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Marktveränderung

Enercon will wieder internationaler werden

von Tilman Weber

Im vergangenen Jahr war es für Enercon noch einmal fast durchweg golden zugegangen, wie das Unternehmen jetzt auf der Industriemesse in Hannover mitteilte: Mit 677 neu installierten Turbinen in Deutschland und gut 1,8 GW neu installierter Kapazität schaffte der Hersteller aus Aurich nach 2014 sein nun zweitbestes Jahr in seinem Heimatmarkt. Mit fast 40 Prozent Marktanteil kehrten die Ostfriesen im Vergleich zur Konkurrenz fast zur Dominanz der Jahre vor 2015 zurück. Bis 2014 hatten die Auricher bezogen auf die installierte Leistung an Land noch mehr als 40 bis sogar über 50 Prozent Marktanteile erreicht. 2015 hatten sie einen Einbruch auf 35 Prozent Marktanteil verzeichnet. Nun, 2016, waren es wieder rund 40 Prozent der an Land errichteten Leistung.

Auch weltweit lief es für den deutschen Primus wieder gut, bei 3,8 GW in einem Jahr neu installierter Windleistung. Auch mit diesem Wert kehrten die Auricher fast auf ihr Rekordniveau von gut 3,9 GW Gesamtinstallationen im Jahr 2014 zurück. Und 2017 soll nun endlich die Vier-GW-Marke bei den weltweiten Installationen berührt werden, erklärte Enercon auf der Industriemesse in Hannover. Den Wert hatte das Unternehmen ursprünglich schon für 2016 angepeilt.

Allerdings wird Enercon gemäß den eigenen Erwartungen bei der Installationsmarke von jährlich vier GW zunächst stagnieren. Auch für 2018 erwartet der Hersteller getriebeloser Windenergieanlagen kein höheres sondern dasselbe Geschäftsniveau mit vier GW. Der Grund für die gedämpfte Aussicht findet sich im deutschen Markt, der auf Basis des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) 2017 von einem System fester Vergütungen zu einem Ausschreibungssystem wechselt: Mit den jetzt beginnenden Tendern erhöht sich der Preisdruck auf die Turbinenbauer massiv. Zwar haben die Akteure und zuvorderst der Deutschlandmarktführer noch prall gefüllte Auftragsbücher für deutsche Windparks zu rentablen Konditionen. Eine Übergangsregelung noch bis 2018 ermöglicht Installationen neuer Windparks zu einer gesicherten Vergütung deutlich über dem Börsenstrompreis. Deshalb hatten viele Windparkprojektierer in den vergangenen zwei Jahren ihre Projekte beschleunigt. Um mit dieser Übergangsregelung den unsicheren Wettbewerb der Ausschreibungen zu umgehen, mussten die Projektierer ihre Baugenehmigung noch bis Ende 2016 in der Tasche haben. Doch bereits jetzt hat eine starke im EEG festgeschriebene Degression eingesetzt, die nun kontinuierlich jeden späteren Netzanschluss mit ein bisschen weniger Vergütung pro kWh bestraft.

Enercons Direktantriebstechnologie gilt als relativ hochpreisig. Weil das Unternehmen für die in der Branche anerkannte Qualität seiner Anlagen in den nun beginnenden Ausschreibungen besonders hohe Preisabschläge einräumen müsste, erwartet es sich aus den Ausschreibungsrunden der ersten beiden Auktionsjahre nur wenig neue Aufträge. Brancheninsider erwarten hier schon regelrechte Einbrüche in den erzielbaren kWh-Preisen. Zu Dumping-Geschäften sei Enercon aber nicht bereit, machte Enercon-Geschäftsführer Hans-Dieter Kettwig auf Nachfrage von ERNEUREBARE ENERGIEN deutlich. Möglicherweise werde er abwarten müssen, bis sich die Preise nach den ersten ein bis zwei Jahren in der Ausschreibungspraxis wieder auf ein vernünftiges Normalmaß zurückbewegt hätten.

So rechnet das Unternehmen für sich mit sogar leicht rückläufigen Installationen im Jahr 2017 von 1,5 GW in Deutschland. 2018 könnten es sogar nur noch Anlagen mit einem Erzeugungsvolumen von einem GW sein. Dafür will Enercon sein Geschäft im Ausland wieder stark ausbauen.

