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Handelsschranken gegen China – ein Kommentar

Brüssel legt neue Mindestimportpreise fest

Modulproduktion von Solarworld in FreibergTrotz Handelsschranken: Die Modulfertigung von Solarworld in Freiberg steht auf der Kippe. Immerhin will ein Investor nicht nur die Produktionslinien, sondern auch einen Teil der Mitarbeiter überhemen.Solarworld AG

Ist die Katze aus dem Haus, tanzen die Mäuse auf dem Tisch. Nun, die Katz ist noch nicht ganz weg. Aber der Modulriese Solarworld als Initiator der Antidumpingzölle gegen chinesische Modul- und Zellimporte schwankt heftig. Doch Rettung in Gestalt einer Investorengruppe ist in Sicht. Vielleicht tanzen die Beamten in Brüssel deshalb nicht allzu ausgelassen. Vielleicht ist es aber auch die Absicht, die Photovoltaik in Europa nicht zu stark werden zu lassen. Immerhin ist es gelungen, einen Lösungsvorschlag auf den Tisch zu legen, wie die Mindestimportpreise in den kommenden Monaten zu berechnen sind. Diese wurden als Kompromiss mit den chinesischen Modulherstellern an Stelle der Importzölle vereinbart. Unter diesem Mindestimportpreis darf kein Modul und keine Zelle in der EU verkauft werden.

Zunächst einmal ist es lobenswert, dass in den Brüsseler Amtsstuben die Tatsache endlich bis zur Erkenntnis herangereift ist, dass es zwei unterschiedliche kristalline Siliziumtechnologien in der Photovoltaikwirtschaft gibt, für die auch unterschiedliche Preise aufgerufen werden. Deshalb sollen künftig zwei verschiedene Mindestimportpreise gelten – einer für mono- und einer für polykristalline Zellen und Module.

polykristalline Zellen (€/Watt) monokristalline Zellen (€/Watt) polykristalline Module (€/Watt) monokristalline Module (€/Watt) Gegenwärtiger MIP

0,23 0,23 0,46 0,46

MIP ab Inkrafttreten der neuen Regulierung bis 30. September 2017

0,207 0,244 0,415 0,463

MIP vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2017

0,204 0,237 0,394 0,442

MIP ab 1. Januar 2018

0,201 0,231 0,372 0,421

Die Tabelle zeigt die Mindestimportpreise (MIP), wie sie von der Europäischen Kommission jetzt vorgeschlagen werden. In der ersten Spalte sind zum Vergleich die jetzt gültigen MIP aufgeführt.

Außerdem hat sich die Europäische Kommission vorgenommen, die Mindestimportpreise schneller an die Entwicklung der Weltmarktpreise für Module und Zellen anzupassen. Als Grundlage nimmt sie die Preise, die das Taiwanische Marktforschungsinstitut PV Insight veröffentlicht. Einzig Solarworld hatte die Angaben der Analysten aus Taiwan als Basis für die Preisbildung abgelehnt.

Anderthalb Jahre Rückstand

Bis zum Jahreswechsel stehen die Preise schon fest, unter denen die chinesischen Hersteller ihre Produkte in der EU nicht verkaufen dürfen. Danach sollen die Mindestimportpreise entsprechend der Lernkurve sinken, bis sie im September 2018 bei den tatsächlichen Marktpreisen angekommen sind, wie sie PV Insight für das erste Quartal 2017 veröffentlicht hat. Nein, das ist kein Schreibfehler. Die Mindestimportpreise hinken tatsächlich anderthalb Jahre hinter den tatsächlichen Marktpreisen hinterher, was nicht nur beim europäischen Branchenverbrand Solar Power Europe (SPE), sondern auch bei den Zollgegnern von der Solar Alliance for Europe (SAFE) zu Recht auf heftige Kritik stößt. „Die Europäische Kommission verpasst mit diesem Vorschlag eine weitere Möglichkeit, die Preise in Europa den Weltmarktpreisen anzupassen“, schimpft James Watson, Geschäftsführer von SPE.

