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Kommentar zur EEG-Umlage auf Eigenverbrauch

Branche zieht vor Gericht

Die Bundesregierung hat den Gesetzentwurf zur EEG-Novelle kommentarlos durchgewinkt. Offensichtlich wollte sich im Kabinett keiner mit der Regierungsspitze aus Angela Merkel und Sigmar Gabriel anlegen. Obwohl aus dem Justizministerium Zweifel ruchbar werden, dass sich die Reform, so wie sie jetzt im Gesetzentwurf steht, überhaupt auf dem Boden der Legalität befindet, hat niemand das Gesellenstück des Bundeswirtschaftsministers zurückgewiesen oder auch nur eine Verbesserung angemahnt. Zwar ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Entsprechende Signale aus dem Lager der Regierungsparteien sind beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW Solar) und beim Verbraucherschutz schon angekommen. Doch inzwischen hat Gabriel so viel Verhandlungsmasse in das Gesetz schreiben lassen, dass die Branchen auf jeden Fall Federn lassen müssen. Die entscheidende Frage ist nur, wo die Einschränkungen gemacht werden. Beim solaren Eigenverbrauch geht es mehr als nur um einen weißen Elefanten. Damit wird sich die Zukunft der Branche in Deutschland entscheiden.

Angst vor Kontrollverlust

Inzwischen hat die Bundesregierung die Macht über die Entwicklung vor allem bei der Photovoltaik verloren. Der letzte Versuch war die Altmaier-Rösler-Reform aus dem Jahr 2012. Damals hatten die beiden Politiker noch die Förderung und die Einspeisevergütung als Hebel, mit dem sie die Photovoltaik zum Erliegen bringen wollten. Leichten Fußes bewegten sich die Photovoltaik als Technologie der dezentralen Energieversorgung mit rasanten Steigerungsraten. Inzwischen hat die einstige Nischentechnologie nennenswerte Teile der deutschen Stromversorgung – sehr zum Missfallen der etablierten Stromriesen mit ihren schwerfälligen zentralen Großkraftwerken. Doch während Rösler und Altmaier weitgehend von der Bildfläche verschwunden sind, gibt es den deutschen Photovoltaikmarkt noch, auch wenn er seither mit einem moderaten Zubauzahlen auskommen muss. Der Eigenverbrauch treibt den Markt an. Wieder einmal ist Deutschland Vorreiter. Immerhin gibt es eine wenn auch alles andere als üppige Förderung der Solarstromspeicher. Inzwischen ist die Technologie so billig geworden, dass sie mit legalen politischen Mitteln nicht mehr aufzuhalten ist.

Mehr als nur Drohkulisse

Deshalb greift Gabriel einfach zu illegalen Mitteln, die er in ein legales Rahmenwerk zu verpacken versucht. Hier liegt auch der Knackpunkt: Die Novelle ist verfassungswidrig. Der BSW Solar und die Verbraucherschützer bringen inzwischen auch schon mal ihre Geschütze in Stellung. Die Frontlinien sind abgesteckt und der Vorstoß ist mehr als nur eine Drohkulisse. Denn mit seiner fragwürdigen Methode will Gabriel nicht nur die Kontrolle über die Entwicklung der Photovoltaik zurückgewinnen, sondern sie auch gleich so weit zusammen stutzen, dass sie den konventionellen Stromerzeugern mit ihrem zentralistischen Modell nicht gefährlich werden kann.

Dem BSW Solar ist es ernst. Er hat inzwischen ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, dass die Vereinbarkeit der Reform mit der Verfassung überprüfen soll. Die Berliner Verwaltungsrechtlerin Margarete von Oppen hat diese Aufgabe übernommen. Das Ergebnis: Das neue EEG, so wie es vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, verstößt gegen die in der Verfassung garantierten Prinzipien der Gleichheit und der allgemeinen Handlungsfreiheit. Von Oppen hat sich die Regelungen ganz genau angeschaut. Was jedem sofort ins Auge springt, ist die Tatsache, dass die großen Industriebetriebe nur 15 Prozent EEG-Umlage auf ihren Eigenverbrauch bezahlen müssen, während es die kleinen Gewerbebetriebe mit 50 Prozent trifft. Konkret bedeutet das, dass etwa 50 bis 60 Terawattstunden pro Jahr industrieller Eigenverbrauch Rabatte bekommen. Zum Vergleich: Der solare Eigenverbrauch liegt derzeit bei etwa drei Terawattstunden pro Jahr.

