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So funktioniert Windpark-Finanzierung über Staatsgrenzen hinaus

Kommen wesentliche Mittel zur Errichtung eines Projekts nicht aus dem Staat, in dem sich dies befindet, dann handelt es sich dabei nach Matthias Winter um Crossborder-Financing. Der Partner von Bird&Bird klärt im Interview auf, was die wichtigsten Elemente des grenzenlosen Finanzierens sind.

Was ist für Sie beim Crossborder Financing besonders wichtig?
Matthias Winter:
Das klingt jetzt sehr banal, aber ich denke, am wichtigsten ist, dass man gedanklich offen bleibt. Wir erleben immer wieder, dass jemanden eine Struktur, die hervorragend in Land A passt, genauso in Land B übertragen möchte. Und dann ist er ganz überrascht, dass viele Dinge plötzlich in Frage gestellt werden. Dass zum Beispiel die in Deutschland klassische Einspeisevergütung oder ein System der Direktvermarktung sich in anderen Ländern nicht übertragen lässt.

Welche Grundfragen stellen sich für Crossborder-Projekte?
Matthias Winter:
Ich denke, es gibt vier grundsätzliche Kategorien. Die Erste betrifft alles, was mit Genehmigungen und Absicherungen zu tun hat. Dazu gehören etwa regionale Kulturgüter, Behörden und Genehmigungsverfahren. Die Zweite betrifft das jeweilige Vergütungsverfahren. Habe ich zum Beispiel eine Einspeisevergütung oder wie sieht die nationale Prägung aus? Die Dritte betrifft das Steuerrecht, welches insbesonderer bei grenzüberschreitenden Zahlungsströmen einer sorgfältigen Betrachtung bedarf. Und die Vierte ist die eher formal-juristische Stellung von Sicherheiten an die Finanzierer nach dem jeweiligen nationalen Recht. In einem Land kennt man eine Grundschuld für Windkraftanlagen. Jetzt habe ich aber eine Windturbine, die ich auch wieder abbauen kann. Kann für diese eine Grundsicherheit begründet werden oder wäre die richtige Sicherung ein Pfandrecht wie bei einem Auto?

Welche sind die drei wichtigsten Finanzierungsstrategien für Crossborder-Projekte?
Matthias Winter:
Die erste große Finanzierungsquelle ist das Eigenkapital. Das kommt häufig von institutionellen Investoren, Fonds-Investoren oder sogenannten Family-Offices, die die Gelder von vermögenden Privatpersonen verwalten. In der Vergangenheit wurden auch häufiger geschlossene Publikumsfond-Modelle verwendet, die es inzwischen aufgrund von regulatorischen Änderungen weniger bis gar nicht mehr gibt. Das Eigenkapital kommt in der Regel also entweder von einer Vielzahl von kleineren Kapitalgebern - gebündelt über die Fonds oder von institutionellen Investoren.
Die zweite Möglichkeit besteht in Fremdkapital von Banken. Häufig sind die gleichen Banken in diesem Bereich aktiv. Das sind vor allem viele deutsche Landesbanken, beispielsweise die Norddeutsche Landesbank oder die Bayerische Landesbank. Es sind aber auch überregionale Banken (Deka Bank) und Geschäftbanken (Deutsche Bank, Commerzbank) in diesem Bereich aktiv.
Und die dritte Quelle sind Förderbanken, insbesondere die KfW und die Europäische Investitionsbank (EIB). Und da wird es besonders spannend, weil aufgrund der individuellen Förderbedingungen eine besondere Komplexität reinkommt. Mittel der deutschen KfW fließen zum Beispiel nicht nur in deutsche Projekte, sondern die KfW-Bedingungen können auch für ausländische Windparks erfüllt sein. Und dann gibt es natürlich genauso ausländische nationale Förderbanken, die in dem jeweiligen Projektland ansässig sind. Da besteht dann eben die Spannung, diese Mittel miteinander zu kombinieren.