Chinesen verkaufen ihre Module derzeit woanders

Damit tritt Brüssel weiter auf der Bremse, was den Ausbau der Photovoltaik in Europa angeht. Die Kommission erklärt damit, dass es ihr noch nicht einmal um Kosteneffizienz geht, wenn die Energiewende umgesetzt werden soll. Zum Schutz der europäischen Modulindustrie taugt das Instrument der Handelsbeschränkungen zumindest nicht, wie die Insolvenz von Solarworld trotz geltender Antidumpingzölle und Mindestverkaufspreise eindrucksvoll zeigt.

Statt nur passiv die Importe aus dem Reich der Mitte abzuwehren, um die europäische Photovoltaikindustrie zu schützen, sollte sich die Europäische Kommission lieber aktiv darum kümmern, den eigenen Markt zu entwickeln. Das hat sie bisher völlig verpasst. Angesichts der derzeitigen Entwicklung auf dem Weltmarkt sind die Preisvorgaben aus Brüssel ohnehin obsolet. Denn zum einen sind die relevanten Hersteller aus China ohnehin schon aus der Vereinbarung über Mindestimportpreise ausgestiegen. Zum anderen haben sie inzwischen andere Märkte, die sie mit ihren Produkten beliefern können. Bei einem Zubau von 24 Gigawatt in China innerhalb eines halben Jahres können die Hersteller im Reich der Mitte ihre Produktion größtenteils auf dem Heimatmarkt unterbringen. Zusätzlich drohen in den USA neue Schutzzölle, die die chinesischen Hersteller veranlasst, ihre Produkte noch schnell nach Amerika zu verschiffen, so lange die Handelshürden noch nicht höher liegen.

Premiummodule aus Europa

Der europäische Markt ist mit einem Anteil von acht Prozent am weltweiten Zubau sowieso nur begrenzt interessant für chinesische Hersteller. Das große Geschäft ist hier derzeit ohnehin nicht drin. Der Zubau wächst aber derzeit wieder – nicht wegen, sondern trotz der Entscheidungen aus Brüssel. Damit die Debatte um Schutzzölle nicht wieder losbricht, schlagen die europäischen Verbände vor, entsprechende Qualitätsstandards vorzuschreiben, wenn die Photovoltaikanlage gefördert wird. Zudem sollte die Europäische Kommission die Hersteller dabei unterstützen, sich in das Premiumsegment vorzuarbeiten. Nicht mehr die Standardware soll von den europäischen Produktionslinien laufen, sondern qualitativ hochwertige Ware auf dem neusten Stand der Technik. Entsprechend sollte die Finanzierung von Forschung und Entwicklung verbessert werden.

Schutz der europäischen Branche geht anders

Dies sind nur einige Punkte eines Katalogs von Vorschlägen zum Schutz der europäischen Photovoltaikindustrie, den die Europäische Technologie- und Innovationsplattform PV (ETIP PV), der Verband der Maschinenhersteller Solarunited und die europäische Forschungsplattform für erneuerbare Energien EUREC in einem offenen Brief nach Brüssel geschickt haben. Inzwischen haben 101 Hersteller, Verbände und Organisationen der Branche diese Vorschläge gebilligt. Darunter sind auch Modulhersteller wie Heckert Solar, REC und Sonnenstromfabrik und vor allem auch EU Pro Sun. Immerhin hat die europäische Herstellerplattform die derzeit geltenden Handelsbeschränkungen durchgeboxt, aus denen Brüssel derzeit einen Ausstieg sucht.

Der erste, allerdings zu zaghafte Schritt zum Ausstieg ist geschafft. Warum die Mindestimportpreise nicht sofort an das jeweils aktuelle Weltmarktniveau angepasst werden, sondern erst mit anderthalb Jahren Rückstand, bleibt völlig unverständlich. Hier ist eine mutigere Gangart angebracht, um die Energiewende in Europa so kosteneffektiv wie möglich umzusetzen. (Sven Ullrich)