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Kommentar zu Carbon Capture and Storage

Gefährlich: Pläne für CO2-Verpressung

Nicole Weinhold

Bereits im April 2018 stellte Allard Castelein, Generaldirektor des Hafenbetriebs Rotterdam, den Plan vor, durch das sogenannte CCS-Verfahren (Carbon Capture and Storage) ab 2020 klimaschädliches CO2 in riesigen leeren Gasfeldern, porösen Sandsteinhohlräumen, unter der Nordsee zu speichern. Nun haben die Häfen von Rotterdam, Antwerpen und Gent einen weiteren Vorstoß in dieser Hinsicht unternommen. Sie sind mit jährlich 60 Millionen Tonnen CO2 für ein Drittel des Treibhausgasausstoßes der Region Belgien, Niederlande und Luxemburg verantwortlich.

Klimaziele mit CO2-Abscheidung erreichbar?

Wollen die Staaten im Sinne des Pariser Klimaabkommens handeln, müssen sie zügig runter mit den CO2-Werten. Bis 2030 wollen etwa die Niederlande die Emissionen um 49 Prozent gegenüber 1990 reduzieren. Darum wollen die drei Hafenstädte nun zehn Millionen Tonnen Kohlendioxid aus der Luft ziehen und über Leitungen in zwei leere Gasfelder unter der Nordsee pumpen.

Erster Schritt: Bis 2026 soll eine Rohrleitung durch das Hafengelände von Rotterdam gelegt werden, die anderen Städte sollen dann später angeschlossen werden. Über die Rohre könnten dann dort ansässige Firmen CO2-haltige Abgase entsorgen, so der Plan. Zunächst: Bei dem enormen CO2-Ausstoß der Hafenstädte sind zehn Millionen Tonnen CO2 bis 2030 alleinfalls ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Finanzhilfe vonseiten der EU für CCS?

Gleichwohl hoffen die Organisatoren auf finanzielle Hilfe von der Europäischen Union. Und tatsächlich ist diese interessiert, zumal zahlreiche Szenarien für langfristige CO2-Reduktion in der EU ebenfalls auf einen Anteil CCS oder CO2-Nutzung setzen. Die EU hat derzeit aber noch Zweifel, inwiefern das Vorhaben sich auf die Umwelt auswirken könnte. Es ist möglich, dass Lagerstätten langfristig undicht werden, Gas diffus austritt und die Verschlüsse der Bohrlöcher angegriffen werden. Wenn Eruption größere Mengen austreten, sind Menschen gefährdet.

Trotzdem hoffen Teile der Wissenschaft, dass sich mit CCS die Zunahme von Kohlendioxid in der Atmosphäre bremsen lässt. In vielen Szenarien des Weltklimarates ist die Einhaltung des 1,5-Grad-Limits ebenfalls nur noch unter der Annahme wahrscheinlich, dass CCS zum Einsatz kommt. Mark Saeys von der Universität Gent sagte der Zeitung De Morgen: “Natürlich würde ich Investitionen in erneuerbare Energien bevorzugen, aber man muss realistisch sein: Solange wir als Gesellschaft von fossilen Brennstoffen abhängig sind, kann die unterirdische CO2-Speicherung ein entscheidender Hebel zur Erreichung unserer Klimaziele sein.” Und auch der Leiter des Geoforschungszentrums (GFZ) in Potsdam, Reinhard Hüttl, sagt gegenüber dem Tagesspiegel: "Wir sollten alle Optionen der Minderung des CO2-Ausstoßes nochmals prüfen. Dazu gehört die Abscheidung des Kohlendioxids aus technischen Prozessen, etwa bei der Zementherstellung, und die Speicherung im Untergrund, also Carbondioxide Capture and Storage (CCS)."

Welche Strategie verfolgen?

Dieser Ansatz ist gefährlich. Hier finden wir eine sehr alte Argumentation wieder, die für lange Zeit vom Tisch war, weil die Kosten für viele Testprojekte sich als absurd hoch herausgestellt haben: Statt sich auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zu verständigen, hat die Politik weiter auf fossile Energien gesetzt und gesagt, deren CO2-Ausstoß könne später per CCS neutralisiert werden.

