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Leichter gut aufgestellt

Tilman Weber

Zunehmende Turmhöhen und Rotorblattlängen und entsprechend neue Fundamentgrößen sind für Klaus Deininger kein Gradmesser für Schadensanfälligkeiten. Der Chef des Betonsanierungsunternehmens KTW Umweltschutztechnik weiß nach Behandlung von gut 3.500 Sockeln durch sein Unternehmen in 16 Jahren, dass Risse und abgeplatztes Material in allen Windparkjahrgängen vorkommen. Ihr Ausmaß hängt eher von der Verarbeitung als von Dimensionen ab, besagt diese Erfahrung. Zumal Deiningers Wartungsteams nun ausgerechnet auch Stahl-Beton-Hybridtürme pflegen: eine Konstruktion, die Höhenwachstum mit konservativen Prinzipien beherrschen lassen sollte. Doch im obersten Betonturmabschnitt mit dem eingelassenen Adapter zum Anflanschen der Stahlturmhälfte sind bei ersten Anlagen nach zehn Jahren unter den hier sehr großen Spannungen kleine Risse entstanden. Die Spezialisten stabilisieren diese Bereiche seit drei Jahren mit Bandagen aus belastungsstarken Abdichtungen und wappnen sie gegen eindringende Nässe (siehe Interview Seite 49).

Die einst eingeführte Hybridbauweise ist nicht die einzige etablierte technologische Antwort auf das Turmwachstum, bleibt aber als gut berechenbares Konzept im Rennen. Hier errichten Bauunternehmen einen bis zu 90 Meter hohen, sich nach oben verjüngenden Betonzylinder. Bodendurchmesser von bis zu 10 Metern sichern die Standfestigkeit. Darauf schließt der weltweit lieferbare Stahlturm an, dessen Röhren im Liegendtransport die viereinhalb Meter hohen Autobahnbrücken gerade noch passieren können.

Deininger hat eine gute Botschaft: „Türme und Fundamente sind von Ingenieurbüros entworfen, die ordentlich rechnen“, sagt der Experte, der den Arbeitskreis Gründungs- und Tragstrukturen der FGW leitet – der für Qualitätsstandards zuständigen Branchenorganisation. „Bei guter Bau- oder Produktionsausführung ist Standsicherheit auch künftig gegeben“, sagt er zu den in Beton nicht unüblichen Rissen. Und dank Innovationen der Sanierer blieben Schäden immer reparabel.

Gleichwohl müssen sich Fundament- und Turmspezialunternehmen dem Anlagenwachstum an Land mit vielfältigen Konzepten stellen. Klar, bei immer neuen Nabenhöhen zumal der schon angekündigten 164 bis 169 Meter erhöhen sich Hebelwirkungen auf Turm und Fundament. Rotordurchmesser von künftig 160 bis 170 Meter nehmen mehr Lasten in das Gesamtbauwerk auf.

Traditionelle Betonfundamentbauer wie Arning Bauunternehmung reagieren mit cleveren Strategien. Das Unternehmen aus dem münsterländischen Steinfurt gründet seit mehr als 20 Jahren Windenergieanlagen gemäß Vorgaben der Ingenieurbüros der Anlagenhersteller. 15 teils große Windparks im Jahr sind das Übliche. Doch das unterirdische kuchenförmige Bauwerk ist häufig schon so groß, um die Riesenanlagen noch ausreichend zu beschweren, dass die Baufirma mehrere Betonwerke gleichzeitig zur Anlieferung des Gussmaterials beauftragen muss. Und die Gusszeit sprengt den Tageslichtrahmen bei weitem. Arning Bauunternehmung ging daher dazu über, auf Kundenwunsch den Guss auch in zwei Abschnitte zu teilen, auch um die Arbeiter komplett bei Tageslicht hantieren zu lassen (siehe Interview Seite 50).

Zwar seien Betongussarbeiten in einem Abschnitt noch die Regel, sagt Stefan Busch als Leiter des Arning-Bereichs Windenergie. Doch die Vermeidung von Nachtschichten, ist er überzeugt, erhöht dank besserer Sicht die Qualität der Verarbeitung. Eine bessere Verdichtung reduziert dann Rissbildungen. Auch senken die Westfalen die Organisationskosten, indem sie als Komplettanbieter den Wegebau, Kabelverlegung, bei Repowering-Projekten den Fundamentabbruch mitsamt Wiederaufbereitung des Betons zum Windparkwegebau organisieren und die Gewerke auf der Baustelle beaufsichtigen. Zudem beraten sie bei der exakten Positionierung der Turbinen an Bergstandorten – entscheidet diese doch darüber, wo die Kräne sich platzieren lassen, ohne dass zu viel Erde zum Einebnen der Standfläche umzuschichten ist.

Eine Übersicht darüber, wie gut und innovativ das Gründen und Auftürmen aktueller und künftiger Anlagengrößen funktioniert, hat Tüv Süd. Das Prüf- und Zertifizierungsunternehmen ist mit seinem umfassenden Netzwerk und breiten technologischen Sachverstand an über 1.000 Standorten in 50 Ländern vertreten.

