Die Industrieproduktion in Deutschland ist derzeit rückläufig. Die Gründe dafür sind vielfältig. Beginnend bei den Zollkapriolen eines unberechenbaren Herrschers im Weißen Haus in Washington DC, schlagen natürlich auch noch die diversen Konflikte auf die Auftragslage durch. Denn die Inflation in den vergangenen Jahren – getrieben unter anderem von den Energiepreisen – führt zu steigenden Produktionskosten und gleichzeitig zur Vorsicht bei den Investitionen.
Aufs Kerngeschäft konzentrieren
Vor diesem Hintergrund will eine Mehrheit der deutschen Großbetriebe mit hohem Energieverbrauch ihre Netto-Null-Ziele nach hinten verschieben. Das ist das Ergebnis einer Umfrage durch den Energiedienstleister Aggreko. Die Vorstandsvorsitzenden der deutschen Großindustrie warnen allerdings nicht per se vor der Energiewende, auch wenn sie ihre Netto-Null-Ziele verschieben, um sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Die Mehrheit von ihnen will sogar weiter in dezentrale Energielösungen investieren. Denn diese sind die Einzigen, die perspektivisch sinkende Energiekosten versprechen – anders als die Erdgasträume, die die neue Bundesregierung in die Welt setzt.
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Doch in der Umfrage wird auch klar, was der Grund für die Verschiebung ist. Denn die Industrie dekarbonisiert ihre Produktion nicht vorrangig, um den Klimaschutz voranzutreiben. Hier geht es hauptsächlich um die nackten Kosten und ein besseres Image – getrieben von den Vorgaben der Anteilseigner.
Dienstleistungen ermöglichen
Die Umfrage zeigt auch, dass die Vorstände der energieintensiven Unternehmen unsicher sind, wie sie investieren sollen. Unsicherheiten bezüglich der Sicherheit der Energielieferung mit volatil produzierenden Technologien sind immer noch weitverbreitet. Doch dafür gibt es mit den verschiedenen Speichertechnologien längst Lösungen. Die Unsicherheit der Investition in eine eigene Produktionsstruktur von Ökoenergie lässt sich auch längst mit diversen Lösungen ausräumen. Diese reichen vom Angebot temporärer Energie- und Mietdienstleistungen, wie sie Aggreko anbietet, über die verschiedenen Anbieter, die Flächen bei den Unternehmen pachten, dort Anlagen aufbauen und betreiben bis zu direkten Stromlieferverträgen (Power Purchase Agreements – PPA).
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Anreiz für Umstieg erhalten
Immerhin haben die Unternehmen erkannt, wo die Herausforderungen liegen. Der Ruf verschiedener Lobbygruppen nach steuersubventionierter Energie bildet nicht die gesamte Realität ab und behindert die Energiewende erheblich. Denn da Unternehmen primär die Kosten im Blick haben, wenn sie auf dezentrale erneuerbare Energien umsteigen, fällt dieser Anreiz weg, wenn sie einen billigen Industriestrompreis bekommen, wie ihn die schwarz-rote Bundesregierung auf der To-do-Liste hat.
Industriestrompreis nur mit Energiewendeplan
Abgesehen von der Frage, ob die Europäische Kommission eine solche Subventionierung überhaupt genehmigt, würde dies der Dekarbonisierung der deutschen Industrie einen echten Schaden zufügen. So berechtigt die Kritik an den hohen Stromkosten ist. Doch mit der Gießkannensubvention wird der Industriestrompreis zu einem Fass ohne Boden für die Steuerzahler. Denkbar wäre hier, den Unternehmen unter die Arme zu greifen, die einen klaren Plan für ihre Dekarbonisierung – und damit für die dauerhafte Senkung der Energiekosten aus eigener Kraft – vorlegen.
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Industrie kennt die Hürden
In der Industrie ist die Notwendigkeit angekommen, sich von Technologien mit hohen Brennstoffkosten zu verabschieden. Jetzt muss die Politik aber mitziehen und die entsprechenden Anreize liefern. Sie muss die Investitionen vereinfachen, viel mehr Geschäftsmodelle ermöglichen, endlich den Zubau von Speichertechnologien – zusätzlich zu den Erzeugungsanlagen – beschleunigen und dafür sorgen, dass mehr Intelligenz ins Netz kommt.
Zwei Systeme arbeiten parallel
Dann klappt es nicht nur mit der Dekarbonisierung der Industrie, sondern auch mit der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Denn nichts ist teurer als die Energiewende zu verschleppen und auf Dauer zwei Systeme parallel zu betreiben, die eigentlich nicht zusammenpassen. Schließlich basiert eines auf der stupiden Produktion mit zentralen Großkraftwerken und das andere benötigt durch die volatilen Erzeugungsanlagen mehr Dynamik und Intelligenz.

Heiko Schwarzburger