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Sonne statt Segel

Fabian Kauschke

Das Lauteste, was man hören kann, ist das leichte Plätschern der Wellen gegen den Bug. Ansonsten ist nur ein mildes Surren wahrzunehmen, das schon nach kurzer Zeit in den Hintergrund rückt. Geräuschlos fährt es seit Oktober über die Spree in Berlin, das deutschlandweit erste Solarpostschiff. Mit Strom aus einer Photovoltaikanlage vom Dach des Schiffes angetrieben, werden nun täglich Hunderte Sendungen durch die Hauptstadt gefahren, ohne Emissionen zu verursachen. Das gelingt der Deutschen Post DHL mit ihrem Pilotprojekt zur Wassermobilität durch Solarenergie.

Um acht Uhr beginnt die Reise. Fahrtwind kommt bei bis zu zwölf Kilometern pro Stunde nicht auf. Ungemütlich und kalt ist es an diesem Novembertag dennoch. Richtung Osten durch den leichten Nebel fahrend, entschädigt zu dieser Zeit jedoch ein spektakulärer Sonnenaufgang für die frostige Witterung.

„Als nachhaltig agierender Hafenlogistiker begrüßen wir die Verkehrsverlagerung auf Wasserstraßen.“

Petra Cardinal,Geschäftsführerin Behala

Vom Südhafen zum Westhafen

Die Route startet am Südhafen Spandau und hat den Westhafen als Ziel, der stadteinwärts gelegen ist. Die Ladung wurde im Vorhinein aus dem Paketzentrum Börnicke bei Nauen transportiert und verladen. Am heutigen Montag sind zwei Paketwagen an Bord gebracht worden. Im Regelfall sind vier bis fünf mit insgesamt 250 Paketen vorgesehen. Für Schiffsführer Matthias Ender ist die Fahrt mit dem Solarpostschiff schon fast Routine. „Das Verkehrsaufkommen auf der Spree ist insbesondere zu dieser Tageszeit ruhig und nur wenige andere Schiffe sind anzutreffen“, sagt er.

Die Schleusung in Charlottenburg auf dem Weg nach Westhafen dauert keine Viertelstunde. Nach rund 100 Minuten ist das Ziel erreicht und die Ladung kann verteilt werden. Die Pakete sind für private Haushalte bestimmt und werden daher mit dem Lastenrad weitertransportiert. Übrigens: Die mehr als 1.700 elektrischen Lastenräder der DHL Berlin haben eine Kapazität von bis zu 80 Zustellungen.

Bei Sonne unbegrenzte Möglichkeiten

Das Schiff besitzt eine Länge von 10,50 Meter und eine Breite von 2,50 Meter. Mithilfe der Photovoltaikanlagen wird Strom für den Antrieb und die Bord­energie gewonnen. „Während der Sommermonate mit viel Sonnenlicht decken sich die Solar­strom­erzeugung und der Verbrauch des Schiffs. Jetzt im Winter wird man circa alle drei Tage zuladen müssen – mit Landstrom“, so Louise Ahrens, COO der Reederei Solarwaterworld, die mitverantwortlich für den Bau des Schiffs ist.

Scheint die Sonne, ist die Fahrtdauer unbegrenzt. Darüber hinaus ist es möglich, mit dem Schiff sechs bis acht Stunden mit Batteriestrom zu fahren. Als Speicher werden wiederverwertete Lithium-Ionen-Batterien verwendet. Diese sind bereits zwölf Jahre alt, besitzen jedoch noch annähernd ihre volle Leistung. Die Ladekapazität der Batterien beträgt 480 Ampere pro Stunde. Für potenzielle weitere Schiffe ist geplant, vollständig recyclebare Salzwasserbatterien zu verbauen. Diese verwenden eine konzentrierte Salzlösung als Elektrolyt. Die Antriebskraft des Schiffs beläuft sich auf fünf Kilowatt. Bei vorgeschriebenen zwölf Kilometern pro Stunde für Transportschiffe auf Berliner Wasserstraßen ist der Verbrauch sparsam.

