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60 Jahre Römische Verträge

Euratom endlich überwinden

Zwei prominente Klimaschutzpolitiker der Grünen wollen anlässlich der Feiern zur Gründung der EU vor 60 Jahren die atomfreundliche Ausrichtung der EU seit ihrer Gründung zum Thema machen: Die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Simone Peters, und der ehemalige Bundestagsabgeordnete und heutige Präsident der Energy Watch Group, Hans-Josef Fell, riefen jetzt in einer gemeinsamen Pressemitteilung zu einer Überarbeitung des Euratom-Vertrags auf, der zu den römischen Verträgen gehört. Zwar seien die Verträge insgesamt eine Erfolgsgeschichte. Doch während der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und das Abkommen über gemeinsame Organe immer weiterentwickelt worden und zuletzt in den derzeit maßgeblichen Verträgen von Lissabon aufgegangen seien, sei der dritte Gründungsvertrag, Euratom, nahezu unverändert geblieben. Dies habe erhebliche Folgen, mahnen die Grünen-Politiker.

Der Vertrag, der einst geschaffen wurde, um der Atomkraft auf dem Kontinent zum Durchbruch zu verhelfen, wirke heute wie aus der Zeit gefallen, stellen Peters und Fell fest. Schließlich hätten über die Hälfte der EU-Staaten gar keine Atomkraftwerke mehr oder zumindest ihren Ausstieg beschlossen. „Die schwindende Akzeptanz der Atomkraft wurde im Euratom-Vertrag bislang ebenso wenig nachvollzogen wie technische Innovationen, die den Aufstieg der Erneuerbaren Energien ermöglichten“.

Bereits 2003 forderte der Deutsche Bundestag in rot-grüner Regierungszeit in seinem damaligen Antrag zum bevorstehenden Abschluss des Lissabon-Vertrags die Abschaffung der Unterstützung für die Atomenergie. Damals hätte der Widerstand der Atomkraft-Nation Frankreich obsiegt. Seither habe keine deutsche Regierung mehr den Versuch unternommen, Euratom abzuschaffen oder zu kündigen.

„So sorgt der Euratom-Vertrag bis heute dafür, dass Deutschland und viele andere Länder, die sich aus der Atomkraft verabschiedet haben, weiter mit vielen Milliarden Steuergeldern die Forschung, den Ausbau und den Betrieb der Atomenergie in anderen Ländern fördern, sogar außerhalb der EU“, erklären die Politiker. Auf diese Weise verschaffe der Vertrag dem Atomstrom Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Strom aus Erneuerbaren Energien. „Ein nicht mehr erklärbarer, aber sündhaft teurer und gefährlicher Anachronismus“, finden Peter und Fell.

Erst vor Kurzem hätte Euratom dazu geführt, dass das neue Atomkraftwerk Hinkley Point in Großbritannien von der EU-Kommission exorbitante Beihilfen aus Steuergeldern genehmigt bekam, monieren Peters und Fell. Sie verweisen darauf, dass die Stromerzeugung in diesem AKW mehr als doppelt so teuer ist wie Ökostrom aus neuen Wind- und Solarkraftwerken. Hinkley Point werde aber darüber hinaus zur Modernisierung britischer Atomwaffen benötigt – und das obwohl Euratom Proliferation eigentlich verhindern sollte. Des Weiteren sorge Euratom dafür, dass Beihilfen für das neue, von Russland finanzierte und gebaute ungarische AKW fließen dürften. Dabei widerspreche dies sogar dem erklärten EU-Ziel, die Energieabhängigkeit von Russland zu verringern.

Die beiden Politiker sind sich einig, dass grenznahe Atomkraftwerke wie Cattenom und Fessenheim in Frankreich oder Doel und Tihange in Belgien, aber auch die Schrottreaktoren in Tschechien oder dem Euratom-Assoziierungsmitglied Schweiz für die deutsche Bevölkerung eine tägliche Bedrohung darstellen. Ein entsprechendes Mitspracherecht der Anrainerstaaten bei den Sicherheitsanforderungen angrenzender Atomkraftwerke fehle allerdings bis heute im Vertrag.

(Maria Dahl)