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Wärmenetze: Verordnungen stellen Betreiber vor Herausforderungen

Die im Oktober 2021 in Kraft getretenen gesetzlichen Änderungen, die Novelle der AVBFernwärmeV und die Einführung der FFVAV (Fernwärme- oder Fernkälte-Verbrauchserfassungs- und Abrechnungsverordnung) haben sofort Wirkung entfaltet. Die Neuregelungen der FFVAV haben insbesondere den Endverbraucher im Blick und sollen mehr Transparenz schaffen.   

Für die Wärmenetzbetreiber wird es wohl in den meisten Fällen noch am einfachsten sein, mehr Transparenz bezüglich der Vertragskonditionen zu schaffen. Die Pflicht etwa Preisregelungen und Preisanpassungsklauseln sowie eindeutige Verweise auf die Quellen verwendeter Indizes barrierefrei im Internet zu veröffentlichen, sollte noch leicht erfüllt werden können. Anspruchsvoll wird es allerdings, die hohen Anforderungen an die messtechnische Erfassung des Verbrauchs über fernauslesbare Messeinrichtungen für die monatliche Informationspflicht über die tatsächlichen Verbrauchswerte zu gewährleisten. Auch wenn für bestehende Wärmenetze der Einbau neuer Messtechnik erst mit Ersatzmaßnahmen, aber spätestens bis Ende 2026 erfolgen muss, stellt dies eine nicht unerhebliche Investition dar. Die Anforderungen an die fernauslesbaren Zähler können durch eine vor Ort passende technische Lösung erfüllt werden und unterliegen keinen weiteren Technologievorschriften.

Langfristig wird dadurch der administrative Aufwand zwar verringert, dennoch bringt gerade für kleinere Betreiber:innen die Digitalisierung der Abrechnung und der Kommunikationsprozesse mit den Endkunden eine organisatorische und wirtschaftliche Herausforderung mit sich. Auch weil die Kosten für die fernauslesbaren Zähler nicht pauschal auf die Verbraucher:innen umgelegt werden können.

Eine weitere gravierende Veränderung ist die Möglichkeit, die vertraglich vereinbarte Wärmeleistung während der Vertragslaufzeit anzupassen. Die Anpassung der Leistung kann einmal jährlich mit einer Frist von vier Wochen zum Ende eines Kalendermonats durch die Kund:innen erfolgen. Eine Begründung braucht es nur dann, wenn eine Reduktion um mehr als 50 Prozent im Vergleich zur vertraglich vereinbarten Leistung vorgenommen werden soll oder eine Kündigung des Versorgungsvertrages mit zweimonatiger Frist erfolgt. Eine solche Anpassung der Verträge ist nur dann möglich, wenn ein Nachweis erfolgt, dass die Leistungsreduzierung aufgrund substituierender Nutzung von erneuerbaren Energien bedingt ist. Für die Versorger bedeutet dies eine erhebliche Unsicherheit in Bezug auf den Leistungsbezug und wird damit zum Problem. Denn in der Regel sind die eigenen Beschaffungen mit Vorlieferanten langfristig gesichert und können nicht ohne weiteres angepasst werden. Zudem unterhält der Versorger Infrastruktur, die aus langfristig finanzierten Wärmeerzeugern und Wärmenetzen besteht. Das Anpassungsrecht hat damit direkten Einfluss auf die Risikobewertung, Absatzmengen sowie Preiskalkulationen und somit auch auf den Abschreibungsprozess für die Netzinfrastruktur.

In Einzelfällen können zwar rechtliche Gründe eine einseitig geforderte Anpassung der Leistung verhindern, unabhängig vom prozentualen Umfang. Dies ist aber regelmäßig nur dann der Fall, wenn die Anpassung zu einem unvertretbaren Schaden bei dem betroffenen Versorger führt oder die Wärmeerzeugung bereits auf Basis von erneuerbaren Energien betrieben wird. In einem solchen Fall kann eine Einzelfallprüfung die Leistungsreduzierung abwenden. Ebenso können technische Notwendigkeiten entgegenstehen, die eine Reduzierung schlicht nicht möglich machen, dies gilt bspw. unter Berücksichtigung der Versorgungssicherheit.

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Verschärft wird die Situation durch das Verbot für die Versorger, Preisänderungsklauseln allein durch öffentliche Bekanntgabe einseitig zu verändern. So können Änderungen in der Struktur der Wärmeerzeuger und Preiserhöhungen sich nicht allein aus einem laufenden Vertrag begründen. Zukünftig müssen Wärmeversorger mit ihren Kund:innen eine Nachtragsvereinbarung schließen oder eine Änderungskündigung bewirken. Diese Regelung betrifft vor allem große Versorger mit vielen Wärmekunden, die in der Vergangenheit versuchten, solche Vertragsänderungen einseitig bekannt zu geben. Für die meisten Anschlussnehmer:innen dürfte sich nichts verändern, da die Regelung nun der aktuellen Rechtsprechung folgt. Zukünftig ist es aber gerade vor dem Hintergrund der anstehenden Transformation hin zu einer dekarbonisierten Wärmeversorgung eine erhebliche Herausforderung. Mit dem Umbau der Wärmeerzeugung, oft von fossile auf nun erneuerbare Wärmequellen kommen die Wärmenetzbetreiber unter Druck und müssen bei jeder Änderung der Struktur der Wärmeerzeuger dem Grunde nach mit jedem Endverbraucher einen Nachtrag zum bestehenden Wärmeliefervertrag schließen.

Da es an einer Übergangsvorschrift fehlt, sind die Regelungen der FFVAV und der angepassten AVBFernwärmeV unmittelbar anzuwenden. Dies wird durch die aktuellen Diskussionen in den Hintergrund gedrängt, wie z.B. die erklärte Zielsetzung, die Entkopplung vom Gasbezug aus Russland zu erreichen und dem Ausruf der Frühwarnstufe im Notfallplan Gas. Interessant ist nun, wie der damit verbundenen Unsicherheit begegnet werden kann bzw. wie sich dies auch preislich für die Wärmekund:innen abbilden wird.

Für Versorger besteht nun die dringliche Notwendigkeit, eine echte Transformation der eigenen Infrastruktur zu planen. Sowohl unter Berücksichtigung der kurzfristigen Erarbeitung der vertraglichen Grundlagen, vor allem die Überprüfung der Preisanpassungsklauseln auf Rechtskonformität und Zweckmäßigkeit, sowie Prozesse zu etablieren, um den Informations- und Transparenzvorgaben zu entsprechen. Als auch der langfristigen Überführung in eine nachhaltige Wärmeversorgung, die auf erneuerbaren Energien basiert. (nw)

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Steffen Kölln

Sterr-Kölln

Steffen Kölln

Autor: Steffen Kölln, Geschäftsführer des interdisziplinären Beratungsunternehmens Sterr-Kölln & Partner, das auf erneuerbare Energien und kommunale Energieversorgung spezialisiert ist. 

www.sterr-koelln.com