Teamleiter bei Tüv Süd für die Zertifizierung von Fundamenten und Türmen ist Stephan Mayer. Er beschreibt die Herausforderungen anhand weniger dominierender Entwicklungslinien: Während schon alleine durch die begrenzende Wirkung der Autobahnbrücken „ein einfaches Hochskalieren bestehender Turmkonzepte nicht möglich ist“, könnten auch die mobilen Kräne nicht beliebig große Lasten hochhieven. Tatsächlich teilen Turmbauer die Segmente in Bodennähe – ob aus Stahl oder aus Beton – längst in modulare Bauteile wie geschwungene Stahlplatten oder Halb- und Drittel-Beton-Schalen, die sie auf der Baustelle durch Schraub- oder Verguss-Systeme zusammenfügen.

Hingegen könnten „die bewährten Standardlösungen bei Fundamenten“ gemäß Mayers Beobachtung „grundsätzlich problemlos an größere Anlagen angepasst werden.“ Die „Weiterentwicklung auf neuartige Konzepte zur Reduktion des Materialeinsatzes und zur Verwendung von vorgefertigten Komponenten bei gleichzeitiger Optimierung der Fundamentlösungen“ sei aber absehbar (siehe Interview unten). Angesichts eines hohen Anteils des Materials an den Gesamtkosten sieht der Experte den Handlungsdruck: Felsanker zum Anheften der Fundamente an nahe unter der Erde liegendes Gestein wie in Skandinavien könnten Bauwerksgrößen ebenso reduzieren lassen wie aufgelöste Strukturen.

Schon größere Konzerne haben sich wohl am Fertig-Fundamentbau versucht. Durchgesetzt haben sie sich nicht. Das könnte und will Anker Foundations im hessischen Lichtenfels ändern. Gegründet von Ingenieuren wie dem Entwickler der ehemaligen Holzturmfirma Timber Tower, Gregor Prass, definiert sich das 13 Mitarbeiter zählende Unternehmen als „Auftrags-Entwickler und Hersteller von Fertigteil-Fundamenten für Windenergieanlagen“. Es entwickelte einen Bausatz mit nur vier Gussformen. Der Prototyp ging jüngst als Fundament unter einer drei Megawatt (MW) leistenden Enercon-Anlage E-115 mit 149 Meter Nabenhöhe in Betrieb. Auf fünf weiteren Anker-Fundamenten für größere E-126-Turbinen stehen schon die Türme.

Zuvor sei die Branche bei der Berechnung von Beton-Fertigteilelementen für Fundamente „nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen gekommen“, sagt Verkaufschef Christof Strebe. Doch binnen drei Jahren entwickelte das Unternehmen ein Set, das bis zu 70 Prozent Volumen einspart und das sich auf Standard-LKW ohne Sondergenehmigungen oder gar Eskortierung durch Sicherheitspersonal anfahren lässt. Die Bauteile formen in der Mitte einen Ring und greifen wie Baumwurzeln aus. Die eingesparte Masse als Faktor der Standsicherheit gleicht die Struktur durch ihre Beschwerung mit dem Erdaushub aus. Preisreduzierend soll auch ein seltenerer Sanierungsbedarf wirken, den der Betonguss in einer wohl temperierten Halle einbringt (siehe Interview unten). Anker Foundations plant 2022 eine eigene Fertigung zu eröffnen – nachdem es die Bauteile weiter verfeinert hat. Bis dahin will es unter anderem noch ein wenig Stahl einsparen.

Stahl sparen am anderen Ende stellt ESM in Aussicht. Die ebenfalls in Hessen ansässige ESM Energie- und Schwingungstechnik Mitsch GmbH entwickelt seit knapp zehn Jahren vielfältige Schwingungstilger. Sie lassen sich in dünnwandiger ausgelegten hohen Stahlzylindertürmen am Ansatz für den Drehkranz des Maschinenhauses anbringen sowie in einem oberen und einem mittleren Turmsegment, um Schwingungsamplituden einzudämmen (siehe Interview Seite 54). Turmdesigner stützen ihre Wanddickenberechnungen für diese weicher werdenden Leichtbauten bereits auf die Schwingungen eindämmende Wirkung der Tilger.

Diese nutzen zur Dämpfung Hydraulik, Wirbelstromtechnik oder Impulse eines gegen ein Gummi schleuderndes Masseteil. Die fünf bis zehn Tonnen schweren Komponenten schwingen gegenläufig zu den Turmauslenkungen – und erfordern je nach Anlagengröße eine Investition im fünf- bis sechsstelligen Eurobereich. Auch gegen das Aufschwingen der Türme auf Baustellen helfen sie, wenn steifer Wind weht, aber die Rotoren noch nicht montiert sind. Und mit einem Rolltilger im Maschinenhaus lassen sich Hebelwirkungen ins Fundament dämpfen.

Lukas Schneider stellt als Abteilungsleiter für die Schwingungstilger klar, dass die Nachfrage nach den Turm-Schlankmachern aus seinem Hause längst global ist: Mit einer chinesischen Tochtergesellschaft bedient das 120 Mitarbeiter zählende Unternehmen auch den größten Windenergiemarkt.

