld in solche Aufgaben stecken.“ Dennoch hat Buchta gegen die Pläne der Sielmann-Stiftung opponiert, weil „man der Photovoltaik in den Naturschutzgebieten nicht Türen und Tore öffnen darf.“

Eine emotionale Debatte

Die wichtigste Aufgabe des Naturschutzes ist es, Flächen für die Artenvielfalt zu bewahren, sprich: sie zu pflegen und zu sichern. Deshalb wollte die Stiftung den Solarpark ursprünglich außerhalb des Naturschutzgebietes errichten, um die Einnahmen zur Dekontamination zu verwenden. Die SPD in der Region wies das dafür vorgesehene Areal jedoch als Gewerbegebiet aus. Das Problem der Kampfmittel – eine großflächige Zeitbombe für die Anwohner – will Buchta nicht diskutieren. Der scheinbare Konflikt zwischen Solaranlagen und Naturschutz wird geführt, als ob jemand Solarmodule in den Dschungel stellen will. Doch im Osten Deutschlands – das ist im Westen kaum bekannt – sind die meisten Naturschutzgebiete durch Munition, Kerosin und chemische Stoffe verseucht. „Natürlich ist Photovoltaik im Naturpark ein Tabu. Es kann aber durchaus sinnvoll sein, diese Flächen mit Einnahmen zu sanieren, die aus Sonnenstrom kommen“, kommentiert Christoph Heinrich, Geschäftsleiter für Naturschutz beim World Wildlife Fond. „Das sollte man im Einzelfall genau prüfen.“ Rainer Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, meint: „Der Naturschutz gehört nicht ins EEG, dafür reicht das bestehende Planungs- und Naturschutzrecht völlig aus. Die Kommunen und Naturschutzbehörden sollen vor Ort entscheiden, ob und wie sie Solaranlagen nutzen.“ So ist die Photovoltaik in Schutzgebieten bundesweit bisher die Ausnahme, auf spezielle Fälle wie frühere Militärareale beschränkt.

340 Hektar von Munition beräumt

Blaupause für die Sanierung der Döberitzer Heide ist der Solarpark Lieberose, südöstlich von Berlin. Dort wurde vor einigen Jahren ein großer Solarpark mit 160 Hektar Fläche aufgebaut. Die Einnahmen reichen aus, um diese Fläche und weitere 190 Hektar Naturschutzgebiet zugänglich zu machen. Umfangreiche Kampfmittel wurden aus dem Erdreich geborgen, chemische Altlasten saniert. Nun gilt Lieberose als Paradebeispiel für eine Symbiose von Artenvielfalt, Naturschutz und erneuerbaren Energien. Christoph Heinrich fasst die Erfahrungen zusammen: „Photovoltaik in Naturschutzgebieten birgt keine Gefährdung für die Biodiversität.“ Zwar gibt er Photovoltaik auf ertragsschwachen Ackerflächen den Vorzug, aber auch diese Flächenkategorie wird im EEG ausdrücklich ausgeschlossen. „Das EEG kennt die Konversionsfläche als Kategorie“, analysiert Dieter Günnewig, Landschaftsplaner bei Bosch und Partner. Er hat den Solarpark in Lieberose geplant. „Eine Konversionsfläche ist gekennzeichnet durch erhebliche Belastungen von Boden und Grundwasser. Genau dieses Problem haben wir hier, wie auf insgesamt 120.000 Hektar allein in Brandenburg. Einerseits sind die Flächen belastet, andererseits als Schutzgebiete ausgewiesen. Diesen Konflikt müssen wir bewältigen. Ein Solarpark kann die finanziellen Mittel schaffen, um die Altlasten zu beseitigen.“ Rene Mono von der Stiftung „100 Prozent erneuerbar“ sagt: „Der Bund kann im EEG nichts regeln, was nichts mit dem Ziel des Gesetzes zu tun hat. Das EEG hat die Aufgabe, die erneuerbaren Energien voranzubringen. Naturschutz ist Sache des Naturschutzrechts, und das reicht völlig aus. Dafür sind die Kommunen zuständig.“ (Heiko Schwarzburger)