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Interview mit Bundesumweltministerin, Teil 2

"Klimagesetz ist ein Generationenvertrag."

Lesen Sie hier Teil 2 des Interviews mit Bundesumweltministerin Svenja Schulze.

Teil 1 finden Sie im aktuellen Heft unseres gedruckten Magazins, wo Svenja Schulze über den Zweck des Klimagesetzes spricht, alle Ministerien für den Klimaschutz verantwortlich zu machen, für jedes einen Fahrplan zu erstellen und bei verpassten Klimaschutzetappenzielen die Ministerien individuell an den Folrgekosten zu beteiligen.

Das Gespräch fand Mitte August im Bundesumweltministerium in Berlin statt. Dies war etwa drei Wochen vor dem Windenergie-Krisentreffen vom 5. September zwischen Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Vertretern aus Windbranche und Umweltschützer- oder Anti-Windkraft-Szene und rund fünf Wochen vor dem entscheidenden Treffen des sogenannten Klimakabinetts. Dies findet am 20. September statt. Dabei müssen alle Ministerien des Klimakabinetts mit Verantwortung für das Klima wie Finanz-, Umwelt-, Landwirtschafts-, Verkehrs- und Wirtschafsministerium so viel Klimaschutzmaßnahmen vorschlagen, dass sie damit genügend zum Erreichen der Klimaschutzziele beisteuern.

Nicole Weinhold und Tilman Weber

Sie müssen die Emissionen schnell senken, um beim Klima noch etwas bewegen zu können. Und ein Umbau des Waldes wirkt nur langsam. Ist in den Ministerien schon genug für eine schnelle Senkung der Emissionen zusammengetragen worden?

Svenja Schulze: Bis zur Sitzung des Klimakabinetts am 20. September ist noch einiges zu tun. Dabei geht es auch um das Klimaschutzgesetz als Rahmengesetz: Wie sind die Mechanismen? Wie können wir die jährlichen CO2-Budgets einhalten, die wir in der EU für die Mitgliedstaaten vereinbart haben? Was passiert, wenn ein Bereich nicht auf Zielkurs ist? Wer ist dann verantwortlich fürs Nachsteuern? Das sind Fragen, die die Bundesregierung beantworten muss. Außerdem wird dort über den Preis entschieden, den wir CO2-Emissionen geben wollen. Das Dritte sind die vielen einzelnen Maßnahmen, mit denen wir unser Ziel einer Treibhausgasreduktion um mindestens 55 Prozent bis 2030 erreichen können.

Haben Sie denn für das Klimaschutzgesetz mittlerweile die volle Unterstützung in Ihrer Partei und zumindest durch die Kanzlerin?

Svenja Schulze: In der Partei gibt es 100 Prozent Unterstützung. Wir in der SPD wollen ein Klimaschutzgesetz als eine Art Generationenvertrag: Damit für die nächsten Generationen klar ist, wie CO2 reduziert wird, und wie die Verantwortlichkeiten in der Regierung verteilt sind.

Zur Kanzlerin wollen Sie sich nicht äußern? Angela Merkel ist ja auf EU-Ebene oft auch als Bremserin aufgetreten – beispielsweise bei den Abgaswerten der PKW. Zu Sigmar Gabriels Umweltminister-Zeiten hatte die Kanzlerin beim Thema Braunkohle eher bremsend gewirkt.

Svenja Schulze: … Das war lange vor meiner Zeit.

Hat sich ihre Einstellung geändert oder sind es nur Lippenbekenntnisse?

Svenja Schulze: Das kann ich nicht sagen, weil ich die Strategien von Frau Merkel aus der Insiderperspektive nicht kenne. Aber die Kanzlerin hat das Klimakabinett eingerichtet. Sie leitet dessen Sitzungen. Und beim Petersberger Klimadialog im Juni in Bonn hat sie ja gesagt, dass wir bis 2050 klimaneutral sein wollen.

Die Fernziele seien dahingestellt, für die heutige Politiker sich nicht verantworten werden müssen...

Svenja Schulze: Es geht darum, jetzt die richtigen Weichen zu stellen. Man könnte sich auch zurücklehnen und sagen: 2030 bin ich doch nicht in der Regierung, sollen die doch gucken, wie die ihre Ziele erreichen. Ich weiß, dass Politikern immer vorgeworfen wird, sie könnten nicht weiter rechnen als vier Jahre. Das stimmt aber nicht. Warum habe ich denn ein Klimaschutzgesetz vorgelegt, das die Erreichung von Zielen bis zum Jahr 2030 organisiert, aber trotzdem schon heute jede Menge Widerstände hervorruft?

Welche Bedeutung hat der umweltfreundliche politische Generationenumschwung, der sich im Fridays-for-Future-Phänomen zeigt? Kann er wie bei der Europawahl im Mai geschehen auch künftige Wahlen beeinflussen?

Svenja Schulze: Das ist eine Riesen-Unterstützung. Es sind ja nicht nur die jungen Leute, die wir auf den Straßen sehen. Klimaschutz ist insgesamt Thema, auf den Seiten 1 der Zeitungen und überall. Hier entsteht der Rückenwind, den ich mir wünsche. Es geht um die pathetische Frage, ob und wie wir auf dem Planeten, auf dem wir leben, weiterleben können. Da hat Deutschland nur einen Anteil, aber eben auch einen wichtigen Anteil.

