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Dünn, leicht, Gleitantrieb pur

Forschende des Fraunhofer Instituts für Lasertechnik ILT entwickeln zusammen mit der Admos Gleitlager GmbH eine Komplettalternative zu massiven Wälzlagern für Windkraftanlagen. Ziel ist es, mit dem Extremen Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen EHLA günstige wartungsarme Gleitlager herzustellen. Das ressourcenschonende und wirtschaftliche Verfahren kann Gewicht und Kosten um bis zu 20, bis sogar 30 Prozent senken. Die Förderung des Entwicklungsprojektes kommt vom Bundesforschungsmininisterium.

Im Kern geht es darum, ob eine knapp 900 Mikrometer dünne EHLA-Beschichtung für Gleitlager eine genauso gute Gleitoberfläche bietet, wie die bis zu sieben Mal dickere gegossene Schicht in konventioneller Gleitlagerbauweise – bei vergleichbar niedrigem Reibungskoeffizienten.

Als Hersteller von Industrielagern beschäftigt sich Admos ständig mit Beschichtungen. Das Unternehmen gießt Gleitlager selbst. Doch die Suche nach einer Alternative hat längst begonnen. 2016 investierte Admos in eine eigene Laseranlage zum Laserauftragschweißen – kurz LAS, die das Unternehmen selbst konzipiert hatte. Die LAS-Anlage kommt zum Einsatz, um die typischerweise 2,5 bis 3,5 Millimeter dicken Gleitlagerschichten zu ersetzen. Die Lagerspezialisten tragen mit ihr auf dem Grundkörper mehrlagig mit 5 bis 6 Kilowatt Laserleistung 1,0 bis 1,5 Millimeter dicke Schichten auf.

Im Forschungsprojekt müssen wir nun herausfinden: Gehen nicht noch dünnere Schichten?

Die bisherigen Erfahrungen mit dem Laserauftragschweißen sind gut. In den Einsatz gelangten seit 2017 rund 10.000 unserer laserauftraggeschweißten Gleitlager, an denen bisher keinerlei Schäden auftraten. EHLA eignet sich besonders für temperaturempfindliche, rotationssymmetrische Bauteile mit sehr dünnen Laufschichten.

0,856 Millimeter dünn ist die mehrlagige Beschichung der Gleitrotationsbahn, die den Entwicklungspartnern Admos Gleitlager und Fraunhofer ILT beim sogenannten Laserauftragschweißen gelang. Dazu nutzten sie den Verfahrensprozess Extremes Hochgeschwindigkeits-Laserauftragschweißen beziehungsweise Extreme high-speed laser material deposition (ELHA).
ELHA-Gleitlager
lassen somit beim Getriebebau 20 bis 30 Prozent an Gewicht und Kosten sparen.

Maßgeschneidertes Pulver

Eine Spezialität bei Admos sind selbstentwickelte Beschichtungen wie zum Beispiel das höherfeste Weißmetall Admiro 56. Auch beim metallischen 3D-Druck setzt das Unternehmen auf maßgeschneidertes Pulver. Das Laserauftragschweißen lässt nun auch neue Werkstoffkombinationen wie Zinnlegierungen mit deutlich höheren Kupferanteilen oder Kupferlegierungen mit eingelagerten Festschmierstoffen zu, die sich gießtechnisch bisher nicht oder nur schlecht verarbeiten ließen. Ein zunehmender Bestandteil der Arbeit bei Admos besteht darin, die Werkstoffe für das Verfahren zu optimieren.

Vor allem die hohe Ressourcen- und Energieeffizienz überzeugt. So kommen wir bei EHLA beim einlagigen Beschichten bereits mit etwa 500 Mikrometer aus.

Beide Partner erproben die neue Prozesskette bereits. Der Zeitpunkt dazu ist sehr günstig – angesichts der enorm steigenden Preisen für Energie und Material. Das Laserverfahren lässt sogar rund 90 Prozent Energiebedarf einsparen im Vergleich zum Gussverfahren. Dafür, das Gießen immer weiter zu ersetzen, spricht auch, dass die Hälfte der Schmelztiegel unserer Gießerei mit Gas arbeiten.

Außerdem lassen die Beharrungskräfte der Windkrafttechnik nach: Hier dominieren nach wie vor die Wälzlager. Wir feilen mit einem namhaften, deutschen Hersteller von Antrieben für Windkraftanlagen seit 2017 an einer Gleitlager-Lösung. Bislang hielt sich in der Branche in Bezug auf Gleitlager noch eine Skepsis vor einem hohen technischen Risiko. Es steht aber ein Paradigmenwechsel an. Für Gleitlager spricht, dass sie enorme Leistungssteigerungen erlauben. Daher wird sich diese Lösung durchsetzen, wobei die Lasertechnik für diesen Anwendungsfall noch nicht 100-prozentig serienreif ist.

