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So wird Deutschland schon 2045 klimaneutral

Katharina Wolf

Bis 2050, so sehen es aktuelle Klimaschutzziele vor, wollen Deutschland und auch die EU klimaneutral sein. Dass es zumindest in Deutschland schneller gehen kann und somit zusätzlich 1 Milliarde Tonnen CO2 eingespart werden könnten, zeigt eine neue Studie, die im Auftrag von Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und Stiftung Klimaneutralität erstellt wurde.

Dazu sei nicht nur ein massiver Ausbau der erneuerbaren Energien nötig, sondern auch mehr Energieeffizienz, schnellere Elektrifizierung aller Sektoren und ein schnelles Hochlaufen der Wasserstoffproduktion, sagte Rainer Baake, Direktor der Stiftung Klimaneutralität.

Mehr grüner Strom für mehr Wasserstoff

Bereits 2030 müsse der Ausstieg aus der Kohle vollzogen werden, schreiben die Experten. Bisher ist das Ziel spätestens 2038.

Zudem müsse bis 2045 von einem steigenden Strombedarf auf 1.000 Terawattstunden (TWh) ausgegangen werden, um die Elektrifizierung von Verkehr und Gebäudesektor sowie die steigende Wasserstoffproduktion bedienen zu können, heißt es in der Studie. Wenn 2045 die Stromversorgung ausschließlich mit erneuerbaren Energien erfolgen soll, sei dafür eine installierte Leistung von 385 GW Photovoltaik, 145 GW Windenergie an Land und 70 GW Windenergie auf See nötig.

Trotzdem gehen die Autoren davon aus, dass Wasserstoff importiert werden muss, um den Bedarf zu decken. Eine enge Zusammenarbeit mit den Niederlanden und Dänemark bei der Produktion von grünem Wasserstoff in Offshore-Windparks sei hier eine denkbare Lösung, so Baake.

Verkehr: Keine neuen Verbrenner ab 2032

Auch im Verkehr sind deutliche Veränderungen nötig. Bis 2045 könne eine Elektrifizierung der Pkw-Flotte erreicht werden, sagte Christian Hochfeld, Direktor von Agora Verkehrswende. Bereits ab dem Jahr 2032 dürften dann keine Pkw mit Verbrennungsmotor mehr zugelassen werden.

Auch der Straßengüterverkehr könne bereits ab 2045 fast ausschließlich mit batterieelektrischen, Oberleitungs- und Brennstoffzellenfahrzeugen betrieben werden, ebenso wie Bus und Bahn. „Das ist eine große Herausforderung, wenn der dafür nötige Strukturwandel ökonomisch und sozial gelingen soll“, so Hochfeld.

Gebäude: Klimaneutrale Ein- und Zweifamilienhäuser

Im Gebäudebereich muss laut der Studie nach 2030 die Sanierungsaktivität beschleunigt werden, um Klimaneutralität schon 2045 zu erreichen. Die auf den Gesamtwohnungsbestand bezogene mittlere jährliche Sanierungsrate müsse zwischen 2030 bis 2045 auf annähernd 1,75 Prozent steigen. Zudem könne man Beispiel Ein- und Zweifamilienhäuser in Deutschland bis 2045 komplett mit Wärmepumpen versorgen.

Restemissionen? CCS als Lösung

Trotz aller Anstrengungen werde es einen Teil von nicht vermeidbaren Restemissionen geben, schreiben die Autoren der Studie. Sie entstehen vor allem im Landwirtschaftssektor durch biologische Prozesse in Böden beim Einsatz von Düngemitteln und bei der Tierhaltung. Auch bei industriellen Prozessen und in der Abfallwirtschaft verbleiben Restemissionen.

Die Studie rechnet mit 63 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten, das entspricht fünf Prozent der Emissionen des Jahres 1990. Sie sollen durch die Abscheidung und Speicherung von CO2 (BCCS /DCCS) vermieden oder kompensiert werden.

Mehr Tempo, weniger Hindernisse

„Klimaneutralität ist ein Rennen gegen die Zeit“, betonte Baake. Der einschneidende Kurswechsel in den Vereinigten Staaten verdeutliche die wachsende Dynamik bei der Klimaambition. Vor diesem Hintergrund liege die Frage auf der Hand, ob auch wir in Deutschland beim Klimaschutz schneller werden könnten. „Die Antwort ist ein klares ‚Ja‘. Was wir jetzt brauchen, ist der politische Wille, das auch umzusetzen.“

Hindernisse beim Ausbau der erneuerbaren Energien sieht Baake vor allem in fehlenden Flächen, dem Konflikt zwischen Klima- und Artenschutz sowie der Dauer der Genehmigungsverfahren. „Lösungsvorschläge liegen aber bereits vor oder werden erarbeitet“, so Baake.

Kritik an Beamtenmentalität

Patrick Graichen, Direktor von Agora Verkehrswende, unterstrich die Bedeutung, die eine ambitionierte Klimaschutzpolitik für den Standort Deutschland habe. „Die globalen Leitmärkte in Nord-Amerika, Europa und Asien orientieren sich jetzt alle am Leitbild der Klimaneutralität. Wenn die deutsche Industrie der Technologielieferant für die Welt in Sachen Klimaneutralität sein will, muss sie der Entwicklung in anderen Ländern immer ein Stück voraus sein.“

Dazu brauche es ein Umdenken. „Es muss jetzt darum gehen: Investitionen first, Bedenken second“, so Graichen. Derzeit sei aber Deutschland eine blockierte Gesellschaft. Beim Thema Energiewende herrsche eine Beamtenmentalität, kritisierte er.

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