Herr Müller, Offshore-Windparks gelten als besonders anspruchsvoll in Betrieb und Wartung. Was sind aus Ihrer Sicht die größten Herausforderungen für Betreiber?
Christian Müller: Offshore-Windparks sind tatsächlich extremen Bedingungen ausgesetzt – Salzwasser, hohe Wellen, starke Winde. Das beansprucht die Technik enorm. Gleichzeitig sind Wartungseinsätze auf See logistisch aufwendig und teuer. Ungeplante Stillstände oder Schäden an Turbinen können schnell zu erheblichen Produktionsausfällen und Kosten führen. Für Betreiber ist es deshalb essenziell, den Zustand der Anlagen kontinuierlich und präzise zu überwachen, Risiken frühzeitig zu erkennen und Wartungsmaßnahmen optimal zu planen. Herkömmliche Systeme stoßen hier oft an ihre Grenzen, weil sie zwar viele Daten liefern, diese aber häufig unstrukturiert sind und keine fundierte Entscheidungsgrundlage für ein wirklich risikobasiertes Wartungsmanagement bieten.
Sie haben mit Ihrem Unternehmen Wind Service Offshore GmbH das KI-gestützte Performance-Management-System Predixxion entwickelt. Was macht diese Lösung so besonders?
Christian Müller: Predixxion ist unser neuer Standard in der Betriebsführung für Windparks – sowohl an Land als auch auf See. Die Plattform nutzt Methoden des Big Data Managements, der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens, um aus der Flut an Betriebsdaten wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Ziel ist es, Überraschungen im Betrieb zu vermeiden, Ausfallzeiten zu minimieren, den Energieertrag zu maximieren. Unsere Technologie analysiert kontinuierlich riesige Mengen an Betriebsdaten aus unterschiedlichsten Quellen – von SCADA-Systemen über Condition-Monitoring-Systeme bis hin zu Wartungsinformationen. Die KI überwacht die Leistung, erkennt Anomalien und prognostiziert Fehlertrends, bevor sie zum Problem werden.
Wie unterscheidet sich Ihr Ansatz konkret von der bisherigen Praxis in der Betriebsführung?
Christian Müller: Im Unterschied zur heutigen Praxis wertet unsere digitale Anwendung den gesamten Datenbestand strukturiert und täglich aus und schafft damit die Grundlage für Serviceentscheidungen. Heute bekommen Betriebsführer auf ihren SCADA-Systemen die Alarmmeldungen, müssen diese aber wegen Überlastung der Mitarbeiter oft hintenanstellen. Steht eine Maschine vor dem Ausfall, suchen sie Informationen aus verschiedenen Datenquellen, die meist nicht strukturiert abgelegt sind. So können Betriebsführer eher nur an der Oberfläche kratzen. Wir digitalisieren dagegen alle Betriebsdaten und Instandhaltungsinformationen und überprüfen kontinuierlich regelmäßig den Turbinenzustand bezüglich Leistungsverlusten und Degradation von Komponenten.
Können Sie den Ablauf der KI-gestützten Analyse mit Predixxion näher erläutern?
Christian Müller: Die KI nimmt zuerst eine Anomalien-Detektion vor: In welchen Datenkanälen der Turbine treten Abweichungen auf? Sind sie erkannt, reichert das Programm sie unter Einsatz der Künstlichen Intelligenz mit weiteren Betriebsdaten an und analysiert: Welcher Ertrag fehlt heute? Welches Risiko besteht künftig? Betriebsführer erkennen anhand einer Auflistung grün, gelb, orange und rot markierter Anomalien die kritischsten Punkte und können bei Abweichungen gezielt und priorisiert eingreifen.
Was sind die wichtigsten Vorteile von Predixxion für Betreiber von Windparks?
Christian Müller: Die wichtigsten Vorteile sind: Erstens die kontinuierliche präzise Überwachung durch Big Data Management, Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen. Zweitens die Optimierung des Betriebszustands der Turbinen – wir maximieren die Effizienz, minimieren Ausfallzeiten und verlängern die Lebensdauer der Anlagen. Drittens ermöglichen wir ein risikobasiertes Betriebs- und Wartungsmanagement, das unerwartete Ausfälle minimiert und für eine zuverlässige und stabile Leistung sorgt. Viertens reduzieren wir Kosten und maximieren den Energieertrag, was die Wirtschaftlichkeit des Windparks deutlich steigert. Und schließlich ist unsere Technologie sowohl für Onshore-, als auch für Offshore-Windparks geeignet.
Wind Service Offshore GmbH
Sie haben eine Förderung vom KI-Transfer-Hub Schleswig-Holstein erhalten. Was sind Ihre nächsten Entwicklungsschritte?
Christian Müller: Die Förderung ermöglicht es uns, Predixxion gezielt weiterzuentwickeln. Unser Fokus liegt darauf, dass das Analyse-Tool künftig nicht nur Anomalien erkennt, sondern auch deren Ursachen automatisiert analysieren kann. Damit werden unsere Handlungsempfehlungen für Betreiber noch präziser und die Serviceprozesse weiter optimiert.
Inwiefern profitieren Sie als Unternehmen von Ihrer eigenen Service-Expertise?
Christian Müller: Das ist tatsächlich ein Schlüsselfaktor. Wir beiden Firmengründer, Dirk Reinhold und ich, kommen vom Windturbinenhersteller Senvion und bringen viele Jahre an Service-Erfahrung mit. Dieses Domänenwissen nutzen wir, um ein anwendungsfreundliches und praxisnahes Produkt zu entwickeln, das sich an den Bedürfnissen der Betreiber orientiert.
Wie ist die Resonanz der Branche auf Predixxion? Gibt es bereits erste Praxiserfahrungen?
Christian Müller: Ja, Predixxion ist bereits in mehreren Projekten im Einsatz – sowohl an Land als auch auf See. Die Rückmeldungen der Betreiber sind sehr positiv. Sie bestätigen, dass die KI-basierte Analyse eine völlig neue Qualität der Zustandsbewertung und Wartungsplanung ermöglicht. Wir arbeiten eng mit Windparkbetreibern und Serviceunternehmen zusammen, um die Digitalisierung der Betriebsführung weiter voranzutreiben und unsere Lösung in einem signifikanten Anteil der deutschen und europäischen Offshore-Windparks zu etablieren.
Welchen Beitrag leistet Predixxion Ihrer Meinung nach zur Energiewende und zur Zukunft der Offshore-Windenergie?
Christian Müller: Mit Predixxion ermöglichen wir eine zukunftssichere, effiziente und nachhaltige Betriebsführung von Windparks. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz, Big Data und maschinellem Lernen werden Risiken minimiert, Kosten gesenkt und die Energieproduktion maximiert. Das ist ein bedeutender Schritt für die zuverlässige Nutzung erneuerbarer Energien und die Erreichung der Klimaziele. Wir sind überzeugt, dass digitale Lösungen wie Predixxion einen entscheidenden Beitrag für die Energiewende leisten werden.
Herr Müller, vielen Dank für das Gespräch!
Mehr Informationen unter: predixxion.com
