Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Klimaschutz

Forscher: Ökosteuer-Reform war umweltpolitisch ein Flop

Katharina Wolf

Wer kann sich noch erinnern, warum vor 20 Jahren die Stromsteuer eingeführt wurde? Nein, nicht zur Förderung erneuerbarer Energien und auch nicht, um andere klimapolitisch sinnvolle Projekte zu fördern.

Seinerzeit war die Abgabe ein Teil der ökologischen Steuerreform der rot-grünen Bundesregierung, auch Ökosteuer genannt. Ziel: Den Faktor Arbeit ent- und den Faktor Energie belasten. Nach dieser Logik fließen die Erträge der Stromsteuer (derzeit 2,05 Cent je Kilowattstunde und damit rund 7 Prozent des durchschnittlichen Haushaltsstrompreises) zum größten Teil in die Rentenkasse.

Ökosteuer führte nicht zu weniger Energieverbrauch

Doch heute gehen Wirtschaftsexperten kritisch mit der Steuer ins Gericht: „Umweltpolitisch war die Ökosteuer ein Flop“, stellt Claudia Kemfert fest. Die Energieexpertin des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), hat im Team mit Nicole Wägner, Wolf-Peter Schill und Aleksandar Zaklan die umweltpolitischen Folgen der ökologischen Steuerreform ausgewertet.

Sie generiere zwar Steuereinnahmen, die bis heute das Rentensystem entlasten, habe aber nicht dazu geführt, dass der Energieverbrauch und somit die Treibhausgasemissionen in Deutschland nachhaltig sinken. Angesichts der drohenden Verfehlung der Energiewende- und Klimaziele müsse sie daher reformiert werden. Zu diesem Schluss kommen gleich zwei Studien des DIW Berlin.

Steuersätze zu niedrig um etwas zu bewirken

Fazit: Die Steuersätze auf die verschiedenen Energieträger seien zu niedrig gewesen, um den Verbrauch nachhaltig zu senken. Das gelte insbesondere im Bereich Wärme (Heizöl und Erdgas). Die Besteuerung der Kraftstoffe (Benzin und Diesel) hat zwar zu einer leichten Reduktion der Emissionen im Verkehrsbereich geführt, aber auch hier seien die Erhöhungen zu zaghaft. Grundsätzlich brauche es in diesem Sektor deutlichere Preissignale, damit die Verbraucher Anreize für ein klimafreundlicheres Konsumverhalten bekommen. Hinzu komme, dass die Ökosteuersätze seit dem Jahr 2003 nicht mehr angehoben wurden. Der Anteil der Steuer an den Energiepreiserhöhungen wurde immer kleiner, zum Beispiel beim Strom.

Rentenkasse nachhaltig entlastet, Renten aufgestockt

Immerhin das zweite Ziel der Reform, Steuereinnahmen zu generieren, um im Gegenzug die Sozialabgaben zu senken, hat die Ökosteuer erreicht. Das Aufkommen der Ökosteuer beträgt laut DIW heute etwa 20 Milliarden Euro pro Jahr, die die Rentenversicherung bezuschussen.

In einer zweiten Studie haben Stefan Bach, Hermann Buslei, Michelle Harnisch und Niklas Isaak simuliert, wo Rentenbeitrag und Rentenbezüge ohne die damalige Reform stehen würden. „Ohne die ökologische Reform von damals wäre der Rentenbeitragssatz heute um 1,2 Prozentpunkte höher, die Renten selbst wären um 1,5 Prozent niedriger als sie jetzt sind“, fasst Steuerexperte Stefan Bach die Ergebnisse zusammen, „sozialpolitisch kann man also schon von einem Erfolg sprechen.“

Kleine Einkommen werden stärker belastet

„Insgesamt ist die Steuer aufkommensneutral: Das, was Haushalte und die Wirtschaft draufzahlen, wird ihnen an anderer Stelle zurückerstattet“, so Bach weiter. Das Bild sei differenzierter, wenn man die verschiedenen Einkommensgruppen in den Blick nehme. Weil die Ausgaben für Energie in ihrem Budget schwerer wiegen und sie kaum von Beitragssenkung und Rentenerhöhung profitieren, sind einkommensschwache Haushalte relativ von der Ökosteuer mehr betroffen als Haushalte mit mittleren oder hohen Einkommen.

Wissenschaftler fordern Reform, um Klimaschutzziele zu erreichen

Derzeit geht niemand davon aus, dass Deutschland seine kurzfristigen Klimaschutzziele erreicht. Allerdings könne eine entschlossene Reform der Energiebesteuerung ein wesentliches Element sein, um hier gegenzusteuern, so die Forscher. Vor allem in den Bereichen Wärme und Verkehr, die im Gegensatz zur Industrie nicht vom Emissionshandel erfasst werden, müssten die Energiesteuern deutlich und dauerhaft steigen, und sie müssten stärker an dem jeweiligen CO2-Gehalt der verschiedenen Energieträger ausgerichtet sein. „Es muss der Grundsatz gelten: je klimaschädlicher, desto stärker besteuert“, mahnt Claudia Kemfert.

Dieser Logik folgend sollte Strom aus erneuerbaren Energien seinerseits weniger stark belastet werden. Teile der Steuermehreinnahmen könnten außerdem für die energetische Gebäudesanierung und den Umbau des Verkehrssystems hin zu mehr Nachhaltigkeit genutzt werden.

Entlastung niedriger Einkommen gezielt möglich

Eine Reform der Energiebesteuerung biete auch die Chance, unerwünschte Verteilungswirkungen zu beseitigen, indem einkommensschwache Haushalte gezielt entlastet werden. Hierzu werden derzeit verschiedene Modelle, zum Beispiel von Rückerstattungen, diskutiert. „Ein solcher Klimabonus oder Ökobonus würde Haushalte mit niedrigen Einkommen deutlich stärker entlasten als eine Senkung von Sozialbeiträgen oder Einkommensteuer“, so Stefan Bach.