Würde sich aufgrund der komplexen Finanzierungslage ein einheitliches System lohnen?
Matthias Winter:
Bei dieser Frage darf man für Projekte nie vergessen, dass es zwei Ebenen zu beachten gibt. Neben der ursprünglichen Finanzierung gibt es den Betrieb der Anlage und die sich daraus ergebende Vergütung der Anlagen. Habe ich eine Einspeisevergütung, wie ich sie früher traditionell als deutsches Erfolgsmodell hatte? Habe ich ein sogenanntes Marktprämienmodell, eine Ausschreibung oder habe ich den vollen Markt? Diese Modelle machen es durchaus aufwendig in der Strukturierung. Denn am Ende bildet sich anhand dieser die Absicherung des Rückflusses der Investition.
Nehmen wir zum Beispiel die klassische Einspeisevergütung, ist diese natürlich wunderbar für jemanden, der sagt: ich weiß nicht genau wie das funktioniert in diesem Land. Aber ich weiß, jeder erzeugte Kilowattstunde Strom wird wie folgt vergütet. Ich gehe von folgendem Stromernteprofil aus, damit habe ich folgende Stromerzeugung und damit den folgenden Rückfluss. Also kann ich das relativ sicher planen. In dem Moment, wo ich sage, ich möchte am Markt verkaufen, habe ich Risiken. Damit verbunden können sich jedoch lohnenswertere Investitionslagen ergeben. Deshalb ist meine Meinung, bei einem einheitlichen System eher vorsichtig zu sein. Ich finde, der Wettbewerb der Systeme funktioniert hier ganz gut, wenngleich es natürlich zunächst mit einem gewissen Aufwand verbunden ist, diese verschiedenen Systeme zu verstehen.

Welche Risiken und Abhängigkeiten bestehen, wenn Crossborder-Projekte langzeitig geplant werden?
Matthias Winter:
Ein negatives Beispiel für die Langzeitigkeit der Projekte wurde gezeigt, als Spanien nachträglich die Einspeisevergütung gesenkt hat. Das war natürlich schlecht. Das hat die ganzen Projekte in den Ruin getrieben. Die Finanzströme waren auf zehn und mehr Jahre vorgeplant. Allgemein formuliert bestehen Gesetzänderungsrisiken und Steueränderungsrisiken. Die Errichtung des Windparks ist eine Einmalsache von vielleicht zwei, drei Jahren. Das ist überschaubar. Für den Betreiber und dessen Rückflüsse ergibt sich aber eine Laufzeit, die dann 10, 15, 20 Jahre beträgt. Über diese Zeit können auch sanftere Methoden als die Senkung einer Einspeisevergütung ins Gewicht fallen. Durch Steuerregelungen kann es passieren, dass plötzlich Zinsen nicht mehr als Betriebsausgaben in vollem Umfang abzugsfähig sind und ich damit plötzlich höhere Steuern zahlen muss und eine geringere Rendite habe.

Warum lohnen sich Crossborder-Projekte trotz ihres komplexen Aufbaus?
Matthias Winter:
Weil ich in gewissen Ländern damit mein Risikoprofil diversifizieren kann. Das lohnt sich besonders in Ländern, wo ich sage, ich bewerkstellige nicht nur ein Projekt, sondern mittelfristig zwei, drei, vier Projekte. Außerdem steigere ich damit meine Diversifizierung durch die Verfügbarkeit von Projekten. Und am Ende besteht auch eine Renditechance durch andere Länder und andere Vergütungsmodelle. 

Matthias Winter, Rechtsanwalt und Partner der Anwaltskanzlei Bird & Bird. Er berät unter anderem Banken bei der grenzüberschreitenden Finanzierung von Windparks in Frankreich, Spanien und Italien.

OLIVER ROESLER

Matthias Winter, Rechtsanwalt und Partner der Anwaltskanzlei Bird & Bird. Er berät unter anderem Banken bei der grenzüberschreitenden Finanzierung von Windparks in Frankreich, Spanien und Italien.