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Neue Betriebskonzepte für Biogasanlagen nach der EEG-Vergütung entwickelt

Für viele Landwirte, die Biogasanlagen betreiben, stellt sich die Frage, was sie mit ihren Anlagen machen sollen, wenn nach 20 Jahren die EEG-Vergütung ausläuft. Ein einfacher Weiterbetrieb als Stromerzeuger ist in der Regel mit den Erlösen an der Strombörse kaum wirtschaftlich machbar. Deshalb ist die erste Möglichkeit, das Biogas nicht mehr zu verstromen, sondern aufzubereiten und ins Gasnetz einzuspeisen.

Biomethan ins Gasnetz einspeisen

Die vorherige Aufbereitung ist notwendig, da das aus Biomasse gewonnene Rohbiogas neben Methan auch bis zu 40 Prozent Kohlendioxid enthält. Erst wenn dieses CO2 aus dem Biogas entfernt wurde, kann es eingespeist werden. Der Agrarökologe Markus Vagt sieht hier großes Potenzial. „Aktuell erzeugen die deutschen Biogasanlagen pro Jahr rund 100 Terawattstunden Gas, von denen etwa zehn Prozent zu Biomethan aufbereitet und ins Gasnetz eingespeist werden“, weiß Vagt. „Es existiert bereits eine gut ausgebaute Infrastruktur. Denn die vorhandenen Erdgasleitungen und Speicher können sofort und ohne zusätzliche Kosten für Biomethan genutzt werden“, erklärt der Agrarökologe, der als Projektleiter bei der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft (DLG) für die Organisation der EnergyDecentral, der Leitmesse der dezentralen Energieversorgung von Agrarbetrieben, zuständig ist. Mit diesem Geschäftsmodell und durch einen schnellen Ausbau von Biogasanlagen könne Europas Abhängigkeit von russischem Gas stark verringert werden.

Biomethan vielseitig einsetzbar

Schließlich lässt sich Biomethan je nach Bedarf vielseitig im Strom-, Wärme- und Kraftstoffmarkt einsetzen. Langfristig sieht Vagt in Bio-CNG (Compressed Natural Gas) und Bio-LNG (Liquified Natural Gas) eine ernstzunehmende Alternative zu fossilen Energieträgern. Die Konzepte der Aufbereitung von Rohbiogas zeigen auch die Anbieter auf der EnergyDecentral, die von 15. bis 18. November 2022 im Rahmen der Euro Tier in Hannover stattfindet. Die Aussteller setzen dabei auf effiziente Technologien und ausgeklügelte Wärmerückgewinnungssysteme, die schlüsselfertig vor Ort installiert werden.

Umrüstungsaufwand auf ein Minimum beschränken

Neben erprobten Membrantechnologien, der Aminwäsche oder Druckwechsel-Adsorptionsverfahren ergeben optimierte Komponenten wie Biogaskühler, Gasverdichter, Wärmetauscher und Aktivkohlefilter in Kombination, sehr wirtschaftliche Anlagen, die dem Plug-and-Play-Prinzip folgend den Aufwand bei der Umrüstung auf ein Minimum beschränken. Nach dem Aufbereitungsprozess kann das entstandene Biomethan in das Gasnetz eingespeist, oder weiter komprimiert beziehungsweise verflüssigt werden, um fossilen Kraftstoff zu ersetzen.

Biogasanlagen liefern Rohstoff für Power-to-Gas

Auf der EnergyDecentral werden aber auch innovative Power-to-Gas-Technologien ausgestellt, mit denen Betreiber von Biogasanlagen die Möglichkeit haben, sich an die neuen Absatzbedingungen auf dem Energiemarkt anzupassen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Verfahren, die das Kohlendioxid im Rohbiogas direkt in Methan umwandeln. Auf diese Weise kommen auch auch kleinere Biogas-Anlagen als CO2-Quelle für Power-to-Gas-Anlagen in Frage kommen, ohne dass eine komplizierte Gasaufbereitung integriert werden muss. Hintergrund ist, dass für die Herstellung von Methan aus grünem Wasserstoff die Biogas- und Kläranlagen als CO2-Quelle für die Methanisierung genutzt werden. Dafür kommen derzeit nur große Biogasanlagen in Frage.

Methananteil im Biogas erhöhen

Um den Biomethananteil zu erhöhen, haben Forscher der Friedrich-Alexander-Univesität (FAU) Erlangen-Nürnberg ein neues Konzept entwickelt. Dabei wird dem Fermenter kontinuierlich Biogas entnommen. Der CO2-Anteil wird katalytisch mit grünem Wasserstoff in Methan gewandelt und zurück in den Fermenter gespeist. Auf diese Weise steigt der Anteil des Methans im Gasspeichervolumen kontinuierlich an. Zudem vereinfachen die Forscher damit die Abwärmenutzung.

Flexibilität anbieten

Die Lösung bietet den etwa 9.000 bundesdeutschen Bestandsanlagen eine vielversprechende Option, Flexibilität für das Stromsystem anzubieten, das auf volatil einspeisenden erneuerbaren Energie basiert. Denn das gesamte System ist als Nachrüstoption konzipiert. „Der Clou besteht darin, das inerte Kohlendioxid im Gasspeicher durch den Energieträger Methan zu ersetzen. Wir verwenden dafür nicht nur grünen Wasserstoff, sondern auch grünes CO2 aus dem Biogas“, erklärt Jürgen Karl, der das Projekt an der FAU leitet. Bei Bedarf kann die so gespeicherte Energie dann einfach über das Blockheizkraftwerk rückverstromt werden.