250 Paketsendungen werden im Schnitt täglich vom Solarschiff transportiert.

Projekt zur Nachhaltigkeitsstrategie

Die Idee für das Projekt besteht seit Mitte des vergangenen Jahres; bis zur Umsetzung hat es rund elf Monate gedauert. Projektpartner der DHL sind die Berliner Hafen- und Lagergesellschaft Behala und die Reederei Solarwaterworld. Hervorgegangen aus dem Institut für Solarschiffbau, führt die Solarwaterworld AG wissenschaftlich-theoretische, technische und praktische Expertise mit weltweiter Vermarktung und Lizenzierung zusammen.

„Als nachhaltig agierender Hafenlogistiker begrüßen wir jede Verkehrsverlagerung auf die Wasserstraßen. Dies ist ein erster Schritt für ein größeres Netzwerk im Güterverkehr mit kleinen Schiffseinheiten auf der Wasserstraße“, sagt Petra Cardinal, Geschäftsführerin der Behala.

Bisher konnte das Pilotprojekt reibungslos durchgeführt werden. Inzwischen werden täglich rund 250 Paketsendungen zugestellt. „Die Deutsche Post DHL Group prüft den Einsatz eines weiteren Solarbootes in Berlin und ist mit dem Land in Gesprächen, an den geplanten Haltepunkten des Solarbootes entlang der Wasserstraßen Packstationen oder auch Mikrohubs aufzustellen, um so die CO2-neutrale Zustellung weiter zu forcieren“, so Sven Goerke, Leiter der Niederlassung Berlin Paket. Die endgültige Skalierbarkeit des Solarschiffs soll erst im Juni 2023 abzusehen sein. Für Weiterentwicklungen wird unter anderem angestrebt, das Transportvolumen zu erhöhen.

Das Solarschiff ist eingebunden in die Nachhaltigkeitsstrategie der DHL. Im Jahr 2022 investierten die Deutsche Post und DHL Paket rund 300 Millionen Euro in Elektromobilität. Im Portfolio des Logistikdienstleisters befinden sich zurzeit weltweit 20.000 E-Fahrzeuge. Ziel ist zudem die Anschaffung von 400 (bio-)gasbetriebenen Lastwagen in den nächsten zwei Jahren.

Paketzustellung per Solarboot durch die Wasserstraßen Berlins

Foto: Deutsche Post DHL/Jens Schlüter

Paketzustellung per Solarboot durch die Wasserstraßen Berlins

Solarmobilität

Solarwaterworld hat bereits langjährig in Forschung und Betrieb von nachhaltiger Schifffahrt investiert. Das Berliner Unternehmen entwickelt und fertigt Solarsysteme und Zubehör zum Auf- und Umrüsten herkömmlicher Wasserfahrzeuge. Bereits 1994 gewann es mit einem solar betriebenen Prototyp die deutsche Solarbootmeisterschaft. Im Jahr darauf wurde die weltweit erste Solarboottankstelle in Berlin-Köpenick eröffnet. Der Fokus des aus dem Institut für Solarschiffbau in Hameln hervorgegangenen Unternehmens liegt auf Verleihsystemen im Tourismus sowie auf der Entwicklung von Konzepten für den öffentlichen Nahverkehr. Fünf Boote, die sich in der Größe und Ausstattung voneinander unterscheiden, gehören zur Flotte für den Verleihverkehr. 2018 begann der Bau von zwei solarelektrischen Fahrgastschiffen, die eine Kapazität von 180 Personen aufweisen sollen. Außerdem werden durch Solarwaterworld weltweit Projekte umgesetzt. In Ägypten ist beispielsweise der Aufbau einer solarelektrischen Schifffahrtslinie im Gange, die 20 Fahrgastschiffe und 20 Solar-Wassertaxen umfassen und somit 20.000 Liter Diesel pro Tag einsparen soll. Das Ziel des Berliner Unternehmens ist, die Gewässerbelastung durch Brennstoff zu vermindern und somit ökologische Alternativen voranzutreiben.

Weitere Informationen: www.solarwaterworld.de

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