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Bürgerdialog Stromnetz

Versorgungssicherheit versus Blackout: Die Energiewende europäisch denken

Eines ist bei der Europawahl in diesem Jahr deutlich geworden: Die Europäerinnen und Europäer interessieren sich für Klimawandel und Umweltschutz. Laut Umfragen liegt hierin die größte Herausforderung für die Zukunft Europas. Erstmals steht damit die Klima- und Energiepolitik der Europäischen Union (EU) als wichtiges Zukunftsthema im Fokus.

Die Ziele der Pariser Klimakonferenz spielen eine maßgebliche Rolle. Im Dezember 2015 einigten sich 190 Länder, dass die durch Treibhausgase verursachte Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen sei. Jedes Land solle mit Klimaschutzaktivitäten auf dieses Ziel hinarbeiten. Das kann zum Beispiel die Verringerung der Treibhausemissionen oder eine Umstellung der Energieerzeugung auf Erneuerbare Quellen sein. Die Europäische Union kündigte zu diesem Zeitpunkt bereits Pläne bis 2030 an. Das 2019 beschlossene EU-Maßnahmenpaket „Saubere Energie für alle Europäer“ soll nun darüber hinaus die Weichen für eine gemeinsame nachhaltige Klima- und Energiepolitik bis 2050 stellen.

Um europaweit die Energiewende voranzutreiben, muss die Umstellung auf saubere Energie in allen Mitgliedsstaaten möglich werden. Die Menschen vor Ort müssen die Energiewende verstehen und nachvollziehen können: 'Aus Sicht Europas ist es wichtig, ein gemeinsames Ziel für das große Ganze der Energiewende zu schaffen, das Menschen motiviert und Staaten überzeugt, mitzumachen', sagt Antina Sander von der Renewable Grid Initiative (RGI), die Netzbetreiber und Naturschutzorganisationen aus ganz Europa zur Integration von erneuerbaren Energien an einen Tisch bringt. Sander sieht in dem neuen EU-Maßnahmenpaket einen Vorstoß: 'Vielleicht nicht so sehr in einem greifbaren Format, aber definitiv als wichtigen Schritt, um niederzuschreiben, was wir eigentlich erreichen wollen und können.' So sollen die neuen Regelungen das Stromnetz und den Strommarkt in der EU auf künftige Herausforderungen vorbereiten und die Verbraucherinnen und Verbraucher in den Mittelpunkt der Energiewende stellen.

Erneuerbare Energien im Netzverbund

Dazu zählt auch, zu erklären, warum die Energiewende ein europäisches Thema ist und nicht an Grenzen halt machen kann. Aufgrund der geographischen Lage hat Deutschland als Transitland zwischen verschiedenen Energiemärkten eine wichtige Rolle inne: Deutschland ist nicht nur durch Stromleitungen mit seinen direkten Nachbarn verbunden, sondern auchTeil des europäischen Energiebinnenmarkts. Und in diesem fließt Strom aus Skandinavien selbstverständlich nach Deutschland ebenso wie Strom aus Deutschland nach Belgien, Polen oder Österreich fließt und umgekehrt.

Die Stromerzeugung in Europa ist derzeit noch durch fossile Energieträger geprägt, und die Struktur der Stromnetze ist durch den Stromverbrauch bestimmt. Für Deutschland heißt das, dass vor allem in den Ballungsräumen in Süd- und Westdeutschland in Kernkraftwerken sowie Gas- und Kohlekraftwerken Strom produziert wurde und wird. Stromerzeugung im großen Stil aus Wind und Sonne findet dagegen häufig weit entfernt von den großen Verbrauchszentren statt. Erneuerbare Energien unterliegen zudem natürlichen Schwankungen, je nachdem wie stark der Wind vor Ort weht oder die Sonne scheint. Will man eine verlässliche Stromversorgung mit Erneuerbaren garantieren, muss das Stromnetz künftig deutlich stärker und flexibler in der Lage sein, die maximale Erzeugungskapazität zu transportieren.

In einem großen europäischen Netzverbund können die auftretenden Schwankungen in der Stromerzeugung mit den Erneuerbaren durch einen weiträumigen Stromtransport besser ausgeglichen werden als mittels kleiner nationaler Netze in den Mitgliedstaaten. Große Netzverbünde tragen so (ganz explizit) zur Versorgungssicherheit in Deutschland und Europa bei. Sollte zum Beispiel aufgrund einer Windstille in einer Region mal kein Strom aus Windenergie erzeugt werden können, kann der gleichzeitig gewonnene Strom aus einer sonnenreichen Region durch die Stromnetze dorthin transportiert werden, wo er gebraucht wird. Um diese Flexibilität der Stromnetze gewährleisten zu können, braucht es Netzoptimierungen, Netzverstärkungen und auch den Neubau von Stromleitungen.

Netzengpässe reduzieren durch europäische Zusammenarbeit

Für den Fall einer sogenannten „Dunkelflaute“ – wenn keine ausreichende Stromerzeugung durch Wind und Sonne möglich ist – werden derzeit regelbare Kraftwerke benötigt, die jederzeit die erforderliche Leistung absichern und so Stromausfälle verhindern. Da diese aber nur zeitweise am Netz sind, lohnt sich deren Betrieb wirtschaftlich kaum. Der so produzierte Strom ist zudem vergleichsweise teuer und führt, da er meist aus fossilen Energiequellen stammt, zwangsläufig auch zu einem zusätzlichen Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid. Ein europäischer Netzverbund bietet den Vorteil, solche regelbaren Anlagen gleich für mehrere EU-Mitgliedsstaaten zu nutzen. So sind diese besser ausgelastet und langfristig werden somit insgesamt weniger Kohlekraftwerke nötig. In diesem Zusammenhang werden in Zukunft auch Speicher für die europäischen Stromnetze eine große Rolle spielen.

Aktuell sind Speichertechnologien, wie zum Beispiel Batterie- oder Gasspeicher, noch nicht wirtschaftlich genug, um sie im großen Maßstab für die Netzstabilisierung nutzbar zu machen. Allerdings können beispielsweise die in den Alpen oder in Skandinavien bereits vorhandenen Pumpspeicherkraftwerke temporäre Stromüberschüsse speichern und so die Schwankungen in der Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien abfedern. Auch dort hilft es, wenn in naher Zukunft die grenzüberschreitenden Stromverbindungen verstärkt werden, so dass regionale und nationale Überschüsse abgegeben oder fehlender Strom von dort geholt werden kann, wo er gerade günstig produziert wird. Erst der Stromexport und -import über einen gut ausgebauten Netzverbund ermöglicht eine vollständige und effiziente Integration aller in Europa erzeugten Erneuerbaren Energien. Das sorgt dafür, dass verlässlich Strom zu günstigen Preisen zu den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern kommen kann.

Autor: Peter Ahmels, Leiter

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