Neue Fakten schafft der Markt selbst – wie den Bedeutungsverlust der Hybridturmbauweise und der unabhängigen Anbieter für modulare Fertigbeton-Turmsockel. Die Anlagenhersteller haben sich ihre Zulieferketten für eigene modulare Turmbaukonzepte aufgebaut. So stellt die Nordex-Gruppe sogar die Fertigteile reiner Betontürme selbst her. Seit 2020 machen die für sie neu errichteten Hybridtürme keine vier Prozent mehr der Windparknennleistungen aus, im Vergleich zu knapp 30 Prozent der reinen Betontürme durch Projekte vor allem in Lateinamerika, USA, Südafrika und Spanien sowie einem Anteil von zwei Dritteln für reine Stahltürme. Das größere Siemens Gamesa setzt auf Hybrid- und Stahlzylindertürme aus eigener Entwicklung in Zusammenarbeit mit Zulieferern. Die frühere Zusammenarbeit mit einem dänischen Entwickler modularer Stahltürme ist beendet. Weltmarktführer Vestas fertigt Stahlzylindertürme, wird das aber zugunsten von mehr Flexibilität in Zulieferernetzwerken aufgeben. Weltweit setzen die Dänen selbst entwickelte Stahlzylindertürme mit flexiblen Durchmessern am Boden und „vollständiger Modularisierung“ ein. Turbinenbauer Enercon arbeitet „mit externen Produktionspartnern, die die Turmkomponenten für Projekte mit Enercon-Windenergieanlagen in aller Welt herstellen“. Überall werde der Trend zu modularen Stahltürmen gehen, sagt Pressesprecher Felix Rehwald.

Auch Wölfel aus Höchberg bei Würzburg entwickelt und baut Schwingungstilger. Zudem sind Schwingungssensoren im Turm die Spezialität der Franken. So verweist Bastian Ritter, Produktmanager für Monitoring-Systeme, auf das von Wölfel beanspruchte Alleinstellungsmerkmal, Turm und Fundament als strukturelle Einheit mit Wechselwirkungen bei Schwingungen und Lasten zu berechnen. „Wir haben dieses Wissen in unsere Systeme zur Fundament- und Turmüberwachung einfließen lassen“, sagt Ritter. Eine ausgetüftelte Programmierung versorgt die Überwachungseinheit mit künstlicher Intelligenz.

Die mit KI abgekürzte Wirkung besteht darin, dass die Datenverarbeitung selbst lernend zu den statistischen Kurven immer neue Sachzusammenhänge herstellt. Dies lässt den exakten Verschleiß von Windturbinen bestimmen, die nach 20 Jahren die gesetzliche Absicherung einer guten Vergütung verlieren und im Stromhandel nun weniger verdienen. Wölfels zertifiziertes System bemisst die Restlebensdauer der Anlage und liefert die datentechnische Grundlage zum Weiterbetrieb. Darauf baut Wölfel das Gutachten auf, ohne das die Anlagen sonst nach 20 Jahren die Betriebserlaubnis verlieren.

Die Nachfrage ist enorm: Wölfel habe weltweit mehr als 3.000 Schwingungsminderungs- und Monitoringsysteme installiert, sagt Ritter. So verweist er auf eine in der Branche immer neu zu entdeckende Dauererkenntnis: „Ja, Kosten lassen sich weiter senken – Grenzen des Anlagenwachstums sind noch nicht erkennbar.“ Das gilt, solange zum Beispiel Strukturüberwacher wie Ritter immer genauer und früher schadhafte Belastungen erkennen und innovative Dienstleister wie Deininger sanieren. 

Sanierungsfall abgeplatzter Beton ...

Foto: KTW Unternehmensgruppe

Sanierungsfall abgeplatzter Beton ...
...und elastische Abdeckung bei feuchtem Untergrund

Foto: KTW Unternehmensgruppe

...und elastische Abdeckung bei feuchtem Untergrund
Torsten Laderholz, KTW Umweltschutztechnik, bei Sanierungsarbeit an einem Hybridturm

Foto: KTW Unternehmensgruppe

Torsten Laderholz, KTW Umweltschutztechnik, bei Sanierungsarbeit an einem Hybridturm
Aufgelöstes Fundament im Betonfertigbau von Anker Foundations: Gut zu sehen sind Lastverteilplatten zwischen den Rippen zur Beschwerung mit Erde.

Foto: Sam Green - Anker Foundations

Aufgelöstes Fundament im Betonfertigbau von Anker Foundations: Gut zu sehen sind Lastverteilplatten zwischen den Rippen zur Beschwerung mit Erde.
3 Sorten Schwingungstilger

Grafik ESM

3 Sorten Schwingungstilger
Schwingungsmesser

Foto: Wölfel

Schwingungsmesser
Stephan Mayer, Tüv Süd, im Windradaufstieg: mehr Höhe dank neuer Turmbaukonzepte

Foto: TÜV SÜD

Stephan Mayer, Tüv Süd, im Windradaufstieg: mehr Höhe dank neuer Turmbaukonzepte

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