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Branchenschau EWEA Offshore

Selbstbewusste Meereswindkraft

Offshore-Windstrom wird günstiger. Das ist eine wichtige und gute Nachricht von der heute zu Ende gehenden Windenergiemesse EWEA Offshore in Kopenhagen. Und vielleicht ist sie sogar ihre einprägsamste Botschaft. Denn auch wenn auf ihrer angegliederten Konferenz erneut viele interessante Foren die pragmatischen technologischen, logistischen und finanzwirtschaftlichen Fortschritte analysierten: Wohl selten hatte der Veranstalter eines international bedeutenden Windenergietreffens in seinen Kom­mu­ni­qués so vorrangig auf die Botschaft gesetzt, dass die Kosten pro erzeugter Kilowattstunde Strom nun deutlich sinken werden.

In dieses Bild passt sehr eindrücklich eine Szene vom zweiten Messetag: Bei einem "Pressefrühstück" hatten sich Vertreter der größten Meereswindturbinen produzierenden Unternehmen und Führungskräfte des Europäischen Windenergieverbandes (EWEA) ohne inhaltliche Vorgaben den Journalistenfragen gestellt. Die volle Stunde lang kreisten die Fragen der Medienvertreter dann auch einzig um das Thema Kostensenkung. Schließlich wollten die Journalisten berichten können, wie günstig Windstrom von der See nun wird – und wodurch.

Branche scheut konkrete Aussagen zu ihren Preissenkungsinstrumenten

Um es vorwegzunehmen: Die Fragestunde hinterließ bei den Reportern je nach individueller Wahrnehmung verblüffende Ratlosigkeit oder ein starkes Gefühl der Langeweile. Denn Antworten gab es von diesem Podium nahezu keine, langwierige Umschreibungen altbekannter Besonderheiten des Offshore-Windkraft-Business hingegen schon. Wo Medienvertreter nachhaken wollten, wurde ihnen das Wort abgeschnitten.

Das ist doppelt schade, denn die EWEA Offshore belegte vielleicht ebenfalls wieder mehr denn je, dass die Branche wirklich gewaltige Fortschritte macht. Außerdem führte sie erneut vor, wie Dimensionen und Fähigkeiten moderner Windenergieanlagen für Begeisterung mit Gänsehautfaktor sorgen. Die Offshore-Windkraftszene bringt inzwischen verlässlich die neuen Antriebskonzepte auf den Markt, die sich Investoren und Anbieter auf dem konservativeren Windmarkt an Land oft nicht anzupacken getrauen.

Kostensenkungen selbst zum Thema gemacht

Die Messlatte hatten sich Veranstalter EWEA und andere Branchenvertreter indes selbst hoch gelegt. Gleich drei Szenarien über eine beeindruckende Kostenreduktion für die teuerste etablierte regenerative Stromerzeugungsart hatten sich vor der Messe verbreitet: Eine Analyse von Wirtschaftsberatungsunternehmen Ernst amp; Young kam zu der Erkenntnis, dass der finanzielle Aufwand pro erzeugter Kilowattstunde bis 2023 noch um 26 Prozent sinken muss, damit Seewindstrom dann die Preisgleichheit und damit Wettbewerbsfähigkeit zu konventionell erzeugtem Strom erreicht. Und neun Prozentpunkte davon müssten die Windturbinenhersteller selbst durch den Bau immer größerer und damit kosteneffizienterer Windenergieanlagen beisteuern. Das britische Aufsichtsgremium zur Überwachung der nationalen Offshore-Windkraftentwicklung OWPB hatte in der Woche vor der Messe bekannt gegeben, dass die Offshore-Windkraft im Vereinigten Königreich schon in den vergangenen vier Jahren die Stromgestehungskosten um elf Prozent reduziert habe. Sie sei damit zu diesem Zeitpunkt weiter auf dem Pfad vorangekommen, den sie für die Zielsetzung des Landes gehen muss. London strebt bis 2020 einen um 30 Prozent auf 100 Pfund pro Megawattstunde sinkenden Erzeugungspreis bis 2020 an. Zudem konnten die Messeteilnehmer auch ein Szenario des Bundesstaates New York in den USA registrieren. Dieses erwartet eine sogar 50-prozentige Kostensenkung bis 2025.

