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Auf ein Wort: „Corona-Krise“

Bundesregierung muss behördliche Corona-Maßnahmen gesetzlich unterfüttern

Martin Maslaton

Die Bundesnetzagentur hat am 23.03.2020 erste Maßnahmen ergriffen, um Härten infolge pandemiebedingter Projektverzögerungen für bestehende und künftige Auktionsgewinner zu mindern. Die Behörde gab bekannt, dass die Entscheidung über neue Zuschläge zunächst nicht im Internet bekanntgegeben wird. Das ist schlau gemacht: Denn damit laufen Fristen wie Pönalen, Realisierungsfristen und Zahlungen der Zweitsicherheit nicht an. Erst nach einer Beruhigung der Lage soll dies nachgeholt werden.

Zudem will die Bundesnetzagentur für Windenergieanlagen an Land und Biomassenanlagen eine Verlängerung der Realisierungsfristen auf formlosen Antrag gewähren.

Während die Maßnahmen der Bundesnetzagentur grundsätzlich zu begrüßen sind, erscheinen die Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit zweifelhaft. Der Gesetzgeber sollte diese schnellen Maßnahmen nun auch mit gesetzlichen Regelungen unterlegen. Das würde im Projektgeschäft die Beziehungen zwischen Projektierern und Banken, Lieferanten und Auftragnehmern aus dem Baubereich nicht unnötig belasten.

Besondere Ausgleichsregelung im EEG

Stromkostenintensive Unternehmen, welche die Besondere Ausgleichsregelung im EEG in Anspruch nehmen, sind an die materielle Ausschlussfrist am 30. Juni gebunden. Wenn diese nicht eingehalten werden sollte, erfolgt im kommenden Jahr keine Begrenzung der EEG-Umlage. Auch hier sind das Bundeswirtschaftsministerium und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gefragt, eine zusätzliche Belastung der betroffenen Unternehmen zu vermeiden. Denn dass sich eine Wirtschaftskrise anbahnt, ist wohl inzwischen absehbar. Eine Rezession zeichnet sich schon jetzt bei der Preisentwicklung des europäischen Emissionshandels ab. Die niedrige Stromnachfrage spiegelt den Zustand unserer Industrie in Echtzeit wieder. Die Nachfrage sinkt weiterhin rapide und mit Blick auf unsere Nachbarländer ist davon auszugehen, dass uns noch größere Einbrüche bevorstehen.

Die Energiewirtschaft trifft die Corona-Krise deutlich. Osteuropäische Handwerker bleiben aufgrund der Grenzschließungen fern, Bauteile fehlen, Berufspendler wie Servicetechniker und Installationsteams werden ohne rechtliche Grundlage an der Grenze von Bundesländern zurückgewiesen. Netzbetreiber arbeiten im Home-Office, wodurch Anlagen nicht mehr abgenommen werden können, einige Netzbetreiber schließen keine Anlagen an und kommunale Verwaltungen stellen die öffentlichen Teile des Genehmigungsprozesses ein. Es herrscht Ausnahmezustand. Dennoch sind der Schutz der Energiewirtschaft und die damit zwangsläufig verbundene Netzsicherheit essenziell.

Corona ist „höhere Gewalt“

Können die Unternehmen sich nun wenigstens auf die Rechtssicherheit der Maßnahmen der Bundesnetzagentur verlassen? Behörden können sich unter bestimmten außergewöhnlichen Gründen nicht auf den Ablauf einer gesetzlichen Ausschlussfrist berufen. Betroffen hiervon sind insbesondere Fälle höherer Gewalt. Unter höherer Gewalt wird ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes und durch äußerste Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis verstanden.

Zumindest bei Vertragsstörungen in Verbindung mit dem Coronavirus wird derzeit davon ausgegangen, dass hier in vielen Fällen höhere Gewalt vorliegt. Zum einen aufgrund der hohen Anzahl von staatlichen Maßnahmen und zum anderen wurde auch im Zusammenhang mit der Sars-Epidemie höhere Gewalt bejaht. Innerhalb dieser Zeit sind die Vertragspflichten ausgesetzt. Auch im Fall der Fristüberschreitungen wäre ein solcher Ansatz denkbar und sinnvoll. Das Bundeswirtschaftsministerium sollte prüfen, was schnell und unbürokratisch umgesetzt werden kann.

Autor: Martin Maslaton ist Rechtsanwalt und Professor für das Recht der Erneuerbaren Energien. Er leitet die Maslaton Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Leipzig. Weitere Artikel von Martin Maslaton finden Sie unter anderem in seiner Rubrik "Auf ein Wort" in unserem Printmagazin und Online. Hier geht es zu den Artikel.