Ist ein wenig skeptischer Realismus erlaubt? Der Umweltaktivist Nicolas Hulot hatte sich als Umweltminister Frankreichs gewinnen lassen, um bald die Segel zu streichen. Er sah keine Chance, gegen den Lobbyismus der Konzerne anzukommen. Ist dieser Lobbyismus eine starke Gegenkraft?

Svenja Schulze: Wer in die Politik geht, muss wissen, dass man da auch argumentieren und kämpfen muss. Es gibt natürlich unterschiedliche Interessen. Die Kunst besteht darin, das nach vorne zu entwickeln. Ich gehe jeden Tag optimistisch hier rein. Es ist ein fantastisches Umweltministerium. Wir haben erste Schritte hingekriegt. Wer hätte denn vor kurzem gedacht, dass wir in großem Konsens einen Plan für einen Kohleausstieg hinbekommen!? Dass wir ihn so machen, dass wir hier keine Riesen-Demonstrationen gegen uns haben.

Sie spüren keinen Widerstand von Wirtschaftsseite, der Ihnen gefährlich werden könnte?

Svenja Schulze: Als Umweltministerin hat man nur mit Widerstand zu tun. Sagen Sie mir mal einen Bereich, wo ich keinen Widerstand habe! Vielleicht beim Insektensterben, das finden alle irgendwie schrecklich. Aber es gibt ja auch nicht mehr nur die eine Wirtschaft. Es gibt immer mehr Unternehmen, die sagen, wir wollen klare Rahmenbedingungen für den Klimaschutz. Die Zwei-Grad-Stiftung, die ich hier im Sinn habe, kennt man auch im Wirtschaftsministerium. Die Frage ist nur, welchen Stellenwert sie da haben.

Was aber wäre ein Klimamaßnahmenpaket wert, wenn der deutsche Windenergiemarkt verloren geht, wie die kollabierenden Windparkerrichtungen seit 2018 befürchten lassen? Was, wenn Altmaiers Windkraftgipfel den Markt nicht schnell rettet?

Svenja Schulze: Dann würde es mit dem Kohleausstieg genauso wenig was werden wie mit dem Umsteuern auf die Nutzung grünen Stroms in der Wärmeversorgung und im Verkehr. Und vielleicht auch zur Einordnung: Alleine durch den stockenden Ausbau der Windenergie haben wir im Jahr 2017 insgesamt 26.000 Arbeitsplätze in der Branche verloren.

In Frankreich sind die sogenannten Gelbwesten gegen eine für den Klimaschutz verabschiedete Reform auf die Straßen gegangen. Jetzt sind in Brandenburg, Thüringen und Sachsen Wahlen. Da haben wir ein ähnliches Phänomen: Es gibt sehr starken Gegenwind vor allem gegen Windkraft, unter anderem von der AFD forciert. Wie soll man damit umgehen?

Svenja Schulze: Wir müssen mit den Leuten vor Ort reden und ihnen sagen: Was kommt nach der Kohle? Weil viele Menschen in der Kohle arbeiten, ist sie für viele Menschen ein wichtiges Thema. Wir müssen ihnen daher auch sagen: Wir kümmern uns darum, dass die nächsten 10, 15 Jahre hier Alternativen entstehen, dass es dann neue, auch gut bezahlte Arbeitsplätze gibt. Den Leuten die Ängste zu nehmen, dass sie da in einen Abgrund fallen, ist eine wichtige Aufgabe von Politik. Ja, ich verstehe, dass man Windkraftanlagen nicht unbedingt schön findet. Ich finde aber auch Kohlekraftwerke nicht schön und Atomkraftwerke auch nicht. Es geht darum, Energie zu produzieren, um nicht vom Import abhängig zu sein.

Eine Studie zeigt, dass insbesondere Kohleregionen besonders strukturschwach und abgehängt sind. Macht es das schwieriger?

Svenja Schulze: Ja, klar. Und gerade in Brandenburg und in Sachsen haben die jetzt über 30 Jahre Strukturwandel erlebt. Dieser bedeutete immer Arbeitsplatzverluste. Es gibt Sorgen, das könnte wieder geschehen. Deswegen haben wir bei der Kohlekommission alle Betroffenen und auch die Leute vor Ort mit einbezogen. Deswegen legen wir erst die Strukturveränderung als Gesetzesvorhaben auf den Tisch. Und dann werden wir aus der Kohle aussteigen.

Lesen Sie den ersten Teil des Interviews mit Karsten Porm in unserem aktuellen gedruckten Heft. Der Eno-Gründer äußert dort seine Gedanken zur 20-jährigen Firmengeschichte und zu Chancen. Sie können bestimmte Ausgaben des gedruckten Magazins wie dieses nachbestellen, falls Sie kein Abonnement besitzen. Falls Sie sich generell ansonsten einen Eindruck von unserem Heft machen wollen, erhalten Sie hier ein kostenloses Probeheft unserer nächsten Ausgabe.