In der Kommunikation im Detail aber mühte sich das Podium auf dem EWEA-Pressefrühstück schnell, den Blick auf die Politik umzulenken: „Die Stromgestehungskosten sind das Ergebnis dessen, wie die Regierung uns reguliert“, sagte Jakob Lau Holst, Vertreter des Dänischen Windindustrieverbands. EWEA-Geschäftsführer Thomas Becker stimmte ihm mit einer Argumentation zu, wonach die Kostenentwicklung ja vor allem von einem gut organisierten Strommarkt mit guter Netzregulierung abhänge.

Branche ist gereift, ausdifferenziert und hat technisch schon viel zu bieten

Es darf verwundern, dass führende Branchenvertreter auch im dritten Jahrzehnt europäischer Offshore-Windkraft nur in fernen Zielsetzungen über ihre Erzeugungskosten reden kann. Denn es gabe für sie hierbei ja viel vorzuzeigen: Schon entstehen Logistikdienstleister, die das sehr teure Geschäft mit dem Anbringen der großen Komponenten in die abgelegenen und von schwierigen Wettereinflüssen geprägten Standorte projektübergreifend übernehmen. Sie sorgen für Kostensenkungen, weil sie die Wartezeiten der teuren Transport- und Installationsgeräte senken.

Die neue Turbinengeneration von Anlagen mit sechs bis acht Megawatt (MW) Leistung erfüllt den von Analysten wie Ernst amp; Young identifizierten Trend, mit größeren Anlagen die Preise zu senken. Auch Kopenhagen steuerte dazu Neuheiten bei: Siemens wird seine noch neue getriebelose Sechs-MW-Anlage bald als Upgrade mit sieben MW vertreiben. Die Joint-Venture-Partner Gamesa und Areva haben jetzt ihren Zusammenschluss eines Offshore-Unternehmens abgeschlossen – schon 2018 werden sie ihre Acht-MW-Anlage mit dem größten Rotor der Welt produzieren.

Und die Ausschreibung des Offshore-Vorhabens Horns Rev 3 durch den dänischen Staat brachte den Zuschlag für Energiekonzern Vattenfall, der Offshore-Windstrom dann für 10,3 Eurocent pro Kilowattstunde anbieten möchte. Das wäre so günstig, wie in den vorherrschenden Szenarien vorausgesagt.

Zugegeben: Es ist per se schon schwierig, in einem Energiemarkt offen und detailliert über Preise und Sicherheiten zu reden. Schließlich sind Energiemärkte bislang noch immer von politischen Entwicklungen und staatlicher Förderung geprägt. Diese gilt es immer neu auszuhandeln. Außerdem ist die Energiewirtschaft auch im konventionellen Bereich ein Projektemarkt – und für jedes Projekt muss mit wieder neuen Karten gespielt werden. Und schließlich ist Offshore-Windkraft technologisch immer noch ein Pioniermarkt.

Transparenter Energiemarkt: nur ein Traum?

Doch ein guter Energiemarkt erfordert Transparenz, Wettbewerb, Vergleichbarkeit, Verfügbarkeit von Daten und Öffentlichkeit. Was die Erneuerbare-Energien-Branchen lange Jahre von der konventionellen Energiebranche verlangt hatten, sollten sie nun selbst zu liefern versuchen. Das Marktpotenzial dafür hätte sie mit inzwischen mehreren gut herausgebildeten Marken: den Sicherheit und Stabilität versprechenden Hersteller Senvion, den Pioniergeist und Signale setzenden Joint Venture Adwen durch Gamesa und Areva, die für Forschung und Industrialisierung stehende Siemens-Direktantriebstechnologie, die für Datenverfügbarkeit sowie dänische Windkraftwertarbeit stehende Technologie von Vestas und die großindustriellen Möglichkeiten des Industriegiganten Alstom – zumal wenn der Verkauf an den US-Energiekonzern GE über die Bühne gegangen sein wird.

(Tilman Weber)