Immerhin setzte Enercon 2016 in einigen europäischen Ländern bereits mit Markterfolgen deutliche Zeichen: In Frankreich, Großbritannien und den Benelux-Ländern Belgien, Niederlande und Luxemburg, in der Türkei und in Österreich stellte der Hersteller jeweils Anlagenparks in dreistelligem MW-Volumen auf. Alleine in Frankreich waren es 478 MW. Aber auch in Österreich gingen Turbinen mit den typischen eiförmig gestylten Enercon-Maschinenhäusern in einem Erzeugungsvolumen von noch 130 MW neu ans Netz. Insgesamt trugen somit Enercons beste europäische Märkte rund 1,4 GW zu den Neuinstallationen des Unternehmens bei. Weitere rund 200 MW erbrachten die übrigen zehn Länder, in denen Enercon 2016 auf europäischem Boden Windturbinen errichtete. Doch auch außerhalb Europas will Enercon wieder angreifen: 2017 soll auch Brasilien mit mehreren hundert MW Neuinstallationen zum Enercon-Geschäft stark beitragen, kündigte Enercon in Hannover an.

Auch die Umsätze sollen sich laut Enercon 2017 wieder knapp auf dem bisherigen Höchstniveau von 2015 einpendeln. Das Unternehmen gibt Umsatzzahlen nicht direkt an, stellte aber auf der Messe in Hannover die Entwicklung seiner Bilanzsumme vor, die mit der Entwicklung der Umsätze im Einklang stehen dürfte. So will Enercon 2017 rund 5,35 Milliarden Euro Bilanzsumme erreichen, nachdem das Unternehmen 2016 zum ersten Mal einen Rückgang dieses Wertes verzeichnen hatte müssen. 2015 lag der Wert noch bei 5,5 Milliarden, 2016 bei 5,2 Milliarden Euro.

Dass der Gesamtumfang der Enercon-Geschäfte 2016 zurückgegangen war, mag an bereits stark rückläufigen Anlagenpreisen in Deutschland gelegen haben. Doch Enercon arbeitet auch kräftig daran, die Umsatzquellen auszuweiten. So seien bereits Windparks mit einem Erzeugungsumfang von 350 MW unter Vertrag des Direktvermarktungsgeschäfts bei Enercon, gaben die Auricher nun bekannt. Darunter befinden sich auch viele Anlagen anderer Hersteller im Besitz der Enercon-Direktvermarktungskunden. Zudem stellte Enercon auf der Messe in Hannover eine Elektro-Auto-Ladesäule vor, die die Auricher künftig selbst herstellen möchten, um sie an Taxen-Flotten-Betreiber, an Kommunen oder beispielsweise an Post-Unternehmen zu verkaufen.

Nicht zuletzt aber arbeiten die Ostfriesen weiter an ihrem Portfolio. Sie entwickeln die nächsten Spezialanlagen mit sehr großen Rotoren und dazu im Verhältnis eher kleiner Leistung. So hat Enercon nun den neuen Turbinentyp E-103 im Portfolio: Die neue Schwachwind-Anlage in der Zwei-MW-Klasse des Unternehmens mit 2,3 MW. Zu den nächsten Entwicklungsprojekten gehöre auch eine Schwachwindanlage für die Vier-MW-Klasse: Die neue Plattform EP4 mit 4,2 MW Leistung und einer Anlage mit 141 Meter Rotordurchmesser sowie einer Turbine mit 127 Meter Rotordurchmeser war vor einem Jahr noch als Anlagenportfolio mit einem Turbinentyp für Schwachwind- und einem Turbinentyp für Standorte mit mittleren Windverhältnissen vorgestellt worden. Vor wenigen Wochen aber hatte Enercon beide Anlagentypen für jeweils windreichere Windstandorte aufgerüstet. Künftig soll die Anlage mit 127-Meter-Rotor an Starkwindstandorten, die Turbine mit 141-Meter-Rotor an Standorten mit mittleren Winden und die in Entwicklung befindliche dritte Anlage der Vier-MW-Serie mit vermutlich noch ein wenig längeren Rotorblättern für Schwachwindstandorte dienen.