Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
Energiemarktreform

"Sprechen wir doch über die Realität"

Wie schützt man sich in Sachen Energiewende vor Illusionen? In einem eigenen Energiekonzept rechnen die Grünen, Ihre Partei, mit einer  bilanziellen Selbstversorgung Niedersachsens in Zukunft. Dann gebe es den „Austausch mit anderen Energieregionen um zeitliche Engpässe zu überwinden“. Es hört sich friedlich an, doch die Ausbauziele der Länder zusammengenommen sind gigantisch …

Wenn Sie auf unser zwei bis drei Jahre altes Szenario anspielen: Das ist davon ausgegangen dass wir 40 Prozent unseres heutigen Energieverbrauchs einsparen können. Aber das ist nicht gleichzusetzen mit einer Einsparung von Strom. Bei Strom sind wir eher davon ausgegangen, dass sich dieser Verbrauch sogar erhöht. Vorausgesetzt wir ersetzen wirklich einen nennenswerten Anteil des Verkehrs durch Elektroautos. Das Szenario hatte den Zweck, grundsätzlich aufzuzeigen wie eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien aussehen kann, unter welchen Rahmenbedingungen. Beim Netzausbau geht es natürlich nicht nur darum, Strom von A nach B zu liefern. Sondern Netze dienen auch dazu Lastschwankungen abzufedern. Oder unterschiedliche Verbräuche und Produktionsraten in unterschiedlichen Regionen abzufedern. Das Szenario ging  selbstverständlich davon aus, dass wir international Konnektoren haben werden. Die sind in der Vergangenheit nicht im notwendigen Umfang ausgebaut worden. Das ist ein Projekt um, zum Beispiel, mit Norwegen besseren Austausch zu bekommen..

Sie sprechen vom Verbindungskabel Norger, zwischen Norddeutschland und Norwegen.

Genau. Wo wir immer, wenn bei uns wenig Wind weht, Wasserstrom kaufen können, und immer dann, wenn bei uns viel Wind weht, Windstrom nach Norden verkaufen. Es wäre ein ganz normales Handelsgeschäft. Das führt auch dazu, dass wir weniger Lastschwankungen im Netz haben.

Gibt es einen Zeitpunkt, zu dem der Mengenausbau von Wind- und Solarenergie ein Weiter So nicht mehr erlauben?

Dafür ist der Netzentwicklungsplan ja da. Wenn sich jetzt zeigen sollte, das zum Beispiel Bayern und Baden-Württemberg wesentlich stärker in den Ausbau von Windkraft gehen als erwartet, wird man immer wieder auch die nächsten Schritte im Netzausbau überprüfen. Was jetzt beispielsweise geplant ist, ist mit einem Vorlauf von 10 bis 15 Jahren angedacht. Das ist nichts, was morgen da stehen wird, sondern eine Zukunftsplanung, die immer auch mit der aktuellen Entwicklung Schritt halten muss. Ich halte es für notwendig, dass wir über Lastflussanalysen sehr viel genauer Daten darüber kriegen, wo wir Engpässe im Netz haben. Da sind andere Länder wie Dänemark wesentlich transparenter als wir.

Sie plädieren für die konsequente Anwendung und Ausnutzung vorhandener Instrumente. Brauchen Sie aber als Grünstromexportland nicht auch eine Garantie der Stromtransitländer, jederzeit niedersächsischen Windstrom durchleiten zu können?

Sprechen wir doch lieber über die Realität: Wo sind wir denn heute Grünstromexportland?

Wir finden es richtig, auch über die Zukunft zu reden: Selbst wenn die Offshore-Windenergie realistischerweise bis 2020 nicht auf zehn Gigawatt, wie von der Bundesregierung geplant ist, sondern auf sechs Gigawatt ausgebaut sein wird, müssen Sie doch diesen Strom schnell auch über Niedersachsen hinaus wegleiten können?

In unserem alten grünen Szenario sind wir davon ausgegangen, dass von der Gesamtproduktion des Offshore-Winds jedem Bundesland zehn Prozent zur Verfügung steht. Aber diese Offshore-Energie ist keine niedersächsische Veranstaltung, ihre Erzeugung findet in der AWZ statt.

… in der küstenfernen Ausschließlichen Wirtschaftszone, die unter Bundeshoheit steht.

Offshore-Windenergie ist ein nationales Programm. Das hat die Bundesregierung beschlossen. Wir Niedersachsen begleiten das wohlwollend.

Die Branche hat eine regionale Lenkung der Energiewende ins Gespräch gebracht. Bundesumwelt- und Wirtschaftsministerium haben es aufgegriffen. Er sieht vor, mehr Vergütung für die Kilowattstunde aus Windenergie im Binnenland zu gewähren und dafür weniger für ohne Förderung fast rentable Windparks an der Küste. Ist das gut?

Würde der Bund seine Hausaufgaben machen, wäre das einfach regelbar. Die Referenzertragsmodelle, die auf dem Tisch liegen, sind im Kern unstrittig. Entscheidend sind aber nicht die Landesgrenzen zum Beispiel von Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Das müsste so  gestaltet werden, dass man auch an windschwächeren Standorten eine vernünftige Investition tätigen kann und es an anderer Stelle keine Überförderung gibt. Dass es in Bayern, Baden-Württemberg und Hessen keine Windräder gibt, ist politisch entschieden worden. Dort haben CDU-Ministerpräsidenten regiert, die diese nicht wollten. Jetzt hat sich das geändert, so dass wir automatisch eine gleichmäßigere Produktion im Lande hinkriegen.

Das Gespräch führte Tilman Weber