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Regionalplanung

Druck auf Kommunen steigt im Sinne der Energiewende

Michael Rolshoven, Rechtsanwalt bei MWP Müller-Wrede & Partner in Berlin, verweist auf das große Problem der angreifbaren Regionalplanung und die Gefahr eines Moratoriums.

Seit vielen Jahren werden mit steter Regelmäßigkeit Konzentrationszonen-Planungen auf Gemeindeebene und ebenso Ausschlussplanungen auf Regionalplanebene von den Verwaltungsgerichten kassiert und für unwirksam erklärt. Wieso gelingt es weder Gemeinden noch Regionalen Planungsgemeinschaften, rechtssichere Ausschlussplanungen aufzustellen?

» Michael Rolshoven: Der entscheidende Wendepunkt, was die Rechtsprechung zu Ausschlussplanungen auf Ebene der Gemeinden oder auch der Regionalplanung betrifft, war unzweifelhaft die sogenannte Wustermark-Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteil vom 13. Dezember 2012. Dort hat das Bundesverwaltungsgericht erstmals verbindlich entschieden, dass jede Ausschlussplanung zwingend zwischen sogenannten harten und weichen Tabukriterien entscheiden muss. Gleichzeitig ist die Abgrenzung von harten und weichen Tabukriterien in der Rechtsprechung bis heute nicht geklärt. Ebenso schwierig ist es in der Praxis, der gerichtlichen Vorgabe gerecht zu werden, der Windkraftnutzung substanziell Raum zu schaffen. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung vielfach auch kleine Verfahrensfehler zum Anlass nimmt, Regionalpläne insgesamt für unwirksam zu erklären, wie zuletzt etwa in der Region Lausitz-Spreewald am 10. Juli 2020 vom Bundesverwaltungsgericht entschieden.

Welche sonstigen planungsrechtlichen Aspekte stehen derzeit im Mittelpunkt der Rechtsprechung und Behördenpraxis und sind zugleich für den Windenergieprojektierer von Relevanz?

» Michael Rolshoven: Im Mittelpunkt der Diskussion stehen hier seit rund drei Jahren ältere Flächennutzungspläne von Kommunen mit kleinen Ausschlussgebieten. Solche Pläne stehen vielfach einem Repowering oder auch der Erweiterung von bestehenden Windparkplanungen entgegen. Da gibt es viele Fälle in Niedersachsen, NRW, aber auch Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Hessen und so weiter. Während bis in das Jahr 2017 die Gerichte davon ausgingen, dass solche „Alt-Flächennutzungspläne“ wegen Zeitablauf gerichtlich nicht mehr zu überprüfen waren, geht seither vor allem die Rechtsprechung in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen davon aus, dass solche „Alt-Flächennutzungspläne“ ihrerseits aus formellen Gründen, konkret Bekanntmachungsfehlern, unwirksam sein können. Mit Spannung wartet die Branche aktuell auf eine angekündigte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Sollte das Bundesverwaltungsgericht die genannte Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte aus Münster und Lüneburg bestätigen, würden Kommunen mit solchen älteren Ausschlussplanungen noch verstärkt unter Druck geraten, im Sinne der Energiewende die Flächennutzungsplanung zu überarbeiten, zu aktualisieren und neue Flächennutzungspläne mit zusätzlichen Windkonzentrationszonen auszuweisen. Wie allerdings sich das Bundesverwaltungsgericht zu der genannten Bekanntmachungsproblematik entscheiden wird, scheint aktuell offen.

Was kann der Planer tun, um sein Repowering-Projekt – mit sinnvoller Anlagenhöhe – umzusetzen?

» Michael Rolshoven: Zunächst ist festzustellen, dass der Begriff des Repowerings kein Begriff des Planungsrechts ist. Planungsrechtlich ist ein Repowering letztlich der Abbau der Altanlage und der komplette Neubau einer Anlage. Sicherlich wäre es wünschenswert, würde der Bundesgesetzgeber Repowering-Projekte auch auf planungsrechtlicher Ebene fördern. Dies ist jedoch bisher nicht der Fall.

Unabhängig davon wird mit einer Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster mit Urteil vom 17. Mai 2017 in der Praxis diskutiert und teilweise auch praktiziert, zusätzliche Flächen zur Windkraftnutzung isoliert auszuweisen. Isoliert meint, dass keine komplette Überplanung des gesamten Außenbereichs im Rahmen der Fortschreibung des Flächennutzungsplans erfolgen muss. Allerdings ist diese für die Windbranche hilfreiche Rechtsprechung derzeit vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Urteil vom 26. Februar 2020 in Frage gestellt worden. Letztere Entscheidung ist aber bisher nicht rechtskräftig. Sie liegt in Leipzig beim Bundesverwaltungsgericht. Es bleibt zu hoff en, dass sich in der Streitfrage der erleichterten Ausweisung zusätzlicher Flächen auf kommunaler Ebene das Bundesverwaltungsgericht auf die Seite der nordrhein-westfälischen Rechtsprechung schlägt. Dies könnte insbesondere auch das von Ihnen angesprochene Repowering jedenfalls in diesem Bereich erleichtern.

Was ist zu Ablauf des Aufstellungsverfahrens und Öffentlichkeitsbeteiligung bei Flächennutzungsplänen und Regionalplänen zu sagen? Was wird hier oft falsch gemacht?

» Michael Rolshoven: Zunächst ist für Aufstellungsverfahren betreffend Windkonzentrationszonen auf Gemeindeebene oder Regionalplanebene festzustellen, dass diese allzu oft viel zu lange dauern und von Kommunen oder auch auf Regionalplanebene verschleppt werden. Beispielhaft mag man auf Sachsen verweisen, die teils seit acht Jahren und länger daran arbeiten, auf Regionalplanebene neue Eignungsgebiete auszuweisen, ohne dass ein Ende absehbar ist. Ein anderes prominentes Beispiel ist die Regionalplanung im Großraum Braunschweig, die aber immerhin vor einigen Monaten nach Beschlussfassung endlich in Kraft getreten ist. Auch das Aufstellungsverfahren dort hat ganze zehn Jahre gedauert. Die Ausschlussplanung dort bietet nunmehr einer Reihe von seit Jahren in der Planung befindlichen Projekte die Chance auf zeitnahe Genehmigung. Ungeachtet der vielfach allzu langen Dauer von Aufstellungsverfahren sollte jeder Projektierer dennoch die Chance nutzen, sich im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung einzubringen. Gut beraten ist dabei der Projektierer, sich mit der oben schon genannten Tabuzonen-Rechtsprechung vorab im Einzelnen zu befassen. Auf Grundlage dessen wird nämlich jede Kommune beziehungsweise jeder Regionalplan Konzentrationszonen und Eignungsgebiete für Windkraftnutzung festlegen. Wer sich mit der Tabuzonen-Rechtsprechung gut auskennt kann dann einerseits das Plankonzept der Kommune nachvollziehen, andererseits aber im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung seine Belange einbringen. 

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