Wenn CCS jetzt fokussiert wird, könnten andere Projekte fallengelassen werden: Der Mineralölkonzern BP und der Chemiebetrieb Nouryon prüfen derzeit den Bau eines Wasserstoff-Elektrolyseurs mit 250 MW und einer jährlichen Produktion von 45.000 Tonnen Wasserstoff am Raffineriestandort Rotterdam. Partner des Projekts ist auch die Rotterdamer Hafengesellschaft, die parallel zur Studie den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft in einer Größenordnung von 2.000 MW prüft.

Ausbauziele für erneuerbare Energien anheben

Aktuell erleben wir in Deutschland und vielerorts in Europa eine Abkehr vom Ausbau der erneuerbaren Energien. Hierzulande steht die Bundesregierung bei den Erneuerbaren seit Jahren massiv auf der Bremse, sodass der Windkraftausbau in diesem Jahr erstmals so schlechte Werte erreicht, wie um die Jahrtausendwende zuletzt. Dabei sind Solar und Wind die Zugpferde für den Regenerativausbau. Wir sollten zunächst hier unsere Hausaufgaben machen. Dafür hat Agora Energiewende gerade gestern die Marschrichtung vorgegeben: "Die Ausbauziele für Solarstrom werden auf fünf Gigawatt pro Jahr verdoppelt, für Windkraft an Land auf vier Gigawatt angehoben und es werden bis 2030 20 Gigawatt Windkraft auf See installiert. Dazu werden Grünstromverträge außerhalb des EEG ermöglicht, Eigenverbrauchsoptionen gestärkt und die Auktionsmengen für Erneuerbare Energien erhöht." Mehr dazu hier.

In Norwegen Störungen im Gestein

CO2-Verpressung sollte ebenso wie Geoengineering nicht weiter fokussiert werden und nur im äußersten Notfall zum Einsatz kommen, weil damit einfach unkalkulierbare Risiken verbunden sind. CCS wird bisher vor allem in den USA und Norwegen eingesetzt. Ein großes CCS-Projekt startete der norwegische Energiekonzern Statoil 1996 im Sleipner-Gasfeld in der Nordsee. Statoil scheidet vor Ort jährlich knapp eine Million Tonnen des Gases ab und presst es in Gesteinsformationen oberhalb des Gasfeldes, um die Zahlung von hohen CO2-Steuern zu vermeiden. Untersuchungen im Jahre 2013 entdeckten Störungen im Gestein, sodass ein künftiger Gasaustritt aus dem Reservoir sehr wahrscheinlich ist.

Grüner Wasserstoff statt CCS

In Deutschland ist der Einsatz von CCS seit 2012 durch das Gesetz zur Demonstration der dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid gesetzlich geregelt, wodurch die Bundesregierung auch die EU-Richtlinie 2009/31/EG in nationales Recht umgesetzt hat. Das Gesetz enthält eine Höchstspeichermenge für Deutschland von vier Millionen Tonnen CO2 pro Jahr insgesamt und 1,3 Millionen Tonnen pro Jahr pro Speicher. Außerdem gibt es eine Länderklausel, die einzelnen Bundesländern die Option zum generellen Verbot der CO2-Speicherung auf ihrem Territorium ermöglicht. Zwei Anläufe für ein Speichergesetz waren zuvor gescheitert. Dazu haben vor allem erhebliche Proteste in der Bevölkerung beigetragen.

Die Häfen Rotterdam, Gent und Antwerpen sollten ihre Strategie überdenken. Viele energieintensive Industrien denken jetzt über die Umrüstung auf Wasserstoff nach, etwa Thyssenkrupp, Salzgitter und Arcelor Mittal. Noch ist die Technologie teuer, aber wenn grüner Wasserstoff in großem Stil aufgebaut wird, ist die Wirtschaftlichkeit nur eine Frage der Zeit.