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Erneuerbare sind kein Kostentreiber – ein Kommentar

Regierung bewegt sich zaghaft vorwärts?

Schon wenige Wochen nach der Wahl haben die Abgeordneten der Alternative für Deutschland (AfD) ihre Unkenntnis in Sachfragen zu Schau gestellt. Die Bundestagsfraktion der Rechtspopulisten stellte eine kleine Anfrage an die Bundesregierung, wie hoch die Kosten der Energiewende seien. Die Abgeordneten wollen dazu einfach die gesamten Einzelposten wie EEG-Umlage, KWK-Umlage, Offshore-Haftungsumlage und die anteiligen Netzentgelte aufgrund des EEG addiert wissen, die dem Stromkunden in Rechnung gestellt werden. Das kann man zwar machen. Ein sinnvolles Ergebnis kommt dabei aber nicht heraus und schon gar kein Einblick in die tatsächlichen Kosten der Energiewende.

Mit diesen Worten lässt sich auch die Antwort des zuständigen Bundeswirtschaftsministeriums zusammenfassen. Denn die Energiewende ist nicht nur an der Höhe der EEG-Umlage oder anderer zusätzlicher Abgaben zu messen, die die privaten und mittelständischen Verbraucher zur Finanzierung leisten müssen – die Großindustrie bekommt hier ohnehin üppige Rabatte eingeräumt. Vielmehr müssen hier, wie die Bundesregierung inzwischen richtig feststellt, auch die durch die Energiewende vermiedenen Kosten eingerechnet werden. „Die Kosten der Energiewende lassen sich folglich nicht dadurch ermitteln, indem einzelne Kostenpositionen des heutigen Stromsystems beziehungsweise des Strompreises summiert werden“, rückt die Bundesregierung die Tatsachen ins rechte Licht.

Alte Argumente abgelegt

Nun kann man lange über die Einfalt der Rechtspopulisten schwadronieren. Doch die Tatsache, dass das AfD-Personal bei Sachthemen völlig im Dunkeln tappt, hat die Partei schon hinlänglich bewiesen. Doch hoppla, was ist denn das? Nicht nur die Rechten haben von der Sache keine Ahnung, sondern offensichtlich auch die für die Energiepolitik Verantwortlichen der vergangenen drei Regierungskoalitionen. Wem klingen nicht mehr die Argumente in den Ohren, mit denen die Gabriels und Bareiße der Republik gejammert haben, dass die Kosten für die Energiewende zu hoch werden und als Indikator dafür auf die steigende EEG-Umlage verwiesen haben. Da stellt sich natürlich die Frage: Ist das Unkenntnis oder die gleiche Einfalt, mit der die extreme Rechte im Parlament sich jetzt blamiert? Wenn nicht, wie sind die Argumente zu bewerten, mit denen die Konservativen genauso wie die Sozialdemokraten und die Liberalen vor ihnen die Energiewende immer wieder ausgebremst haben?

Mit ihrer Antwort auf die Anfrage der extremen Rechten im Parlament vollzieht die immerhin noch amtierende Bundesregierung eine komplette Kehrtwende. „Die Kosten der Energiewende können ausschließlich durch einen Vergleich zwischen einem Energiesystem mit Energiewende und einem Energiesystem ohne Energiewende ermittelt werden“, fasst die Bundesregierung zusammen. Das ist neu. Bisher hatte sie auch immer nur die einzelnen Kosten summiert und die Gewinne großzügig unter den Tisch fallen lassen.

Das Ende einer Legende

Eine solchen Kostenvergleich gebe es nicht, schreiben die Beamten des Wirtschaftsministeriums in ihrer Antwort. Das ist nicht ganz richtig. Denn es gibt schon solche Analysen. Allein ein Blick auf die Entwicklung der Börsenstrompreise und der EEG-Umlage, wie sie der Bundesverbrand Erneuerbare Energien (BEE) im vergangenen Jahr angestellt hat, zeigt, dass die Energiewende tatsächlich nicht viel mehr als die monatliche Kugel Eis kostet, die Jürgen Trittin (B90/Grüne) einst auf die Frage, was die Förderung der erneuerbaren Energien durch das EEG kostet, als Vergleich herangezogen hat.

Entwicklung Börsenstrompreis EEG-Umlage | Der Vergleich der Entwicklung des Börsenstrompreises und der EEG-Umlage zeigt ganz deutlich, dass die Kostensenkungen durch die Erneuerbaren in die Rechnung mit einbezogen werden müssen, wenn man über den Preis der Energiewende redet. - © BEE
Entwicklung Börsenstrompreis EEG-Umlage | Der Vergleich der Entwicklung des Börsenstrompreises und der EEG-Umlage zeigt ganz deutlich, dass die Kostensenkungen durch die Erneuerbaren in die Rechnung mit einbezogen werden müssen, wenn man über den Preis der Energiewende redet.

Schon im Jahr 2016 haben Marius Dillig und Jürgen Karl von der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen im Jahr 2016 ihre Analyse eines Vergleichs zwischen der Strompreisentwicklung mit und ohne Energiewende veröffentlicht. Sie greifen dabei auf Daten aus den Jahren 2011 bis 2013 zurück. Sie haben ausgerechnet, wie viel die Haushalte bezahlen müssten, wenn der Aufbau von Photovoltaik- und Windkraftanlagen ausgeblieben wäre. „Die Stromkosten für nicht privilegierte Letztverbraucher wären ohne Wind und Photovoltaik nahezu identisch mit den derzeitigen Strompreisen gewesen“, fassen die beiden Forscher die Ergebnisse ihrer Analyse zusammen.

Das sich solche Erkenntnisse auch im künftigen Regierungshandeln durchsetzen, ist kaum zu erwarten. Noch immer stemmen sich, wenn man die Äußerungen der Sondierer der letzten Wochen hört, kräftig gegen die Energiewende und werfen auch wieder den Kostenhut in den Ring. Doch die Branche sollte eine künftige Regierung auf diese Argumente verweisen, wenn es in der Debatte, die uns die nächsten Jahre weiter begleiten wird, wieder einmal um die Kosten der Energiewende geht. Da ist es schon mal gut, dass selbst das SPD-geführte Wirtschaftsministerium ein kleines bisschen objektiver in die Kostendiskussion geht, auch wenn die Abkehr vom Bashing der Erneuerbaren noch sehr zaghaft ist und auf halbem Wege stecken bleibt. (Sven Ullrich)