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Regionalplan ganz im Norden: Zeitfenster für Windpark-Schnellplaner auf neuen Flächen?

Das Bundesverwaltungsgericht hat das Aus für die Windenergieeignungsflächen im nördlichen Drittel des Bundeslandes bestätigt. Die Richter machten damit eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Schleswig wirksam, das im März 2023 den Regionalplan im sogenannten Planungsraum I für ungültig erklärt hatte. Die im Regionalplan getroffene Abwägung der Ausweisung mancher Flächen für Windkraftnutzungen und des Ausschlusses anderer Flächen von dieser Nutzung sei nicht ausreichend stimmig, lautete das Urteil.

Der Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein (LEE SH) zeigte sich am Mittwoch erleichtert, weil das Bundesverwaltungsgericht damit einen rechtsunsicheren Zustand im Land beende. Nach dem Urteil des Schleswiger OVG im März 2023 sei vorübergehend unklar gewesen, welche Projektierungsregeln in der Planungsregion übergangsweise bis zur nächsten Regionalplanung gelten sollten. Zweifellos ist die Situation nun ohnehin besser als 2015, als das OVG Schleswig die Regionalpläne von zwei Planungsräumen gekippt und auch noch die Bestimmungen des Windenergiekapitels im damaligen Landesentwicklungsplan für rechtswidrig gehalten hatte. Damals hatte die Landesregierung durch ein mehrjähriges Moratorium anschließend alle weiteren Windparkprojektierungen landesweit gestoppt und sie nur in Ausnahmen wieder zugelassen, um Regionalpläne erst 2021 wieder wirksam sein zu lassen. Durch das Bundesverwaltungsgerichtsurteil falle nun zwar die vorübergehende Beschleunigungsregelung für Windparkplanungen durch die EU-Notfallverordnung weg, sagte LEE-SH-Geschäftsführer Marcus Hrach zu ERNEUERBARE ENERGIEN. Doch die Landesregierung habe frühzeitig im vergangenen Jahr geregelt, dass es dieses Mal kein Moratorium und keinen Projektierungs- oder gar Baustopp mehr geben wird.

Wie groß die Auswirkungen für viele schon weitreichend geplante und bei den Behörden beantragte, aber noch nicht genehmigte Projektierungen insgesamt sind, wird sich aber vor allem im Einzelfall zeigen. Hrach deutet deshalb an, dass die Situation zunächst komplex bleiben dürfte: „So ist auch unter den neuen Voraussetzungen weiterhin möglich, Windenergieanlagen zu beantragen.“ Allerdings müssten die Projektierer nun wieder viel umfangreichere Umweltschutzprüfungen vornehmen, wie sie noch vor der Notfallverordnung durch die Europäische Union (EU) Vorschrift waren. Die im Windenergieflächen-Bedarfsgesetz (WindBG) ins deutsche Recht umgeschriebene Verordnung erlaubt es sonst, auf ausgewiesenen und auf die möglichen Umweltprobleme vorgeprüften Eignungsflächen diese umfangreichen Umweltverträglichkeitsprüfungen wegzulassen. Weil ohne die Regionalpläne diese ausgewiesenen Flächen fehlen, wird es insbesondere für Projektierer schwerer, die jetzt erst den Antrag auf einen Windparkbau stellen.

Gleichwohl hatte die Landesregierung in Schleswig-Holstein bereits festgelegt, dass es kein neues Moratorium mehr geben wird. Das Land will bis 2030 von heute noch 8,5 Gigawatt (GW) installierter Windkraft auf eine Windstrom-Erzeugungskapazität von 15 GW kommen. Dieses Ziel will die Regierung in Kiel nicht gefährden. Ein Szenario könnte nun sein, sagte Hrach, dass möglicherweise einige wenige Windparkplaner mit schon sehr weit gediehenen Projekten für bisher noch nicht im Regionalplan für Windkraft vorgesehene Flächen ein maximal dreijähriges Zeitfenster bis zur Genehmigung nutzten. Derzeit bereitet das Innenministerium des Landes neue Windkrafteignungsflächen in neuen Regionalplänen vor. Bis diese in spätestens drei Jahren fertig sein werden, gilt für die Flächenauswahl neuer Windprojekte grundsätzlich das Baugesetzbuch. Dort sind Windparks gemäß branchenbekannter Regelung überall außerhalb von Siedlungen privilegiert.

Weitere Regelungen allerdings schränken die Flächenauswahl trotz der Privilegierung wieder ein, was der Landesregierung den Verzicht auf ein Moratorium erleichtern dürfte und in der Öffentlichkeit der Sorge vor einem sogenannten Wildwuchs an Windparks in der Landschaft vorbeugen sollte. Dies erklärte Hrach am Mittwoch auch in einer Pressemitteilung: „Eine Lenkungswirkung besteht weiterhin durch einschlägige Fachgesetze, wie das Bundes-Immissionsschutzgesetz. Dieses stellt sicher, dass alle Grenzwerte beispielsweise zu Schallemissionen und Schattenwurf sowie das baurechtliche Rücksichtnahmegebot eingehalten werden.“

Dass das Bundesland sich auf diese zwischenzeitliche Freiheit für Projektierer bei der Windparkstandortwahl einlassen kann, ohne sich ein Moratorium zu wünschen, ist indirekt zusätzlich auf eine jüngere Landesregelung zurückzuführen. Die bundesweiten Windenergiegesetze sehen nämlich auch eine  Windparkplanung auf Flächen vor, die Gemeinden von sich aus dafür ausweisen – zum Beispiel, weil sie selbst von der Windkraftwirtschaft durch Steuern, Abgaben, Energieversorgungssicherheit für Unternehmen oder örtliche Beteiligung profitieren wollen. Schleswig-Holsteins Landesregierung zog hier die Handbremse, damit die Gemeinden nicht zu freigiebig Windparks überall ermöglichen können und damit Regionalplanungen überflüssig machen. Auf nicht von den Regionalplänen gesicherten Eignungsflächen soll deshalb eine landesweite Raumordnung die Windparkflächennutzung einhegen. Solche verschärften Raumordnungsregelung werden nun wohl auch an Projektstandorten in denjenigen Regionalplangebieten greifen, in denen es keine gültigen Windenergie-Eignungsflächen gibt. Noch 2024 will die Landesregierung den Landesentwicklungsplan (LEP) Wind fortschreiben. Darin sollen auf den bisherigen harten und weichen Tabukriterien beruhende Ausschlusskriterien zu Zielen der Raumordnung werden. Im LEP will die Landesregierung bei den übergeordneten Kriterien für die Zulässigkeit neuer Windparks mehr ins Detail gehen als bisher, wodurch der LEP selbst wie eine Raumordnung wirkt.

In einer Pressemitteilung forderte derweil Landesenergieminister Tobias Goldschmidt angesichts des gekippten Regionalplanes, dass die Regionalplaner entgegen bisheriger rechtlicher Bestimmungen die Windenergieeignungsflächen nachträglich durch kleine Korrekturen verbessern dürfen. „Der Bund muss endlich sicherstellen, dass Regionalplanungen nicht mehr von heute auf morgen für Null und Nichtig erklärt werden können. Ein Recht auf Reparatur für Regionalpläne ist überfällig.“ Damit ließen sich rechtlich gekippte Windenergieplanungen bildhaft gesprochen wieder heilen. Bisher muss die zuständige Landesplanungsbehörde im Innenministerium die ungültigen Pläne wieder ganz von vorne in den mehrjährigen Planungsprozess schicken. Ähnliche Forderungen sind seit Jahren auch immer wieder in der Windenergiebranche vernehmbar.