Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Kommentar zur E-World

Visionär: Virtuelles Kraftwerke

Über 20.000 internationale Fachbesucher lockt die E-World dieser Tage nach Essen, die Messe der Energie- und Wasserwirtschaft. Ein enorm wachsender Ausstellungsbereich ist dabei das Thema Smart Energy. Mehr und mehr Unternehmen stellen dort Lösungen zu intelligent steuerbaren Netzen, digitalen Zählern und Energietechnik vor. Das ist spannend. Denn wir erleben hier eine Branche im massivem Umbruch. Das digitale Zeitalter ist der Energiewirtschaft ist in diesem Jahr so präsent wie noch nie. Kein Wunder.

Der Wandel von den zentralen Kraftwerksstrukturen hin zu kleinen, dezentralen Strukturen ist wirtschaftlich nur durch Digitalisierung zu erreichen. Es bedarf der digitalen Intelligenz, wenn volatile Wind- und Sonnenenergie mit großen und kleinen Verbrauchern zusammengeschaltet werden. Maßgeblich hat dieser beeindruckende und stürmische Innovationsrausch mit gesetzlichen Vorgaben zur Markt- und Netzintegration zu tun. Direktvermarktung und auch Anreize wie der Flexibonus haben einer neuen Generation von Energiehändern zum Durchbruch verholfen, die die kleinen Regenerativanbieter zu einem gut funktionierenden Ganzen zusammenschließen.

Energy2Market, Steag und Eon setzen auf das virtuelle Kraftwerk

Um den Aufbau von virtuellen Kraftwerken ging es in einer Podiumsdiskussion auf dem Energy Transition Forum am Messe-Dienstag auf der E-World in Essen. Was ist überhaupt ein virtuelles Kraftwerk? Viele lehnen diese Definition ab wegen der negativen Assoziation fossiler Großstrukturen. Hier ist es stattdessen so, dass Energiehändler die Vermarktung von Strom aus vielen kleinen Kraftwerken anbieten, die zu einem Kraftwerkspool zusammengefasst werden. Energy2Market ist ein Energiehandelshaus, das sich auf die Direktvermarktung von Energie aus EEG- und KWK-Anlagen spezialisiert hat und bereits Erfahrungen mit dem virtuellen Kraftwerk gesammelt hat. Andreas Keil, Gründer, Gesellschafter und Geschäftsführer der Energy2market GmbH, nahm an der Podiumsdiskussion teil. Sein Unternehmen hat 3,5 Gigawatt dezentrale, fossile und erneuerbare Energien im Portfolio. Er weist darauf hin, dass nicht wie oft angenommen die Windkraft-Flauten das Problem der volatilität seien, sondern eher zu viel Wind.

Auch dafür gibt es Lösungen. Der von Statkraft direktvermarktete Windpark Dornum lieferte im Januar 2015 erfolgreich fünf Megawatt negative Minutenreserve, wie auf der E-Word heute bekannt gegeben wurde. Das Windenergieunternehmen Enertrag entwickelte schon vor Monaten gemeinsam mit dem Direktvermarkter Gesy Green Energy Systems und der Stadtwerke-Kooperation Trianel ein Verfahren, um mit der Windenergie am Sekundär- und Minutenreservemarkt teilzunehmen. Regenerativquellen vom BHKW über PV bis hin zur Windkraft können sogar teuren Strom für Spitzenlast liefern, wenn sie gedrosselt gefahren werden und nur bei explodierendem Bedarf hochgefahren werden.

Lastmanagement

Harald Bradke, Leiter Competence Center Energietechnologien und Energiesysteme am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI, warf im Rahmen der Diskussionsrunde um virtuelle Kraftwerke das Thema Lastmanagement auf. „Eine Flexibilisierung der Nachfrageseite ist dringend erforderlich“, so der ISI-Professor, der auch Mitglied im Sachverständigenrat für Umweltfrage ist. Markus Laukamp, Geschäftsführer Vertrieb der Steag New Energies GmbH, die ebenfalls ein virtuelles Kraftwerk betreibt, bestätigte, dass Lastmanagement längst eine Rolle spielt. Allerdings seien die Anreize für die Industrie gering. Dabei waren sich alle einig, dass es wenig Sinn macht, Millionen Haushalte mit smarten Haushaltsgeräten auszustatten, wenn man den gleichen Effekt mit ein paar Industrieanlagen erreicht. Nur: Für den Anreiz müsste der Strompreis erstmal steigen.

Fest steht, die Entwicklung des virtuellen Kraftwerks ist mit beeindruckender Geschwindigkeit voran gekommen: Erinnern wir uns nur daran, dass noch 2007 das solare Kombikraftwerk in der Vorstellung einiger Politiker die Lösung für den Regenerativstrom im Netz sein sollte. Viele kleine Kombikraftwerke. Die jetzige Lösung ist da viel eleganter. Regenerative Erzeuger über ganz Deutschland verteilt und jeder Größe werden in verschiedensten Pools zusammengefasst und als Gesamtkraftwerk an der Börse oder als Regelenergie verkauft. Super Sache. Wichtig nur: Der Internetzugang darf nicht ausfallen, oder gehackt werden. (Nicole Weinhold)