Zwei verschiedene Ansätze

Dazu ist aber ein Methanisierungsreaktor notwendig. Jürgen Karl und sein Team haben hier einen neue und einfach nachrüstbare vor allem preiswerte Lösung entwickelt. Denn der Reaktor wird mittels mit 3D-Druck gefertigt. Er methanisiert das Biogas mit Direktdampferzeugung und Direktbeheizung des Fermenters.

Wissenschaftler der Technischen Hochschule Ingolstadt verfolgen im Rahmen des Projekts Hy2Biomethane einen anderen Ansatz. Sie setzen auf einen biologischen Methanisierungsreaktor. Dabei wird das Rohbiogas mittels Druckwasserwäsche vom CO2 gereinigt und so das Biogas zu Biomethan aufbereitet.

Methan auf biologische Weise herstellen

Das CO2 wird aufgefangen und in einem Rieselbettreaktor, den die Energieverfahrenstechniker von der FAU um Jürgen Karl zum Projekt beisteuern, methanisiert. In diesem Reaktor übernehmen spezialisierte Mikroorganismen, sogenannte Archaeen, die Umwandlung des CO2 unter Zuführung von grünem Wasserstoff zu Methan. Das so gewonnene Methan lässt sich direkt in das Gasnetz einspeisen oder im Speicher der Biogasanlage zwischenlagern. „Die Erzeugung von Biomethan durch die intelligente Kombination von Biogasanlagen und Elektrolyse, sowie die Einspeisung von Biomethan in das Erdgasnetz bietet nicht nur für Biogasanlagen eine zukunftsorientierte Alternative“, erklärt Markus Goldbrunner von der TH Ingolstadt. „Sie ist auch ein Schlüssel für die Sektorenkopplung, um aktuell bestehende Probleme der Energiewende zu überwinden, wie das zeitliche Auseinanderlaufen von Stromerzeugung und -nachfrage.“

Sektorenkopplung auf dem Programm

Aber auch die Sektorenkopplung ist ein Schwerpunkt auf der EnergyDecentral. Wie das gelingt, zeigen Forscher der Brandenburgischen Technische Universität (BTU) und der Hochschule Flensburg am Beispiel einer Anlage in Nordhackstedt, westlich von Flensburg. In der Gemeinde betreibt der Landwirtschaftsbetrieb Nissen Biogas eine Biogasanlage mit einer Leistung von 900 Kilowatt, zwei Blockheizkraftwerke mit jeweils 400 Kilowatt Leistung, eine Windkraftanlage mit einer Leistung von 600 Kilowatt und ein zweites Windrad, das 1,5 Megawatt leistet und ein Nahwärmenetz.

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Weiterbetrieb der Windräder ermöglichen

Ziel des Projekts ist es, den Weiterbetrieb der beiden Windräder zu ermöglichen, deren Vergütungszeitraum abläuft. Konkret sieht das Konzept vor, dass die Windräder den Strom für einen Elektrolyseur liefern, der grünen Wasserstoff produziert. Die Biogasanlage wiederum liefert Rohbiogas, dessen CO2-Anteil in einem Reaktor mit dem Wasserstoff zu Methan reagiert. Auch hier erfolgt die Umsetzung durch eine biologische Methanisierung in einem patentierten Rieselbettverfahren, das an der BTU entwickelt wurde. Für die Kopplung mit der Biogasanlage spricht nicht nur die Verwendung von Rohbiogas als Input, sondern auch die Nährstoffversorgung der Mikroorganismen. Diese kann im Rieselbett über die flüssigen Gärreste der Biogasanlage erfolgen. Die ausgekoppelte Reaktionswärme steht für eine Nutzung zur Verfügung, zum Beispiel für die Fermenterheizung oder sie wird ins Nahwärmenetz eingespeist.

Verschiedene Szenarien durchgerechnet

Natürlich muss ein solches Gesamtsystem wirtschaftlich sein, vor allem indem es möglichst viel Methan ausstößt und die Abwärme gut genutzt wird. Deshalb haben die Forscher verschiedene Szenarien für die Projektanlage in Nordhackstedt durchgerechnet, zu welchen Kosten das Methan erzeugt werden kann. Dabei erreichten sie eine stabile Bildungsrate von sieben Normkubikmeter Methan pro Kubikmeter Reaktionsvolumen und Tag bei einer Methankonzentration im Produktgas von mehr als 95 Prozent.

Grünes Erdgas produzieren

In Nordhackstedt wollen Landwirte das Konzept künftig praktisch erproben. Sie planen dazu die Errichtung eines Elektrolyseurs und eines Rieselbettreaktors. So würde nach Angaben der Projektpartner die weltweit erste kontinuierlich betriebene Pilotanlage dieser Art entstehen, die die biologische Methanisierung von Rohbiogas zu grünem Erdgas unter Praxisbedingungen demonstriert.

2.200 Tankfüllungen für Traktoren

Den Strom liefern zunächst die ältere der beiden Windkraftanlagen. Die vorgesehene Anschlussleistung des Elektrolyseurs liegt bei 500 Kilowatt. Damit ist man in der Lage, einen Teil des Biogases aus der Anlage zu methanisieren. Das bereitgestellte Methan kann vor Ort zu CNG komprimiert und zur Betankung von Fahrzeugen eingesetzt werden. Für einen CNG-Traktor mit einer Tankkapazität von 52 Kilogramm wären 2.200 Tankfüllungen pro Jahr gewonnen aus bisher ungenutztem Überschussstrom möglich. (su)

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