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Das Auto wird zum Speicher

Die Zahl der Elektroautos nimmt stetig zu. Auf den ersten Blick bedeutet dies mehr Belastung für das Netz. Die Autos können aber auch die Integration volatilen Ökostroms ins Netz beschleunigen.

Die Idee dahinter ist, Elektroautos zu einem riesigen mobilen Speicher zu vernetzen. Dazu müssen die Autos bidirektional laden können, also nicht nur Strom aus dem Netz ziehen, sondern einen Teil ihrer Akkukapazität zur Verfügung stellen, um überschüssigen Strom aus Solar- und Windkraftanlagen zwischenzulagern.

Intelligent laden

Welche Möglichkeiten dieser mobile Speicher für das Netz bietet, zeigt der Darmstädter Anbieter von Stromtankstellen Lade. Das Unternehmen hat einen Simulator entwickelt, der abhängig vom Ausbau der Ökostromversorgung und der Marktentwicklung der Elektromobilität den möglichen Einsatz von Elektroautos als Netzspeicher zeigt.

Im Simulator rechnet Lade mit 50 Kilowattstunden Batteriekapazität und geht davon aus, dass nur die Hälfte der Autos an eine Ladestation angeschlossen ist. „Daraus ergibt sich das zur Verfügung stehende Speichervolumen der Elektroautos“, erklärt Geschäftsführer Dennis Schulmeyer.

Wir gehen davon aus, dass die Batteriekapazität von ­Elektroautos in den nächsten Jahren weiter steigt.

Dennis Schulmeyer, Geschäftsführer von Lade

Das Ergebnis ist: Je nach Ausbauszenario und Marktentwicklung der Elektromobilität können die Elektroautos fast den kompletten Speicherbedarf abdecken. Dies ist noch ­Zukunftsmusik. Doch das bidirektionale Laden wird kommen. Das hat sich auf der diesjährigen Power2Drive gezeigt. Die meisten Hersteller auf der Leitmesse in München haben schon entsprechende Funktionen in ihren Geräten angekündigt oder eingebaut.

Erst Hürde genommen

Schließlich ist die höchste Hürde genommen. Mit der Norm ISO 11518-20, die im April dieses Jahres vorgestellt wurde, und dem Open Charge Point Protocol (OCPP) ist das Protokoll für das bidirektionale Laden, also die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladestation, festgelegt. Dieses wird der Standard sein, über den die Wallboxen mit dem Elektroauto mit dem Ladesystem CCS (Combined Charging System) kommunizieren. CCS hat sich als Standard beim AC-Laden inzwischen etabliert.

Bidirektionale Wallboxen angekündigt

Jetzt werden die einzelnen Hersteller nach und nach diese Funktionen in ihre Ladestationen integrieren. So hat der österreichische Hersteller Smartfox dies für Ende dieses Jahres angekündigt. Der israelische Anbieter Solaredge hat ebenfalls eine bidirektionale Ladefunktion auf der Power2Drive vorgestellt und wird sie voraussichtlich im Laufe des nächsten Jahres integrieren.

Der spanische Anbieter Wallbox hat für ein Projekt zum bidirektionalen Laden im Gewerbe sogar einen der diesjährigen Smarter-E-Awards abgeräumt. Das Unternehmen hat an seinem Hauptsitz in Barcelona sein Energiemanagementsystem Sirius in die eigene Netzwerkstruktur integriert.

Eine Flotte von 23 Nissan Leaf mit bidirektionaler Ladefunktion wurde mit einer Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 400 Kilowatt gekoppelt. Be- und entladen werden die Autos über das bidirektionale Ladegerät Quasar 2, das Wallbox in diesem Jahr auf den Markt gebracht hat. Durch die Nutzung der Autobatterien als zusätzlichen Speicher konnte das Unternehmen seine Energiekosten um über 40 Prozent senken. Denn die Autobatterien haben den Anteil des vor Ort genutzten Solarstroms gesteigert.

Wallbox braucht Wechselrichter

Solche gewerblichen Anwendungen werden neben der Einbindung von Elektroautos in private Gebäude der Weg in das bidirektionale Laden sein. Denn die Entwicklung von Kommunikationsprotokollen ist nur ein Schritt. Die eigentliche Produktentwicklung ist der nächste.

„Eine bidirektionale Wallbox kombiniert eine Ladeeinheit mit netzeinspeisender Leistungselektronik, vergleichbar in Größe und Funktion mit einem Hybridwechselrichter gleicher Leistungsklasse“, erklärt Frank Burkhardt, Leiter der Abteilung Charging Solutions bei Kostal. Das Unternehmen wird sich zusammen mit Compleo des bidirektionalen Ladens annehmen.

AC und DC galvanisch trennen

Diese netzeinspeisende Leistungselektronik erfordert eine galvanische Trennung zwischen Wechselstrom- und Gleichstromseite. „Durch sie wird das Auto direkt mit Gleichstrom geladen, ohne den Onboard-Charger zu nutzen“, sagt Frank Burkhardt. „Bei Bedarf misst ein System den benötigten Strom am Netzanschlusspunkt und fordert ihn aus dem Fahrzeug an. Die Wallbox konvertiert den Gleichstrom aus der Fahrzeugbatterie in netzkonformen Wechselstrom.“

Diese Stromumwandlung in die öffentliche Ladeinfrastruktur zu integrieren, ist eine echte Herausforderung. Technisch ist das kein Problem. „Der Schlüssel liegt im Geschäftsmodell und der Bereitschaft der Autofahrer, sagt Frank Burkhardt. „Es ist unwahrscheinlich, dass jemand sein Auto an einen Schnelllader anschließt, um dann seinen Speicher für Systemdienstleistungen bereitzustellen, da das Hauptziel ein zügiges Aufladen der Batterie ist.“

Geschäftsmodelle fürs Gewerbe

Er geht davon aus, dass sich das bidirektionale Laden im öffentlichen Bereich vor allem bei stationär und über längere Zeit angeschlossenen Fahrzeugen durchsetzen wird. „Außerdem befindet sich die Elektrizitätswirtschaft in diesem Bereich regulatorisch und betriebswirtschaftlich noch in den Anfängen“, weiß Jörg Lohr, Geschäftsführer von Compleo. „Sobald sich die Geschäftsmodelle etabliert haben, wird bidirektionales Laden aber auch im öffentlichen Bereich an Bedeutung gewinnen. Dennoch ist eine flächendeckende Umsetzung noch in weiter Ferne.“

Sobald sich die Geschäftsmodelle etabliert haben, wird bidirektionales Laden auch im öffentlichen Bereich an Bedeutung gewinnen.

Jörg Lohr, Geschäftsführer von Compleo

Auch Jörg Lohr sieht zunächst den Bedarf im privaten und Unternehmensbereich. „Erst später könnten Netzbetreiber in den stabilen dreiphasigen städtischen Netzen dazu übergehen, Fahrzeuge als Speicher zu nutzen, besonders wenn diese über Nacht geladen werden sollen, um am nächsten Morgen einsatzbereit zu sein“ sagt er. Dieser Schritt benötigt aber noch einige Zeit. W

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