Doch die Entwicklung bleibt nicht stehen: Seit 2004 erste Gleitlager in großen Fünf-Megawatt-Windturbinen zum Einsatz kamen, hielt sich der Branchen-Vorbehalt: Gleitlager kommen nur für die Getriebevorstufe infrage, in der Hauptstufe nur Wälzlager. Nun fragen Kunden zunehmend, ob sich die Getriebe auch rein mit Gleitlagern ausführen lassen. Das lässt sich eindeutig bejahen.

Die richtige Laser-Beschichtung spart einerseits Gewicht im Vergleich zu schwereren und größeren Wälzlagern. Berechnungen gehen davon aus, dass sich Gewicht und Kosten um 20 bis 30 Prozent senken lassen. Selbst ein dreistufiges Windkraft-Getriebe lässt sich komplett mit Gleitlagern auslegen. Dafür sind freilich unter anderem das Design, die Beschichtung, die Ölzufuhr und Werkstoffe zu optimieren. Im ersten Schritt empfiehlt sich zum Beispiel der Einsatz von Werkstoffen, mit denen bereits im Feld gute Erfahrungen gemacht wurden. Im zweiten Schritt muss der Werkstoff an die einzelnen Getriebestufen angepasst werden.

Beim Wechsel zum Gleitlager entfallen bei einem dreistufigen Getriebe 17 bis 18 Wälzlager mit 200 bis 400 Millimeter Bohrungsdurchmesser. Diese spart man komplett ein, weil das Zahnrad direkt auf der beschichteten Welle läuft, die sowieso hergestellt werden muss. Weil der Lager-Bauraum also kleiner ausfällt, lässt sich in dieselbe Gondel andererseits auch ein deutlich leistungsstärkeres Getriebe einbauen, das nicht schwerer als das bisher eingesetzte Antriebselement ist.

Konkret führten die gemeinsamen Versuche von Admos und Fraunhofer ILT bei mehrlagiger Beschichtung zu einer EHLA-Schichtdicke von nur 856 Mikrometer. Der Prozess erforderte eine extrem geringe Wärmeeinwirkung und erreichte hohe Materialeffizienz: Erstens gehen 95 Prozent des eingesetzten Pulvers direkt in die Beschichtung. Und zweitens bewirkte das EHLA eine besonders endkonturnahe Beschichtungsoberfläche bei Rauheiten von wenigen Mikrometer.

Das spricht übrigens für beide Laserbeschichtungsverfahren. Bei LAS und bei EHLA sinkt im Vergleich zum Schmelzgießen der Aufwand für mechanische Nachbearbeitung.

Neues Gleitlager kurz vor der Nullserie

Die Entwicklung befindet sich jetzt im Prototypstadium auf dem Weg zur Nullserie. Es gilt nun einiges an der Lasertechnik noch zur Serienreife zu bringen.

Am Ende ergeben die 20 bis 30 Prozent Gewichtseinsparung beim Wechsel von Wälz- zu Gleitlagern sogar rund 70 Prozent Materialeinsparung. Denn eine Gießerei lässt sich nur zu einem gewissen Grad automatisieren. Beim Gießen wird großzügig aufgetragen und dann soweit abgetragen, wie benötigt Die Produktionsgenauigkeit ist abhängig von der Fachkenntnis des Gießers. Beim Laserverfahren gibt es dagegen ein Programm, das mit der Eingabe von Parametern bei entsprechender Überwachung und Automatisierung das Verfahren 100-prozentig genau vervielfachen lässt.

Auch außerhalb der Windkraft lässt sich das Verfahren für die Energiewende nutzen: In der Fahrzeugtechnik zum Beispiel für die Wasserstoffverbrennung, die neue Lagerkonzepte benötigt, weil ganz andere Drücke und Temperaturen herrschen. Wir müssen allerdings für jede neue Applikation die Werkstoffauswahl auf die Probe stellen und den Laserprozess auf den Bedarfsfall anpassen. Aufgrund jahrelanger Erfahrung sehen wir für beide Gebiete eine aussichtsreiche Zukunft. W

Autoren

Jörg Hosemann,
Geschäftsführer, Admos Gleitlager

Foto: ADMOS

Matthias Brucki,
Gruppenleiter für Prozessentwicklung zum Laserauftragschweißen, Fraunhofer ILT

Foto: Fraunhofer ILT

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