Ziel des Gesetzes verfehlt

Diese Ausnahmeregelung ist vielleicht noch zu verkraften, wenn der Eigenverbrauch der großen Industriebetriebe tatsächlich mit erneuerbaren Energien erzeugt würde. Doch gerade das ist nicht der Fall. Die Wahrheit ist, dass ausgerechnet die großen Industriebetriebe fast ausnahmslos ihren Eigenstrom mit fossilen Energieträgern erzeugen. Das allein ist aber noch längst nicht verfassungswidrig. Denn der Gesetzgeber hat die Freiheit, in den Gleichheitsgrundsatz einzugreifen, wenn er das auch sachlich begründet und der Zweck des Gesetzes nicht ausgehebelt wird. Schließlich muss das, was im Gesetz steht, auch dem Ziel des Gesetzes dienen. Sonst wäre ja im logischen Umkehrschluss das Gesetz an sich sinnlos. Wenn das Ziel des Gesetzes ist, die klimafreundliche Stromerzeugung zu forcieren und die klimaschädliche Stromerzeugung entsprechend zu bestrafen, sind die Rabatte für die stromintensiven Industriebetriebe tatsächlich fragwürdig. Weniger fragwürdig wäre das, wenn Gabriel den Unternehmen nicht die Hintertür öffnen würde und den Eigenverbrauch unabhängig von der Erzeugungstechnologie zu rabattieren. Schließlich kann der Schutz der stromintensiven Wirtschaft vor den ausländischen Konkurrenten – so es diese überhaupt gibt – durchaus als logische Begründung herhalten. Doch mit den Rabatten für den konventionell erzeugten Eigenstrom, die ausgerechnet im EEG festgelegt wurden, steht die Regelung im eklatanten Widerspruch zum Zweck des Gesetzes. Der ist nämlich, die konventionelle Energieerzeugung weiter einzudämmen und nicht noch mit Rabatten zu belohnen. Da muss sich Gabriel tatsächlich die Frage gefallen lassen, was er mit der Reform bezweckt, wenn er diejenigen bestraft, die den Zweck des Gesetzes verfolgen und klimafreundlichen Strom erzeugen und verbrauchen.

Der Verantwortungszusammenhang fehlt völlig

Viel wichtiger ist aber die Tatsache, dass die jetzigen Regelungen die allgemeine Handlungsfreiheit einschränken. Das scheint etwas spitzfindiger zu sein und kann vielleicht auch den geübten Strategen im Bundeswirtschaftsministerium entgehen. Dabei ist es bei genauer Betrachtung auch gar nicht so kompliziert. Denn ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit kann nur dann erfolgen, wenn Ursache und Wirkung miteinander zusammenhängen. Die bloße Behauptung, die solaren Eingenverbraucher würden sich aus der solidarischen Finanzierung der Energiewende verabschieden, greift da nicht. Denn es ist nicht der Zweck des EEG, die Energiewende solidarisch zu finanzieren, sondern die Energiewende an sich voran zu bringen. Der Hebel dafür ist, die Verursacher der klimaschädlichen Stromerzeugung derart zu belasten, dass sie auf klimafreundliche erneuerbare Energien umsteigen. Deshalb ist die Finanzierung auch bei den Netzbetreibern verankert. Dass diese die Kosten auf die Endverbraucher abwälzen können, unabhängig davon welchen Strom dieser bezieht, ist ohnehin eine fragwürdige Methode.

Doch was macht der solare Eigenverbraucher? Er nimmt nicht an der klimaschädlichen Stromerzeugung teil und bekommt für seinen selbst verbrauchten Anteil des Stroms auch keine Förderung. Dabei ist es egal, wie groß seine Anlage ist oder wie viel des Solarstroms er selbst verbraucht. Er erfüllt dem Zweck des EEG. Das die solaren Selbstversorger trotzdem noch Strom aus dem öffentlichen Netz beziehen, ist längst kein Grund, den selbst erzeugten und verbrauchten Strom mit einer EEG-Umlage zu belasten. Denn auf den Strom aus dem Netz zahlt auch der Solaranlagenbetreiber die normale EEG-Umlage.

So klar die rechtlichen Begründungen sind, so unklar ist aber noch der Weg. Schließlich kann die Branche erst vor das Verfassungsgericht ziehen, wenn das Gesetz endgültig verabschiedet ist und nichts anderes mehr geht. Dann kann ein normales Hauptsacheverfahren durchaus bis zu zwei Jahre dauern. Auch kann der Verband selbst nicht klagen, sondern es muss ein konkret Geschädigter tun. Da bleibt noch viel strategische Arbeit. Aber es ist auch kein Selbstzweck, zu klagen, wie Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar betont. Man hofft noch darauf, dass zumindest im Bundestag genügend vernünftige Abgeordnete sitzen, die dem Aushebeln der Energiewende durch Gabriel Einhalt gebieten. (Sven Ullrich)